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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: II ZR 373/00
Rechtsgebiete: VerbrKrG


Vorschriften:

VerbrKrG § 9 in der bis 30. September 2000 geltenden Fassung
Der kreditfinanzierte Beitritt zu einem Immobilienfonds und der Kreditvertrag bilden auch dann ein verbundenes Geschäft i.S. des § 9 VerbrKrG, wenn die Vermittlung der Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern durch einen in seinem Auftrag tätigen Finanzierungsvermittler erfolgt (Ergänzung zu den Senatsentscheidungen vom 14. Juni 2004 - II ZR 393/02 und II ZR 395/01, z.V.b.).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 373/00

Verkündet am: 28. Juni 2004

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Kläger zu 5 und zu 10 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 26. Mai 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungen dieser Kläger zurückgewiesen und die in zweiter Instanz durch die Kläger zu 10 erweiterte Klage abgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger zu 10 unterzeichneten am 2. Juni 1995 eine "Beitrittserklärung" zu der "R." Fonds GmbH & Co KG, einem geschlossenen Immobilienfonds, der die Errichtung einer onkologisch-pädiatrischen Klinik in N. am B. See bei W. in M. zum Ziel hatte; die gleich lautende Erklärung der Klägerin zu 5 datiert vom 21. September 1995. Die Beteiligung der Klägerin zu 5 an der Fondsgesellschaft belief sich auf 100.000,00 DM, die Einlage der Kläger zu 10 auf 80.000,00 DM. Die Beteiligung erfolgte in beiden Fällen treugeberisch über die H. Steuerberatungsgesellschaft mbH (im folgenden: H. GmbH) als Treuhandkommanditistin.

Der Vertrieb der Anlage lag in den Händen der Ho. GmbH (im folgenden: Vertriebsgesellschaft), deren Gesellschafter - neben u.a. der H. GmbH - Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft waren.

Aus steuerlichen Gründen sollten die Anleger ihre Einlagen ganz oder teilweise durch Darlehen finanzieren. Die Finanzierung erfolgte für alle Kläger des vorliegenden Verfahrens, auch die am Berufungs- bzw. Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten, durch die Beklagte. Die Finanzierung war den Klägern durch die nach ihrer - bestrittenen - Darstellung von der Vertriebsgesellschaft eingeschalteten Unternehmens P. S. U. GmbH (im folgenden: U.) vermittelt worden, der die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 1995 u.a. ihre grundsätzliche Bereitschaft mitgeteilt hatte, die Fondsanteile bis zu 60 % des Zeichnungsbetrages zu finanzieren.

Die Kläger zu 10, die ihre Einlage in Höhe eines Betrages von 50.000,00 DM finanzieren lassen wollten, schlossen mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 54.540,00 DM. Die Kläger zu 5 wollten die Beteiligung der Klägerin zu 5 in Höhe von 65.000,00 DM finanzieren lassen und schlossen mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 73.033,71 DM. Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta nach ihrer - von den Klägern mit Nichtwissen bestrittenen - Behauptung jeweils an die H. GmbH.

Die Fondsgesellschaft fiel im März 1998 in Konkurs. Die gemeinsam vertretenen Kläger ließen ihre Beitrittserklärungen mit Schreiben vom 14. September 1998 gegenüber der H. GmbH, die Kläger zu 10 darüber hinaus mit Schreiben vom 9. Oktober 1998 auch den Kreditvertrag gegenüber der Beklagten wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Die Kläger haben die Feststellung begehrt, daß der Beklagten aus den Kreditverträgen keine Ansprüche auf Leistung von Zins- und Tilgungszahlungen zustehen. Die Kläger zu 10 haben ihre Klage in zweiter Instanz erweitert und neben der Feststellung von der Beklagten Schadensersatz in Höhe ihrer infolge des Konkurses des Fonds wertlos gewordenen Eigenkapitalzahlung von 30.000,00 DM sowie ihrer an die Beklagte geleisteten Zinszahlungen von 14.579,14 DM verlangt. Die Feststellungsklagen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat auch die Schadensersatzforderung der Kläger zu 10 abgewiesen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Kläger zu 5 und 10.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen sind begründet und führen hinsichtlich der Kläger zu 5 und 10 zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Kläger zu dem Fondsbeitritt durch arglistige Täuschung bestimmt worden sind, und gemeint, ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (jetzt §§ 358 f. BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung) sei schon deshalb nicht möglich, weil Gesellschaftsbeteiligung und Kreditgewährung nicht als verbundenes Geschäft i.S. des § 9 Abs. 1 VerbrKrG anzusehen seien. Das ist unzutreffend.

1. Wie der Senat bereits in seiner - nach dem Erlaß des angefochtenen Urteils ergangenen - Entscheidung vom 21. Juli 2003 (II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1593 f.; ebenso in den Entscheidungen vom 14. Juni 2004 in den Parallelsachen II ZR 393/02 und II ZR 395/01, jeweils z.V.b.) festgestellt hat, erfüllen der Beitritt zu einer Anlagegesellschaft und das diesen Beitritt finanzierende Kreditgeschäft die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts gemäß § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, wenn sich die Fondsgesellschaft und die Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen. Das ist auch dann der Fall, wenn die Vermittlung der Finanzierung nicht durch den Anlagevermittler selbst, sondern - wovon hier auf Grund der unstreitigen Umstände in Verbindung mit dem angesichts dieser Umstände von der Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Vorbringen der Kläger ausgegangen werden muß - durch einen in seinem Auftrag tätigen Finanzierungsvermittler erfolgt, der von ihm die erforderlichen Kundendaten erhält und sodann die von dem Anleger gewünschte Finanzierung in die Wege leitet. Denn nach § 9 Abs. 4, Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG ist immer dann zwingend von einer wirtschaftlichen Einheit beider Verträge auszugehen, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluß des Kreditvertrages der Mitwirkung des "Verkäufers" bedient, was bei einem - sei es auch nur faktischen - planmäßigen und arbeitsteiligen Zusammenwirken, ohne daß dieses von Dauer sein muß, der Fall ist (Kessal-Wulf in Staudinger, BGB, Neubearb. 2001, VerbrKrG § 9 Rdn. 28; Habersack in Münch.Komm.z.BGB 3. Aufl. VerbrKrG § 9 Rdn. 27 f.). Der Beklagten war darüber hinaus, wie sich aus ihrem Schreiben vom 28. März 1995 an die Finanzvermittlerin U. ergibt, bekannt, daß diese die Finanzierung der gezeichneten Anteile vermitteln sollte; dementsprechend hat sie der U. auch ihre Darlehensverträge und die weiter erforderlichen Formulare zur Verfügung gestellt.

2. Wird der Anleger bei dem Beitritt über die Bedingungen der Fondsanteile getäuscht, wovon hier für die Revisionsinstanz auszugehen ist, kann er bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts seine Gesellschaftsbeteiligung kündigen und die daraus folgenden Ansprüche auch der Bank entgegenhalten. Das Kündigungsrecht kann auch dadurch ausgeübt werden, daß der Anleger der Bank mitteilt, er sei durch Täuschung zu dem Fondsbeitritt veranlaßt worden, und ihr die Übernahme seines Gesellschaftsanteils anbietet (Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595; anders noch BGH, Urt. v. 27. Juni 2000 - XI ZR 174/99, ZIP 2000, 1430). Darüber hinaus kann der Anleger der Bank, wie der Senat in seinen Grundsatzurteilen vom 14. Juni 2004 - II ZR 393/02 und II ZR 395/01 (beide z.V. in BGHZ bestimmt) entschieden hat, aber auch alle Ansprüche entgegen setzen, die er gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter des Fonds hat. Die dem Verbundgeschäft zugrundeliegende Dreiecksbeziehung Kunde - Verkäufer - Bank erschöpft sich daher nicht in den Beziehungen zwischen dem Anleger, der Gesellschaft und der Bank. Vielmehr sind auch die Gründungsgesellschafter des Fonds und die Initiatoren, maßgeblichen Betreiber, Manager, Prospektherausgeber und sonst für den Anlageprospekt Verantwortlichen wie ein Verkäufer der Anlage i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG zu behandeln.

Im vorliegenden Fall ist zwar das Recht der Kläger, auf Grund der von ihnen behaupteten arglistigen Täuschung bei Zeichnung ihrer Anteile im Wege der außerordentlichen Kündigung aus der Fondsgesellschaft auszuscheiden, mit deren Auflösung in Folge des Konkurses weggefallen (Sen.Urt. v. 11. Dezember 1978 - II ZR 41/78, NJW 1979, 765 = WM 1979, 160). Sie können der Bank jedoch die ihnen nach ihrem für die Revision maßgebenden Sachvortrag gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehenden Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung und Verschulden bei Vertragsschluß entgegenhalten, da diese von der Auflösung der Gesellschaft nicht berührt sind.

3. Die Schadensersatzansprüche gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung und Verschulden bei Vertragsschluß sind darauf gerichtet, den Anleger so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und hätte mit der Bank keinen Darlehensvertrag geschlossen. Im Rahmen des § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG folgt daraus, daß der Anleger die Darlehensvaluta, die nicht an ihn, sondern an den Treuhänder oder den Fonds geflossen ist, nicht zurückzahlen muß. Zugleich hat er im Wege des sog. Rückforderungsdurchgriffs entsprechend § 9 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG (vgl. Sen.Urt. v. 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, ZIP 2003, 1592, 1595) einen Anspruch gegen die Bank auf Rückgewähr der von ihm auf Grund des Darlehensvertrages erbrachten Leistungen.

Danach haben die Kläger zu 5 und 10 - ausgehend von ihrem für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellenden Vorbringen - gegen die Beklagte einen umfassenden Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wären sie dem Fonds nicht beigetreten und hätten die Darlehensverträge nicht geschlossen. Sie brauchen die Darlehensvaluta nicht zurückzuzahlen, sondern der Beklagten lediglich ihre Fondsbeteiligungen zu übertragen sowie ihr in entsprechender Anwendung des § 255 BGB die ihnen gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter zustehenden Schadensersatzansprüche abzutreten. Umgekehrt können sie diejenigen Zahlungen - Eigenkapital, Zins- und Tilgungsleistungen - ersetzt verlangen, die sie aus ihrem eigenen Vermögen aufgebracht haben. Etwaige Leistungen des Fonds müssen sie sich ebenso anrechnen lassen wie Steuervorteile, denen keine Nachzahlungsansprüche des Finanzamts gegenüberstehen (vgl. BGHZ 74, 103, 113 ff.; 79, 337, 347; Loritz/Wagner, ZflR 2003, 753).

II. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht aufzuklären haben, ob die Kläger tatsächlich durch falsche Angaben in dem Prospekt getäuscht und dadurch zu dem Fondsbeitritt bestimmt worden sind. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf sein Urteil vom 14. Januar 2002 - II ZR 40/00, WM 2002, 813, 814 f..

Ende der Entscheidung

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