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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.11.2004
Aktenzeichen: II ZR 344/03
Rechtsgebiete: VerbrKrG, BGB


Vorschriften:

VerbrKrG § 9 Abs. 3
VerbrKrG § 9 Abs. 2 Satz 4
VerbrKrG § 9 Abs. 1
BGB § 255
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 344/03

Verkündet am: 15. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 2. Oktober 2003 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 15. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Beklagten wird die Klägerin weiter verurteilt, an den Beklagten 5.302,73 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gemäß Diskontüberleitungsgesetz seit dem 26. März 2002 zu zahlen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Darlehen, das die Klägerin dem Beklagten im Herbst 1993 zur Finanzierung seines Beitritts zur G.-GbR, W. Straße 146, D., Fonds Nr. 16 (im folgenden: Fonds, Fondsgesellschaft), gewährte.

Die Fondsgesellschaft war von der Do. Gesellschaft mbH (im folgenden: Do. GmbH) und deren Geschäftsführer W. Gr. gegründet worden. Gesellschaftszweck war der Erwerb, die Bebauung, wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks W. Straße 146 in D.. Die Einlage des Beklagten betrug 40.000,00 DM und wurde in vollem Umfang durch einen mit einer Tilgungslebensversicherung besicherten Festkredit der Klägerin finanziert. Die Klägerin zahlte die Darlehensvaluta, wie nach dem Darlehensvertrag vorgesehen, an den Treuhänder des Fonds. Die Fondsbeteiligung und deren Finanzierung waren dem Beklagten von einem Mitarbeiter der H. GmbH vermittelt worden.

Die in dem Fondsprospekt angenommenen Mieten konnten nicht erwirtschaftet werden. Die Do. GmbH, die für fünf Jahre eine Mietgarantie gegenüber der Fondsgesellschaft übernommen hatte, stellte ihre Zahlungen ab Juni 1996 ein. Ein Konkursantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Der Initiator des Fonds, W. Gr., wurde 1999 wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. hinsichtlich des Fonds 16, rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich oder der Do. GmbH ohne Wissen der Anleger von der Grundstücksverkäuferin und Bauträgerin einen Teil der für den Erwerb und die Bebauung des Grundstücks veranschlagten 5,6 Mio. DM, nämlich 2,2 Mio. DM, zurückzahlen lassen, so daß von dem insgesamt aufgebrachten Kapital des Fonds in Höhe von 8,5 Mio. DM nur 3,4 Mio. DM und damit weniger als die Hälfte des Fondskapitals in das Bauvorhaben geflossen war.

Der Beklagte stellte die Bedienung des Kredits ab März 1998 ein. Mit Anwaltsschreiben vom 2. Juni 1998 ließ er den Darlehensvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und von der Klägerin Schadensersatz wegen der von ihm auf Grund des Darlehensvertrages erbrachten Zahlungen fordern. Während des Rechtsstreits erklärte er mit Schreiben vom 22. März 2002 die fristlose Kündigung seiner Fondsmitgliedschaft sowie den Widerruf seines Beitritts und des Darlehensvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz.

Mit der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung der offenen Darlehensbeträge in Höhe von 46.427,24 DM, bis Februar 2001 berechnete Zinsen von 9.854,26 DM sowie weitere Verzugszinsen von 1.171,54 DM, insgesamt 57.453,04 DM. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und die Klägerin auf Erstattung von Zinszahlungen in Höhe von 5.302,73 € und auf Rückabtretung der Lebensversicherung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage hinsichtlich der Rückabtretung der Lebensversicherung stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben und unter Zurückweisung der den Zahlungsantrag des Beklagten betreffenden Anschlußberufung die Widerklage auch hinsichtlich der Rückgewähr der Lebensversicherung abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin nach seinen Widerklageanträgen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin und zu ihrer Verurteilung auf die Anschlußberufung des Beklagten.

I. Der Beklagte braucht der Klägerin das Darlehen nicht zurückzuzahlen und hat seinerseits gegen sie Anspruch auf Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen. Das ergibt sich aus § 9 Abs. 3, Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG in seiner bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung.

1. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß der Beitritt zu einem Immobilienfonds und dessen Finanzierung durch ein Kreditgeschäft grundsätzlich ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1, Abs. 3 VerbrKrG sein können. Nach der Rechtsprechung des Senats erfüllen der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das ihn finanzierende Kreditgeschäft die Voraussetzungen eines Verbundgeschäfts, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594; ebenso Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Sachen II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1396, 1398 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1405). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat sich bei der Darlehensgewährung des von den Fondsinitiatoren eingeschalteten Vermittlungsunternehmens bedient, indem sie ihm ihre Vertragsformulare zur Verfügung stellte.

2. Von Rechtsfehlern beeinflußt ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG scheitere daran, daß dem Beklagten gegen die Fondsgesellschaft bzw. deren Initiatoren keine Ansprüche zustünden, die er der Klägerin entgegensetzen könnte.

a) Der Beklagte kann, ohne daß es auf die Kündigung seiner Fondsmitgliedschaft und deren vom Berufungsgericht - zu Unrecht - angenommene Verspätung (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1594 f.; wegen des Verwirkungseinwands vgl. Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 374/02, ZIP 2004, 1407, 1408 f.) ankäme, sich der Klägerin gegenüber nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG darauf berufen, daß ihm gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds, die Do. GmbH und W. Gr., Schadensersatzansprüche u.a. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß zustehen (vgl. Sen.Urt. v. 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852).

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2004 (II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406) entschieden hat, kann der bei seinem Eintritt in eine Fondsgesellschaft getäuschte Anleger bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts nicht nur seine Beteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten, sondern darüber hinaus dem Kreditinstitut alle Ansprüche entgegensetzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat, weil diese in dem Dreiecksverhältnis des Verbundgeschäfts Kunde - Verkäufer - Bank wie ein Verkäufer zu behandeln sind. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist W. Gr. wegen Kapitalanlagebetrugs, u.a. im Zusammenhang mit dem hier betroffenen Fonds 16, rechtskräftig verurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sein oder gerade der Beklagte nicht zu den Betrugsopfern gehört haben könnte, sind nicht vorgetragen.

b) Die gegenüber den Gründungsgesellschaftern des Fonds bestehenden Schadensersatzansprüche sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er der Fondsgesellschaft nicht beigetreten und hätte mit dem den Beitritt finanzierenden Institut keinen Darlehensvertrag geschlossen (Sen.Urt v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, ZIP 2004, 1394, 1400 und II ZR 395/01, ZIP 2004, 1402, 1406).

Danach hat der Beklagte der Klägerin nur die Fondsbeteiligung, die er ihr bereits sicherungshalber abgetreten und mit Anwaltsschreiben vom 2. Juni 1998 zur Verfügung gestellt hat, sowie in entsprechender Anwendung von § 255 BGB seine Schadensersatzansprüche gegen die Do. GmbH und W. Gr. zu überlassen. Die Darlehensvaluta, die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder geflossen ist, braucht er der Klägerin dagegen nicht zurückzuzahlen. Im Wege des Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen. Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) kann er Rückgewähr der von ihm auf Grund des Darlehensvertrages an die Klägerin erbrachten Leistungen verlangen, soweit diese aus seinem eigenen Vermögen und nicht aus den Erträgnissen des Fonds stammen. Der Beklagte hat außerdem Anspruch auf Rückabtretung seiner Lebensversicherung.

3. Damit erweist sich die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage und gegen ihre Verurteilung zur Rückabtretung der Lebensversicherung als unbegründet. Der Widerklage des Beklagten ist auch hinsichtlich des Zahlungsanspruchs stattzugeben. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, daß es sich bei dem von ihm geforderten Betrag um aus seinem Vermögen erbrachte Zahlungen handelt.

II. Die Revision hat bereits wegen des dem Beklagten gegen die Gründungsgesellschafter des Fonds zustehenden Schadensersatzanspruchs Erfolg, so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob der Beklagte, wie er meint, den Darlehensvertrag mit seinem Schreiben vom 22. März 2002 nach dem Haustürwiderrufsgesetz wirksam widerrufen hat. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat die Sache selbst entscheiden.



Ende der Entscheidung

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