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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2004
Aktenzeichen: II ZR 362/02
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 325
GmbHG §§ 21 ff.
GmbHG §§ 55 ff.
a) Wird in einem Prozeß des Insolvenzverwalters gegen einen GmbH-Gesellschafter rechtskräftig festgestellt, daß der Gesellschafter seine Einlage nicht eingezahlt hat, und führt der Insolvenzverwalter daraufhin das Kaduzierungsverfahren nach § 21 GmbHG durch, ist das Gericht in dem nachfolgenden Prozeß des Insolvenzverwalters gegen einen Mitgesellschafter auf Zahlung des Fehlbetrages nach § 24 GmbHG nicht an die rechtskräftige Feststellung aus dem Vorprozeß gebunden.

b) Der GmbH-Gesellschafter erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag nach einem Kapitalerhöhungsbeschluß zur freien Verfügung der Geschäftsführer an die Gesellschaft zahlt. Dabei reicht die Zahlung auf ein im Debet geführtes Konto aus, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit erhält, über einen Betrag in Höhe der Einlageleistung frei zu verfügen, sei es im Rahmen eines förmlich eingeräumten Kreditrahmens, sei es aufgrund einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 362/02

Verkündet am: 8. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten werden das Versäumnisurteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Mai 2002 im Kostenpunkt und das Urteil des vorbezeichneten Gerichts vom 7. November 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 116.216,64 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel vom 14. März 2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 116.216,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten ihrer Säumnis im zweiten Rechtszug hat die Beklagte selbst zu tragen. Von den übrigen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten - tragen die Beklagte 57 % und der Kläger 43 %. Die im zweiten Rechtszug angefallenen außergerichtlichen Kosten des Streithelfers tragen dieser selbst zu 57 % und der Kläger zu 43 %.

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 66 % und der Streithelfer der Beklagten zu 34 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Streithelfer 40 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Streithelfers trägt der Kläger 60 %. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Ehemann der Beklagten, E. H., war Alleingesellschafter der K. GmbH, über deren Vermögen am 1. April 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde. Der Kläger ist Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren.

Am 1. Dezember 1993 beschloß E. H. in notarieller Verhandlung vor dem als Streithelfer der Beklagten dem Rechtsstreit beigetretenen Notar eine Erhöhung des Stammkapitals um 450.000,00 DM. Davon übernahmen er selbst 400.000,00 DM und die Beklagte 50.000,00 DM. Die Kapitalerhöhung wurde am 26. Juli 1994 im Handelsregister eingetragen.

Mit der Begründung, der Kapitalerhöhungsbetrag von 400.000,00 DM sei nicht wirksam eingezahlt worden, erwirkte der Kläger in einem Vorprozeß ein rechtskräftiges Zahlungsurteil gegen E. H. in dieser Höhe. Die Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Daraufhin erklärte der Kläger nach § 21 GmbHG E. H. des Geschäftsanteils für verlustig. In dem vorliegenden Verfahren nimmt er die Beklagte als Mitgesellschafterin gemäß § 24 GmbHG auf Zahlung der 400.000,00 DM in Anspruch.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision wehrt sich der Streithelfer der Beklagten gegen eine Verurteilung in Höhe von mehr als 227.300,00 DM = 116.216,64 €. Dazu beruft er sich auf eine unstreitige Zahlung des Ehemannes der Beklagten vom 24. Januar 1994 in Höhe von 172.700,00 DM und meint, durch diese - nach dem Kapitalerhöhungsbeschluß erfolgte - Zahlung sei die Einlageschuld in entsprechendem Umfang getilgt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 116.216,64 € verurteilt worden ist.

Die Klage ist im Umfang des Revisionsangriffs unbegründet, weil E. H. die von ihm übernommene Stammeinlage in Höhe von 172.700,00 DM wirksam eingezahlt hat und damit die Voraussetzungen einer Ausfallhaftung der Beklagten nach §§ 21, 24 GmbHG insoweit nicht erfüllt sind.

1. An dieser Feststellung ist der Senat durch die Rechtskraft des Urteils in dem Prozeß zwischen dem Kläger und E. H. nicht gehindert. Zwar ist dort festgestellt worden, daß E. H. verpflichtet ist, eine noch offene Einlage i.H.v. 400.000,00 DM an den Kläger als Insolvenzverwalter zu zahlen. Die Beklagte war an jenem Verfahren aber nicht beteiligt. Deshalb wirkt die Rechtskraft des gegen ihren Ehemann ergangenen Urteils nicht auch gegen sie. Der gegenteiligen Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu folgen.

Gemäß § 325 ZPO wirkt ein rechtskräftiges Urteil grundsätzlich nur für und gegen die Parteien desjenigen Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen ist. Von diesem Grundsatz läßt das Gesetz Ausnahmen zu. So erstreckt sich die Rechtskraft nach § 325 ZPO auf bestimmte Rechtsnachfolger und Besitzmittler der Parteien. Nach § 129 Abs. 1 HGB muß der Gesellschafter ein gegen die Gesellschaft ergangenes Urteil gegen sich gelten lassen (BGHZ 54, 255; BGH, Urt. v. 1. Juli 1976 - VII ZR 85/74, WM 1976, 1085, 1086). Nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann sich der Bürge darauf berufen, daß die Forderung in dem zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger geführten Prozeß rechtskräftig aberkannt worden ist (BGH, Urt. v. 24. November 1969 - VIII ZR 78/68, NJW 1970, 279). In der Literatur wird die Meinung vertreten, über diese gesetzlich geregelten Ausnahmefälle hinaus müsse ein Dritter unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn ihm dies zumutbar sei, die rechtskräftige Entscheidung über ein vorgreifliches Rechtsverhältnis gegen sich gelten lassen (Blomeyer, Zivilprozessrecht - Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. §§ 91 II, 93; weitergehend Schwab, ZZP 1977 [1964], 124 ff.). Dem ist der Bundesgerichtshof bisher nicht gefolgt (BGH, Urt. v. 20. Oktober 1995 - V ZR 263/94, NJW 1996, 395, 396). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Ebenso wie sich ein Bürge das zu Lasten des Hauptschuldners ergangene Urteil grundsätzlich nicht entgegenhalten lassen muß (BGHZ 76, 222, 230; BGH, Urt. v. 19. März 1975 - VIII ZR 250/73, NJW 1975, 1119, 1121), besteht auch im Falle der Ausfallhaftung nach einer Kaduzierung gemäß §§ 21 ff. GmbHG kein Grund für eine Rechtskrafterstreckung. Der auf Zahlung in Anspruch genommene Gesellschafter kann die Rechtmäßigkeit der Kaduzierung ohne Rücksicht auf ein im Verhältnis zwischen seinem Mitgesellschafter und der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter ergangenes Urteil in Frage stellen. Der Einwand des Berufungsgerichts, auf diese Weise könne die Gesellschaft gezwungen sein, bei der Inanspruchnahme mehrerer Gesellschafter über dieselbe Frage in jedem Prozeß erneut zu streiten, rechtfertigt keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen. Die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit, nach einer Kaduzierung sämtliche übrigen Gesellschafter in einem Prozeß gemeinsam in Anspruch zu nehmen und so - ebenso wie bei der Inanspruchnahme mehrerer Bürgen - das vorgreifliche Rechtsverhältnis nur einmal erneut zur Entscheidung zu stellen.

2. Der Ehemann der Beklagten hat seine Einlageschuld in Höhe eines Teilbetrages von 172.700,00 DM getilgt, indem er diesen Betrag am 24. Januar 1994 auf das Konto der Gesellschaft überwiesen hat.

a) Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Einlagezahlung auf ein debitorisches Bankkonto der Gesellschaft sei nur dann schuldbefreiend, wenn ein Debetsaldo zurückgeführt werde, der die Kreditlinie der Gesellschaft nicht überschritten habe. Dazu hat es festgestellt, daß die Kreditlinie der K. GmbH 250.000.00 DM betragen habe und erheblich überzogen gewesen sei, so daß die Zahlung von E. H. nicht dazu geführt habe, die Schuld der Gesellschaft auf einen Betrag unterhalb der Kreditlinie zurückzuführen.

b) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an eine Einlagezahlung überspannt.

Der Gesellschafter erfüllt seine Einlagepflicht, indem er den Einlagebetrag zur freien Verfügung der Geschäftsführer an die Gesellschaft zahlt. Das gilt auch dann, wenn die Zahlung in dem Zeitraum zwischen einem Kapitalerhöhungsbeschluß und der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister erfolgt. Eine wertgleiche Deckung bis zu der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister ist nicht erforderlich (BGHZ 150, 197, 199 ff.; anders noch BGHZ 119, 177; anders für Zahlungen vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 210/01, ZIP 2004, 849). Ausreichend ist auch eine Zahlung auf ein - wie hier - im Debet geführtes laufendes Konto der Gesellschaft, sofern die Geschäftsführung die Möglichkeit hat, über den eingezahlten Betrag frei zu verfügen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Gesellschaft ein entsprechender Kreditrahmen förmlich eingeräumt worden ist. Es reicht vielmehr aus, daß die Geschäftsführung infolge der Einzahlung in die Lage versetzt wird, erneut Kredit in Höhe des eingezahlten Betrages in Anspruch zu nehmen, mag das auch auf einer nur stillschweigenden Gestattung der Bank beruhen (Sen.Urt. v. 3. Dezember 1990 - II ZR 215/89, ZIP 1991, 445 f.; mißverständlich Sen.Urt. v. 21. Juni 1996 - II ZR 98/95, ZIP 1996, 1466, 1467, vgl. BGHZ 150, 197, 199 ff.).

Die Voraussetzungen für eine freie Verfügbarkeit sind im vorliegenden Fall in Bezug auf die Überweisung der 172.700,00 DM erfüllt. Die Bank war bereit, Verfügungen der Geschäftsführung der K. GmbH über den ausdrücklich eingeräumten Kreditrahmen von 250.000,00 DM hinaus zu dulden. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat die Bank in der Folgezeit Verfügungen bis zu einem Schuldenstand von über 1 Mio. DM zugelassen. Damit konnte die Geschäftsführung der K. GmbH über die 172.700,00 DM frei verfügen.

3. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, hat der Senat in der Sache zu entscheiden und die Klage im Umfang des Revisionsangriffs abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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