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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: II ZR 37/07
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 728
BGB § 738
BGB §§ 812 ff.
InsO § 80
InsO § 110 Abs. 1 Satz 1
a) Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus einer BGB-Gesellschaft aus, für die im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, dass die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, führt dies soweit nichts Abweichendes geregelt ist zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter.

b) Der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines nicht existenten Schuldners (hier: einer voll beendeten BGB-Gesellschaft) ist nichtig und bindet die Prozessgerichte nicht.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 37/07

Verkündet am: 7. Juli 2008

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Streithelfers der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand: H. und R. L. waren nach dem Ausscheiden eines weiteren Mitgesellschafters zu jeweils 50 % Gesellschafter der Bürocenter D. GbR (im Folgenden: GbR), zu deren Vermögen ein Grundstück in M. gehörte. Dieses hatte die GbR an die P. GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG) vermietet. Die Beklagte gewährte der GbR Kredite, die durch Grundpfandrechte auf dem Grundstück der GbR abgesichert waren. Darüber hinaus hatte die GbR die Mietzinsansprüche gegen die KG an die Beklagte abgetreten. Die KG zahlte die Miete für den Monat September 2004 in Höhe von 35.790,43 €, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, an die Beklagte.

Über das jeweilige Vermögen der Gesellschafter wurden am 19. Juli 2004 (R. L. ) und am 11. August 2004 (H. L. ) Insolvenzverfahren eröffnet und der Streithelfer der Beklagten (für R. ) und der Kläger (für H. ) zu Insolvenzverwaltern bestellt. Am 6. Juni 2006 wurde über das Vermögen der GbR, die weiterhin als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war, ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) der GbR enthält, soweit hier von Bedeutung, folgende Regelungen:

"§ 16 Auflösung der Gesellschaft

In allen Fällen, in denen das Gesetz an den Eintritt bestimmter Ereignisse in der Person eines Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft anknüpft, soll diese nicht eintreten. Vielmehr soll der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden. Der oder die anderen Gesellschafter sind sodann berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Gesellschaft mit dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen und dem Recht zur Fortführung der Bezeichnung weiter zu betreiben.

§ 17 Ausscheiden aus der Gesellschaft

....

4.)

Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet, wird die Eröffnung eines dieser Verfahren mangels Masse abgelehnt oder hat ein Privatgläubiger von dem Recht des § 725 BGB Gebrauch gemacht, so scheidet der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. ... " Der Kläger ist der Ansicht, der Mietzinsanspruch für den Monat September falle in die Insolvenzmasse des ehemaligen Gesellschafters H. L. , so dass ihm ein Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte zustehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Streithelfers der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, aus § 17 Nr. 4 GV folge, dass dem Gesellschafter H. L. das Gesellschaftsvermögen und damit auch der Anspruch der GbR auf die Mietzinszahlungen angewachsen sei. Allein dem Kläger stehe deswegen die von der Beklagten vereinnahmte Miete zu, ohne dass sich daran durch das rund zwei Jahre später eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR etwas geändert habe.

II. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Mietzinsforderungen gegen die KG infolge Anwachsung des Gesellschaftsvermögens in die Insolvenzmasse des ehemaligen Gesellschafters H. L. fallen (1). Daran hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR nichts geändert (2). Die Abtretung der Mietzinsforderung an die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Grundschuldgläubigerin steht der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs aus § 816 Abs. 2 BGB für den Monat September 2004 nicht entgegen (3).

1. Haben die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters - soweit im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall nichts Abweichendes geregelt ist - dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf (st.Rspr.; BGHZ 32, 307, 314 ff.; Sen.Urt. v. 13. Dezember 1965 - II ZR 10/64, WM 1966, 62 f.; v. 27. Januar 1966 - II ZR 54/64, WM 1966, 513; v. 9. März 1992 - II ZR 195/90, NJW 1992, 2757, 2758; v. 12. Juli 1999 - II ZR 4/98, ZIP 1999, 1526, 1527; Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, ZIP 2002, 614, 615; siehe auch BGH, Urt. v. 22. September 1993 - IV ZR 183/92, WM 1993, 2259, 2260).

a) So liegt der Fall hier. Das Vermögen der GbR ist mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des R. L. gemäß § 17 Nr. 4 GV H. L. angewachsen. Dies folgt, wie das Berufungsgericht unter ausführlicher Begründung ohne revisionsrechtlich relevante Fehler entschieden hat, aus der Auslegung der §§ 16 und 17 Nr. 4 GV.

Während danach § 16 GV die grundsätzliche Regelung enthält, dass in den dort genannten Fällen die verbleibenden Gesellschafter zur Fortsetzung der Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet sind (Fortsetzungsklausel mit Übernahmerecht), stellt § 17 Nr. 4 GV eine davon abweichende Spezialregelung für enumerativ aufgezählte Ereignisse in der Person des Gesellschafters dar. Danach "scheidet der ... Gesellschafter aus der Gesellschaft" u.a. dann "aus", wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren (nunmehr: Insolvenzverfahren) eröffnet wird. Anders als in § 16 GV wird in diesem Fall nach der Auslegung des Tatrichters die Gesellschaft "automatisch" fortgesetzt, ohne dass es einer Übernahmeerklärung seitens der verbleibenden Gesellschafter bedarf.

b) Folge der Regelung in § 17 Nr. 4 GV ist, dass im Falle des insolvenzbedingten Ausscheidens eines Gesellschafters dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen den verbleibenden Gesellschaftern gemäß § 738 BGB anwächst. Mangels abweichender Regelung findet § 17 Nr. 4 GV auch dann Anwendung, wenn infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters keine Gesellschaft mehr existiert, die fortgesetzt werden könnte. Nach der gefestigten, vom Berufungsgericht zutreffend angewandten Rechtsprechung des Senats (s. die Nachw. oben II 1) führt eine Fortsetzungsklausel wie die in § 17 Nr. 4 GV bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und Gesamtrechtsnachfolge des letzten verbleibenden Gesellschafters.

2. Durch die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der nicht mehr existierenden "GbR" hat sich an dieser materiellen Rechtslage nichts geändert. Ein solcher gegen einen nicht existenten Schuldner ergehender Eröffnungsbeschluss geht ins Leere und ist nach allgemeiner Meinung (Kirchhof in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. § 27 Rdn. 31; Schilken in Jaeger, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 34 Rdn. 42; MünchKommInsO/Schmahl § 34 Rdn. 119) nichtig; er bindet die Prozessgerichte nicht, soweit nicht ausnahmsweise wegen der Eintragung im Handelsregister der Schein einer noch existenten Gesellschaft besteht (BGHZ 113, 216, 217 f.; Kirchhof aaO) mit der hier - wegen des gegenüber H. L. bereits eröffneten Insolvenzverfahrens - nicht relevanten Folge, dass sich das eröffnete Verfahren dann gegen den nur falsch bezeichneten Schuldner richtet.

3. Dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des H. L. steht gegen die Beklagte hinsichtlich der Miete für den Monat September 2004 ein Anspruch aus Bereicherungsrecht zu (§§ 812 ff. BGB; 80 Abs. 1, 91, 110 Abs. 1 Satz 1 InsO - s. hierzu BGH, Urt. v. 9. November 2006 - IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 Tz. 15 f.).

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des H. L. am 11. August 2004 führte nach § 110 Abs. 1 Satz 1 InsO zur Unwirksamkeit der Abtretung der Mietzinsforderung für den Monat September 2004. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nicht nur Abtretungsempfängerin, sondern zugleich Grundschuldgläubigerin war (BGH, Urt. v. 9. November 2006 aaO; Beschl. v. 13. Juli 2006 - IX ZB 301/04, WM 2006, 1685, 1686 f.). Zwangsverwaltung war im September 2004 noch nicht angeordnet.

Ende der Entscheidung

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