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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.03.2004
Aktenzeichen: II ZR 210/01
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 55
GmbHG § 57 Abs. 2
GmbHG § 7 Abs. 2
Im Kapitalaufbringungssystem der GmbH bildet der Kapitalerhöhungsbeschluß die maßgebliche Zäsur. Voreinzahlungen auf die künftige Kapitalerhöhung haben schuldtilgende Wirkung nur dann, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Fassung des Erhöhungsbeschlusses noch als solcher im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. Dem steht es nicht gleich, daß auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft eingezahlt wird und die Bank nach Verrechnung der Gutschrift eine Verfügung über den Einlagebetrag zuläßt (Klarstellung von Sen.Urt. v. 21. Juni 1996 - II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 210/01

Verkündet am: 15. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Graf und Dr. Strohn

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2001 aufgehoben und das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden vom 24. August 2000 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511.291,88 € nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1996 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der G. GmbH. Über deren Vermögen ist Ende 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Die Gemeinschuldnerin war ursprünglich mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM ausgestattet. Am 23. Dezember 1996 beschloß der Beklagte die Erhöhung des Stammkapitals um 1,45 Mio. DM und übernahm die auf das erhöhte Kapital zu leistende Stammeinlage. 1 Mio. DM sollten sofort auf dem Wege der Bareinlage eingezahlt werden, während der Restbetrag durch Einbringung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs des Beklagten gegen die GmbH aufgebracht werden sollte. In der Anmeldung der Kapitalerhöhung vom 23. Dezember 1996 versicherte der Beklagte, "daß die Einlagen auf das neue Stammkapital in voller Höhe bewirkt sind und daß die Einlagen der Geschäftsführung endgültig auflagenfrei und frei von jeglichen Schulden oder Rechten Dritter zur freien Verfügung stehen". Den bar zu erbringenden Teil seiner Einlageschuld hatte der Beklagte bereits wenige Tage vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß, am 19. Dezember 1996, auf das Geschäftskonto der Gesellschaft eingezahlt. Dieses wurde - bei geduldeter Überziehung - zu dieser Zeit im Debet geführt und wies am 18. Dezember 1996, am Tag vor der Einzahlung, einen Saldo von 1.452.978,13 DM zu Lasten der Gesellschaft auf. Nach Gutschrift der als "Stammeinlage G. GmbH" gekennzeichneten Einzahlung am 19. Dezember 1996 und weiteren Buchungen lag der Debetsaldo auf diesem Konto der Gesellschaft bei 436.729,84 DM.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe seine Einlageschuld durch die genannte Zahlung nicht ordnungsgemäß erfüllt. Seine Zahlungsklage hatte vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Der Kläger verlangt mit Recht von dem Beklagten Erfüllung seiner Einlageschuld in Höhe von 1 Mio. DM zzgl. Zinsen.

Durch die Überweisung des genannten Betrages vom 19. Dezember 1996 und die entsprechende Gutschrift auf dem im Debet geführten Kreditkonto der Gemeinschuldnerin am selben Tage ist diese Einlageschuld des Beklagten nicht getilgt worden. Da die Zahlung bewirkt wurde, bevor der Beklagte als Alleingesellschafter die Kapitalerhöhung beschlossen hat, handelt es sich um eine sog. Zahlung auf künftige Einlageschuld; diese hat - ob etwas anderes gilt, wenn diese Verfahrensweise aus Sanierungsgründen geboten ist, hat der Senat bisher nicht entschieden (vgl. dazu zuletzt BGHZ 145, 150 zur sog. "Voreinbringung" auf künftige Einlageschuld; ferner Urt. v. 7. November 1994 - II ZR 248/93, NJW 1995, 460) und bedarf auch hier keiner Entscheidung - allein dann schuldtilgende Wirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt des Erhöhungsbeschlusses als solcher noch im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist (BGHZ 51, 157, 159 m.w.N.; Urt. v. 7. November 1966 - II ZR 136/64, NJW 1967, 44; Urt. v. 21. Juni 1996 - II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466 f.; für die Sacheinlage BGHZ 145, 150 ff.). Erfüllt ist diese Voraussetzung, wenn der geschuldete Betrag sich entweder in der Kasse der Gesellschaft befindet oder wenn der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt und dieses anschließend und fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben in entsprechender Höhe ausweist.

Dagegen reicht es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, das sich hierbei allerdings auf die vereinzelt gebliebene Entscheidung des Senats vom 21. Juni 1996 (II ZR 98/95 aaO) beruft, nicht aus, daß der Überweisungsbetrag mit Schulden der Gesellschaft verrechnet wird; das gilt selbst dann, wenn das Kreditinstitut eine erneute Verfügung über das Kreditkonto in entsprechender Höhe gestattet. Soweit dem genannten Urteil Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält der Senat hieran nicht fest.

Im Kapitalaufbringungssystem des GmbHG bildet der Kapitalerhöhungsbeschluß die maßgebende Zäsur, nach der sich nicht nur bestimmt, in welcher Weise der Gesellschafter, der zur Übernahme des neu geschaffenen Geschäftsanteils zugelassen wird, seine Einlage zu erfüllen hat, sondern von der ab der Geschäftsführer auch ihm aufgrund dieses Beschlusses zugegangene Einlageleistungen für Zwecke der Gesellschaft - etwa zur Tilgung einer Kreditschuld - verwenden darf, ohne daß der Gesellschafter Gefahr läuft, von seiner Einlageverpflichtung nicht frei zu werden (s. BGHZ 150, 197 ff.). Ist eine Bareinlage vereinbart, kann der geschuldete Betrag grundsätzlich erst ab diesem Zeitpunkt eingezahlt werden; vorher an die Gesellschaft erbrachte Geldleistungen werden nach dem Kapitalaufbringungssystem des GmbHG grundsätzlich nicht als Zahlungen auf die geschuldete Bareinlage anerkannt. Einlagegegenstand ist in diesem Fall vielmehr die entsprechende Rückzahlungsforderung, die nur auf dem Wege einer offen zu legenden und der registergerichtlichen Prüfung zu unterwerfenden Sacheinlage eingebracht werden kann. Hiervon macht der Senat - aus Gründen der Vereinfachung der Abwicklung - allein für den oben genannten Fall eine Ausnahme, daß sich der vorher eingezahlte Betrag als solcher - also nicht nur wertmäßig - im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung zweifelsfrei noch im Gesellschaftsvermögen befindet. Wollte man demgegenüber auch einer Voreinzahlung auf ein debitorisches Gesellschaftskonto schuldtilgende Wirkung beimessen, soweit das Kreditinstitut eine abermalige Verfügung über den Einzahlungsbetrag zuläßt, würde der grundlegende Zweck der Kapitalaufbringungsvorschriften, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger präventiv für eine transparente und zweifelsfreie Erfüllung der Einlageverpflichtungen und eine dadurch eintretende Stärkung der Liquidität der Gesellschaft zu sorgen, nicht erreicht. Vielmehr würde es den Beteiligten gestattet, sich der vom Gesetzgeber aus guten Gründen vorgeschriebenen Publizität und präventiven registergerichtlichen Kontrolle des Kapitalaufbringungsvorgangs zu entziehen, und die Klärung, ob die Gesellschaft wenigstens wertmäßig durch die Vorgänge gestärkt worden ist, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Gerade der zu entscheidende Fall macht die dadurch eintretenden Schwierigkeiten nachdrücklich deutlich, wenn die Parteien nach Jahren darum streiten, ob der Beklagte als alleiniger Geschäftsführer aufgrund der Überweisung vom 19. Dezember 1996 über einen Zuwachs an Liquidität hat verfügen können, weil die Hausbank der Gemeinschuldnerin nach der Verrechnung der Voreinzahlung weitere Verfügungen über das Konto zugelassen hat, oder ob der eingezahlte Betrag sogar mittelbar an den beklagten Inferenten zurückgezahlt worden ist und aus diesem Grund die Einlageschuld nicht getilgt worden ist (vgl. BGHZ 150, 197 ff.).



Ende der Entscheidung

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