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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.1998
Aktenzeichen: II ZR 213/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 705
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 213/97

Verkündet am: 9. November 1998

Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

BGB § 705

Die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil grundsätzlich nicht genommen.

BGH, Urt. v. 9. November 1998 - II ZR 213/97 - OLG Düsseldorf LG Krefeld


Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Dr. Kapsa und Kraemer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 1997 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 30. August 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Zustimmung des Klägers zu

a) dem Rechnungsabschluß der Grundstücksgemeinschaft K. zum 31. Dezember 1994 und

b) allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften, wie sie in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Grundstücksgemeinschaft K. vom 10. August 1990 aufgeführt sind,

einzuholen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte und ihre Schwester M. K. waren in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümerinnen des Wohn- und Gewerbeanwesens Ko. straße 46 in Kr.. Am 10. August 1990 gründeten sie unter der Bezeichnung "Grundstücksgemeinschaft K. " eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck es ist, das Grundstück zu verwalten und zu vermieten. Die Geschäftsführung wurde der Beklagten übertragen. § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages enthält einen Katalog von Maßnahmen und Geschäften, für welche die Beklagte nur gemeinsam mit ihrer Schwester geschäftsführungsbefugt war.

M. K. verstarb am 25. Juni 1994. Sie wurde aufgrund ihres Testaments von den Söhnen ihrer Schwester, Kl. R. und H. R. (dem Kläger), beerbt. Diese bewilligten gemäß dem testamentarischen Vermächtnis von M. K. zu Gunsten der Beklagten einen Nießbrauch auf Lebenszeit, der auch den von ihnen geerbten Anteil an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts umfaßte und am 4. April 1995 in das Grundbuch eingetragen wurde.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als geschäftsführende Gesellschafterin berechtigt ist, den Rechnungsabschluß für das Jahr 1994 allein festzustellen, und ob die in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen gemeinsamen Geschäftsführungsbefugnisse der Gesellschafter durch die Bestellung des Nießbrauchs auf die Beklagte übergegangen sind. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zustimmung der Mitgesellschafter Kl. R. und H. R., handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft, zu dem Rechnungsabschluß der Grundstücksgemeinschaft K. zum 31. Dezember 1994 einzuholen. Ferner hat er beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Einwilligung der Mitgesellschafter Kl. R. und H. R., handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft, zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften einzuholen, wie sie in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Grundstückgemeinschaft K. vom 10. August 1990 aufgeführt sind. Das Landgericht hat festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Zustimmung der Mitgesellschafter - jeweils handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft - zu dem Rechnungsabschluß der Grundstücksgemeinschaft K. zum 31. Dezember 1994 und deren Einwilligung zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften einzuholen, wie sie in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 aufgeführt sind. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Die Brüder Kl. und H. R. sind durch die testamentarische Erbfolge nicht Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ungeteilter Erbengemeinschaft, sondern jeder für sich geworden. Die einem verstorbenen Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kraft seines Testaments in seine Gesellschafterstellung folgenden Erben bilden insoweit keine ungeteilte Erbengemeinschaft, sondern sind Einzelnachfolger des Erblassers (vgl. BGHZ 22, 186, 191 ff.; 68, 225, 237; 91, 132, 135; 98, 48, 50 f.; 108, 187, 192 f.; BGH, Beschl. v. 10. Januar 1996 - IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284, 1285 = WM 1996, 681, 683).

II. Der Kläger hat - entgegen den Darlegungen der Revisionserwiderung - ein rechtliches Interesse an den von ihm begehrten Feststellungen (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Ein Nießbrauch an dem Anteil einer Personengesellschaft ist rechtlich möglich (BGHZ 58, 316 ff.; vgl. auch BFH, Urt. v. 1. März 1994 - VIII R 35/92, NJW 1995, 1818, 1819 m.w.N.). Die mit ihm verbundene dingliche Berechtigung kommt im Falle des Anteilsnießbrauchs darin zum Ausdruck, daß dem Nießbraucher die Rechte aus dem Nießbrauch nicht nur gegen den Besteller, sondern auch gegen die Mitgesellschafter des Bestellers zustehen (vgl. Staub/Ulmer, HGB, 4. Aufl., § 105 Rdn. 114). Umgekehrt kann der einzelne Gesellschafter seine Gesellschafterrechte gegen den Nießbraucher geltend machen, ohne daß es dazu der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedürfte. Besteht zwischen einem Gesellschafter und dem Nießbraucher, der im Einzelfall gleichzeitig auch Mitgesellschafter sein kann, Streit über den Inhalt und Umfang der Rechte des Nießbrauchers, hat daher jeder von beiden ein rechtliches Interesse daran, diese Frage in einem Feststellungsprozeß zu klären.

III. Ein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft liegt nicht vor. Es handelt sich nicht - wie das Berufungsgericht annimmt - um einen Prozeß, der nur zwischen allen Gesellschaftern geführt werden könnte.

1. Dem Feststellungsbegehren des Klägers liegt die Rechtsmeinung zugrunde, die Gesellschafter hätten einen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihre Zustimmung zu den Rechnungsabschlüssen der Gesellschaft und zu Rechtsgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages einholt. Dieser Streit berührt das Gesellschaftsverhältnis unmittelbar. Derartige Prozesse sind nicht zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, sondern zwischen diesen auszutragen (vgl. Sen.Urt. v. 6. November 1989 - II ZR 302/88, WM 1990, 309 m.w.N.). Dabei sind mehrere auf der Kläger- oder der Beklagtenseite beteiligte Gesellschafter keine notwendigen Streitgenossen (vgl. BGHZ 30, 195, 197 f.).

2. Hieran ändert sich nichts, soweit es um die Zustimmung zu dem Rechnungsabschluß geht. Zwar ist für diesen Feststellungsbeschluß Einstimmigkeit erforderlich, wenn - wie hier - der Gesellschaftsvertrag keine Mehrheitsklausel für Grundlagengeschäfte enthält (vgl. Sen.Urt. v. 29. März 1996 - II ZR 263/94, WM 1996, 772, 776 f.). Besteht Streit zwischen den Gesellschaftern, so hat der Senat erwogen, ob auf der Aktiv- und Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, diese Frage aber letztlich offengelassen (Sen.Urt. v. 10. Oktober 1983 - II ZR 181/82, WM 1983, 1279 f.). Sie bedarf weiterhin keiner abschließenden Entscheidung. Jeder Gesellschafter kann die Zustimmung zu dem Rechnungsabschluß für sich und unabhängig von dem Verhalten der anderen Gesellschafter erklären. Dementsprechend kann die Beklagte die Zustimmung des Klägers getrennt von der seines Bruders einholen; der Kläger hat umgekehrt einen ihm allein zustehenden Anspruch gegen die Beklagte.

IV. Die Klage erweist sich auch im übrigen als begründet.

1. Der Nießbraucher erhält ein dingliches Nutzungsrecht, wird aber nicht Gesellschafter. Ist er selber Mitglied der Personengesellschaft, so wird seine Gesellschafterstellung durch die Rechte und Pflichten aus dem ihm eingeräumten Nießbrauch angereichert. Inhalt seines Nutzungsrechts sind vor allem die Früchte der Mitgliedschaft (§ 100 BGB). Inwieweit dem Nießbraucher auch Verwaltungsrechte zustehen können (vgl. dazu näher Schön, ZHR 158, 229, 260 ff.), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn jedenfalls die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Anteil grundsätzlich nicht genommen (vgl. Münch.Komm.-Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 705 Rdn. 83; Westermann, Hb. der Personengesellschaften I 681 m.w.N.). Der Kläger hat deshalb einen Anspruch darauf, daß die Beklagte seine Zustimmung zum Jahresabschluß 1994 und zu allen Maßnahmen und Rechtsgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 einholt.

a) Der Anspruch des Gesellschafters auf Mitwirkung beim Rechnungsabschluß gehört zu den Verwaltungsrechten, welche die Substanz der Mitgliedschaft berühren (vgl. Ulmer aaO § 721 Rdn. 4 m.w.N.). Die Feststellung des Jahresabschlusses ist Sache der Gesellschafter, was § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 10. August 1990 ausdrücklich bekräftigt. Dieser Anspruch wird von einem Nießbrauch grundsätzlich nicht erfaßt.

b) Anders als die Feststellung des Jahresabschlusses sind die in § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages aufgeführten Rechtsgeschäfte, für welche eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis der Gründergesellschafterinnen vorgesehen ist, zwar ihrer Natur nach keine Grundlagengeschäfte, sondern Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung. Die Gründergesellschafterinnen haben sie jedoch wegen ihrer besonderen Bedeutung und potentiellen Gefährlichkeit für die wirtschaftliche Substanz der Beteiligungen in dem Gesellschaftsvertrag ausdrücklich aus den laufenden, von der Geschäftsführerin allein zu erledigenden Angelegenheiten herausgelöst und den gemeinsam zu entscheidenden Grundlagengeschäften zugeordnet. Auch sie werden deshalb von einem Nießbrauch am Gesellschaftsanteil nicht erfaßt (vgl. dazu auch Ulmer aaO § 709 Rdn. 11).

2. Ob derartige Gesellschafterrechte durch ausdrückliche Anordnung auf den Nießbraucher übertragen werden könnten, kann dahingestellt bleiben. Eine solche ausdrückliche Anordnung ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Mit der testmentarischen Verfügung "Meiner Schwester Ma. vermache ich die lebenslängliche Nutznießung an meinem Nachlaß", hat M. K. den Nießbrauch in dem Umfang eingeräumt, den das Gesetz vorsieht. Darüber hinausgehende Rechte haben der Kläger und sein Bruder nicht auf die Beklagte übertragen; sie waren dazu auch nicht verpflichtet.

V. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen waren, konnte der Senat abschließend entscheiden.

Die im Urteil des Landgerichts gebrauchte Wendung "Kl. R. ..., handelnd in ungeteilter Erbengemeinschaft" mußte aus Rechtsgründen entfallen (vgl. oben unter I.). Auswirkungen auf die Kostenentscheidung hat dies nicht.



Ende der Entscheidung

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