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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.1998
Aktenzeichen: II ZR 380/96
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 425 Abs. 1
BGB § 705 ff.
ZPO § 829 Abs. 3
BGB §§ 425 Abs. 1, 705 ff.; ZPO § 829 Abs. 3

a) Aus § 425 Abs. 1 BGB folgt, daß mit der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an einen Gesamtschuldner in der Regel nur die gegen diesen gerichtete Forderung gepfändet wird.

b) Steht auf der Drittschuldnerseite eine Gesamthandsgemeinschaft, muß der Pfändungsbeschluß jedem Gesamthandsschuldner zugestellt werden; die Pfändung wird erst mit der letzten Zustellung wirksam.

c) Handelt es sich bei der Gesamthand um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kann die Pfändung alternativ dadurch bewirkt werden, daß dem geschäftsführenden Gesellschafter ein Pfändungsbeschluß zugestellt wird, in welchen den Gesellschaftern verboten wird, an den Schuldner zu zahlen.

d) Zur Pfändung der Forderung gegen den einzelnen, auch persönlich haftenden BGB-Gesellschafter bedarf es der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an ihn.

BGH, Urt. v. 18. Mai 1998 - II ZR 380/96 - OLG Stuttgart LG Stuttgart


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 380/96

Verkündet am: 18. Mai 1998

Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Dr. Kapsa und Kraemer

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers zu 1 gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. September 1996 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Gläubiger der W. GmbH. Die Beklagten beauftragten als Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die W. GmbH durch Vertrag vom 1. Juli 1993, ein Gebäude in D. zu sanieren. Als Gegenleistung wurde eine Pauschalvergütung von 600.000,-- DM vereinbart. Nachdem die W. GmbH bereits einen Teil der Arbeiten ausgeführt hatte, geriet sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten und war nicht mehr in der Lage, die von ihr beauftragten Subunternehmer zu bezahlen. Die Arbeiten wurden eingestellt. Am 16. März 1994 vereinbarte die W. GmbH mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, daß der Werklohn, welcher aufgrund der bisherigen teilweisen Erfüllung des Vertrages noch geschuldet wurde, unmittelbar an die Subunternehmer gezahlt werden sollte, soweit deren Forderungen reichten.

Aufgrund eines Vollstreckungstitels über 132.000,-- DM erwirkte der Kläger gegen die Beklagten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, der dem Beklagten zu 2 am 15. März 1994 und dem Beklagten zu 1 am 11. April 1994 zugestellt wurde.

Der Kläger fordert von den Beklagten, den Betrag von 132.000,-- DM zu begleichen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen, in Höhe von 79.419,16 DM allerdings mit der Einschränkung, daß sie derzeit unbegründet sei. Dabei hat es angenommen, für die geleisteten Arbeiten sei nur noch ein restlicher Werklohn in Höhe von 79.419,16 DM offen, wobei jedoch nicht feststehe, auf welchen Betrag sich die Forderungen der Subunternehmer beliefen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 79.419,16 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Am 16. März 1994 entfaltete der zugunsten des Klägers ergangene Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gegenüber der Gesamthand noch keine Wirkung. Infolgedessen konnten die W. GmbH und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts an diesem Tage vereinbaren, daß die Gesamthandsschuld nicht gegenüber der W. GmbH, sondern gegenüber den Subunternehmern zu erfüllen sei, soweit deren Ansprüche reichen. Der Kläger muß diese Abrede hinnehmen, soweit es sich um den Beklagten zu 1 handelt.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Schuld einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei keine Gesamtschuld, sondern eine Gesamthandsschuld. Daher sei die Forderungspfändung gemäß § 829 Abs. 3 ZPO erst dann bewirkt, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß allen Gesamthandsschuldnern oder dem Geschäftsführer der Gesellschaft zugestellt worden sei. Der Beschluß sei aber vor dem 16. März 1994 nur dem Beklagten zu 2 zugestellt worden. Daß dieser Geschäftsführer der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen sei, sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Deshalb stehe der Wirksamkeit der am 16. März 1994 getroffenen Abrede die zu seinen Gunsten vorgenommene Pfändung nicht entgegen. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

2. Sie macht geltend, daß die Beklagten persönlich und als Gesamtschuldner für die Werklohnverbindlichkeit einzustehen hätten, welche sie als Gesellschafter bürgerlichen Rechts eingegangen seien. Entgegen der - nicht näher begründeten - Ansicht der Revision folgt hieraus aber nicht, daß die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Beklagten zu 2 auch gegenüber dem Beklagten zu 1 wirkte. Mangels einer anderweitigen gesetzlichen oder vertraglichen Regelung wirkt eine Tatsache gemäß § 425 Abs. 1 BGB vielmehr nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintritt. Daher wird mit der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an einen Gesamtschuldner nur die gegen diesen gerichtete Forderung gepfändet (RGZ 140, 340, 342; Stöber, Forderungspfändung 11. Aufl. Rdn. 55). Unter diesem Gesichtspunkt ist der Beklagte zu 1, dem der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erst am 11. April 1994 zugestellt worden ist, nicht gehindert, dem Kläger die am 16. März 1994 mit der W. GmbH getroffene Vereinbarung entgegenzuhalten, soweit er persönlich auf Zahlung des restlichen Werklohns in Anspruch genommen wird.

3. Der Beklagte zu 1 haftet auch nicht deswegen weitergehend, als von dem Berufungsgericht festgestellt, weil er Mitglied einer Gesamthandsgemeinschaft ist.

Steht auf der Drittschuldnerseite eine Gesamthandsgemeinschaft, muß der Pfändungsbeschluß jedem Gesamthandsschuldner zugestellt werden; die Pfändung wird erst mit der letzten Zustellung wirksam (vgl. Wieczorek/Rössler/Schütze, ZPO, 2. Aufl. § 829 C II b 4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl. § 829 Rdn. 44; Smid in MünchKomm., ZPO, § 829 Rdn. 28; Bruns/Peters, Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl. S. 169; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. § 55 I 1, S. 849; vgl. auch RGZ 75, 179, 180 f. für die Miterbengemeinschaft). Handelt es sich bei der Gesamthand um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kann die Pfändung alternativ dadurch bewirkt werden, daß dem geschäftsführenden Gesellschafter ein Pfändungsbeschluß zugestellt wird, in welchem der Gesellschaft und den Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Gebundenheit verboten wird, an den Schuldner zu zahlen (BGH, Urt. v. 25. Januar 1961 - VIII ZR 22/60, RPfleger 1961, 363 f.; Stöber aaO, Rdn. 59, 553; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl. § 829 Rdn. 56). Zur Pfändung der Forderung gegen den einzelnen, auch persönlich haftenden BGB-Gesellschafter bedarf es - wie im Fall des OHG-Gesellschafters - der Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an ihn.

Das Berufungsgericht stellt indes fest, es sei "nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen", daß der Beklagte zu 2 Geschäftsführer der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewesen sei. Die Revision nimmt dies hin. Überdies hätte die Zustellung an den Beklagten zu 2 nur gegen die Gesamthand wirken können, wenn sich dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zumindest im Wege der Auslegung entnehmen ließe, daß er sich nicht nur an den Beklagten zu 2 persönlich, sondern auch an die Gesellschafter insgesamt wenden sollte (vgl. BGH, Urt. v. 25. Januar 1961 - VIII ZR 22/60, aaO). Hierzu fehlt jeder Sachvortrag. In der von dem Kläger vorgelegten Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers wird allein der Beklagte zu 2 als Drittschuldner genannt.

II. Die sich aus der Vereinbarung vom 16. März 1994 ergebende Einwendung kommt auch dem persönlich in Anspruch genommenen Beklagten zu 2 zugute.

Das Recht, die Einwendungen geltend zu machen, welche die Gesellschaft erheben kann, ergibt sich für den Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft unmittelbar aus dem Gesetz (§ 129 Abs. 1 HGB). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine entsprechende Anwendung der §§ 128 ff. HGB auf die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch grundsätzlich nicht in Betracht. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und in der Personenhandelsgesellschaft findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts einer Vielzahl recht unterschiedlicher Personenverbindungen zur Verfügung steht, die unterschiedslose Strenge der handelsrechtlichen Haftungsvorschriften zur Vielgestaltigkeit dieser Erscheinungsformen wenig passend erscheint, dem Interesse der Beteiligten häufig nicht gerecht wird und im Rechtsverkehr in vielen Fällen nicht geboten erscheint (BGHZ 117, 168, 176). Mit diesem Bestreben des Gesetzgebers, die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor der unterschiedslosen Strenge der handelsrechtlichen Haftungsvorschriften zu bewahren, wäre es nicht vereinbar, wenn ein solcher Gesellschafter - sofern er nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts überhaupt auch persönlich verpflichtet wäre - schärfer als ein OHG-Gesellschafter haftete. Die durch das Schuldverhältnis begründete persönliche Haftung der Gesellschafter bürgerlichen Rechts dient der Sicherung der Gesellschaftsgläubiger. Daher kann sie grundsätzlich nicht weiterreichen als die Gesellschaftsschuld. Es wäre widersinnig, wenn ein Gläubiger die Gesellschafter persönlich auch dann noch in Anspruch nehmen könnte, wenn die im Namen der Gesellschaft eingegangene Verbindlichkeit nicht oder so nicht mehr besteht. Deshalb ist auch der Gesellschafter bürgerlichen Rechts nicht darauf beschränkt, nur solche Einwendungen zu erheben, die in seiner Person begründet sind oder die nach den Gesamtschuldregeln der §§ 422 bis 424 BGB für ihn wirken. Er kann vielmehr alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art in dem Umfang geltend machen, in dem sie der Gesamthand zum Zeitpunkt ihrer Erhebung durch den Gesellschafter zustehen (vgl. MünchKomm.-Ulmer, BGB, 3. Aufl. § 714 Rdn. 50; ebenso mit im einzelnen unterschiedlicher dogmatischer Begründung Lindacher, JuS 1981, 818, 821 f.; Soergel/Hadding, BGB, 11. Aufl. § 714 Rdn. 37, und Habersack, JuS 1993, 1, 5 ff.). Die aus der Vereinbarung vom 16. März 1994 folgende Einwendung steht daher auch dem Beklagten zu 2 zu.

Ende der Entscheidung

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