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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.04.2006
Aktenzeichen: II ZR 40/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 730
HGB § 128
HGB § 129
Der Drittgläubigeranspruch des Gesellschafters (hier: Anspruch aus einem Dienstvertrag) unterliegt in der Auseinandersetzung der Gesellschaft keiner Durchsetzungssperre (Aufgabe von BGH, Urt. v. 20. Oktober 1977 - II ZR 92/76, WM 1978, 89, 90 und v. 24. Mai 1971 - II ZR 184/68, WM 1971, 931, 932).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 40/05

Verkündet am: 3. April 2006

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Januar 2005 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 9. September 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hat in einem Vorprozess im Jahr 2003 ein rechtskräftiges Urteil gegen die P. GbR erwirkt, wonach diese ihm gegenüber zur Bezahlung von Beratungsleistungen verpflichtet ist, die er für die Gesellschaft erbracht hat. Gesellschafter der GbR waren - jedenfalls - die Beklagten. Die Gesellschaft hatte sich zunächst damit verteidigt, dass der Dienstvertrag zwischen ihr und dem Kläger einvernehmlich beendet worden sei. Erst in einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingegangenen Schriftsatz hat sie behauptet, der Anspruch stünde dem Kläger deshalb nicht zu, weil dieser ihr Gesellschafter sei und insofern seine Dienstleistungen "Einlagen" in die Gesellschaft darstellten. Beide Instanzen des Vorprozesses haben dem Kläger den geltend gemachten Anspruch zugesprochen und jeweils darauf abgestellt, dass es dahinstehen könne, ob der Kläger Gesellschafter sei. Selbst wenn dies der Fall sein sollte - was der Kläger nachdrücklich bestritten hat - habe dieser einen Drittgläubigeranspruch gegen die Gesellschaft. Sein Anspruch beruhe auf einem Dienstvertrag, hinsichtlich dessen er - auch als Gesellschafter - der Gesellschaft wie ein Dritter gegenüberstehe. Vollstreckungsversuche des Klägers gegen die Gesellschaft aus dem seit Mai 2003 rechtskräftigen Titel sind erfolglos geblieben.

Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagten als Gesellschafter analog § 128 HGB auf Zahlung der ausgeurteilten Summe sowie der ihm in dem Vorverfahren entstandenen, festgesetzten Kosten in Anspruch. Die Beklagten bestreiten nicht, dass dem Kläger die Forderung gegen die Gesellschaft zusteht. Sie sind jedoch der Ansicht, im Hinblick auf die von ihnen am 1. April 2004 erklärte Kündigung der Gesellschaft und das damit eingetretene Abwicklungsstadium könne der Kläger den Anspruch nicht mehr isoliert geltend machen. Dieser sei nunmehr lediglich als Rechnungsposten in die zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung einzustellen. Diese Durchsetzungssperre bestehe auch gegenüber Drittgläubigeransprüchen.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Im Vorprozess sei nicht rechtskräftig entschieden worden, ob der Kläger Mitgesellschafter der Beklagten sei. Dies sei daher im Gesellschafterprozess selbständig zu prüfen. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er nicht Gesellschafter sei. Als Gesellschafter könne er seine Forderung im Abwicklungsstadium der Gesellschaft nicht mehr isoliert einklagen. Diese Durchsetzungssperre bestehe auch gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Drittgläubigeranspruch. Eine Umdeutung der Leistungsklage in eine Feststellungsklage komme mangels Feststellungsinteresses nicht in Betracht. Dass der Anspruch gegen die Gesellschaft bestehe, sei rechtskräftig festgestellt. Im Übrigen hätten die Beklagten das Bestehen der Forderung anerkannt.

II. Diese Begründung begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Zahlung der von der Gesellschaft dienstvertraglich geschuldeten Vergütung zu Unrecht verneint.

a) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Frage, ob der Kläger Gesellschafter ist, im vorliegenden Gesellschafterprozess ohne Bindung an den Vorprozess entschieden werden kann. Die Urteile des Vorprozesses haben diesen Punkt ausdrücklich unentschieden gelassen.

b) Noch zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagten mit ihrem Vortrag, der Kläger sei ihr Mitgesellschafter und seine Forderung unterliege nach Auflösung der Gesellschaft einer Durchsetzungssperre, eine Einwendung analog § 129 HGB gegen ihre entsprechend § 128 HGB bestehende Haftung für die rechtskräftig festgestellte Gesellschaftsverbindlichkeit erheben (siehe zur analogen Anwendung von §§ 128, 129 HGB auf die Haftung von BGB-Gesellschaftern BGHZ 146, 341, 358).

c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Kläger sei Gesellschafter der GbR geworden. Dies beruht auf einer unvollständigen, das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzenden Behandlung des Sachvortrags der Parteien.

Die Beklagten haben zum Nachweis der Gesellschafterstellung des Klägers lediglich vorgetragen und mit einer Vertragsurkunde belegt, dass der Kläger eine Kontokorrentvereinbarung der Gesellschaft - neben den Beklagten - "als Gesellschafter" unterzeichnet hat. Demgegenüber hat der Kläger sich u.a. darauf berufen, dass es keinen Gesellschaftsvertrag gebe, obwohl dieser nach dem Zweck der Gesellschaft sogar der notariellen Form bedurft hätte, und dass das für ihn zuständige Finanzamt ihn auf seinen Einspruch hin nicht als Gesellschafter der GbR behandelt, vielmehr die entsprechende Festsetzung rückgängig gemacht hat, was er mit der Vorlage des Bescheids des Finanzamts unterlegt hat. Der Kläger hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass sich die Gesellschaft im Vorprozess erstinstanzlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung auf seine angebliche Gesellschafterstellung berufen hat. Zur Erklärung seiner Unterschrift auf dem Kreditvertrag hat er vorgetragen, diese sei lediglich erfolgt, weil er damit eine Zahlung der Gesellschaft auf seine Forderung habe erreichen wollen. Angesichts dieses Vortrags des Klägers hätte das Berufungsgericht die Urkunde über den Kreditvertrag lediglich als Indiz für den Sachvortrag der Beklagten werten dürfen.

Hat danach das Berufungsgericht dem Sachvortrag der Beklagten und der von ihnen vorgelegten Urkunde rechtsfehlerhaft ein überwiegendes Gewicht beigemessen, entfällt schon aus diesem Grund die Rechtfertigung für die von ihm hier für richtig gehaltene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Es verbleibt vielmehr dabei, dass die Beklagten für die Gesellschafterstellung des Klägers, aus der sie ihre Einwendung entsprechend § 129 HGB ableiten, darlegungs- und beweispflichtig sind (h.M.: Senat, BGHZ 113, 222, 224 f.; Musielak/Foerste, ZPO 4. Aufl. § 265 Rdn. 35; Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 17 a jew. m.w.Nachw.).

2. Einer Aufhebung des Berufungsurteils zur Klärung der offenen Mitgliedschaft des Klägers in der aufgelösten Gesellschaft bedarf es gleichwohl nicht, weil die Frage, ob der Kläger Mitgesellschafter der Beklagten ist, nicht entscheidungserheblich ist. Die Beklagten haften dem Kläger entsprechend § 128 HGB für die ihm gegenüber der Gesellschaft zustehende Forderung auf Zahlung der erbrachten Beratungsleistungen. Einwendungen gegen ihre persönliche Inanspruchnahme können sie nicht mit Erfolg erheben.

a) Gegen die auf § 128 HGB gegründete persönliche Haftung kann ein Gesellschafter - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines in seiner Person begründeten Einwands (siehe dazu BGHZ 73, 217, 222 ff.) - gemäß § 129 Abs. 1 HGB nur die Einwendungen geltend machen, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können. Ist - wie hier - im Gesellschaftsprozess ein rechtskräftiges Urteil gegen die Gesellschaft ergangen, wirkt dies auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die der Gesellschaft abgesprochen wurden (BGHZ 54, 251, 255; 64, 155, 156; Urt. v. 1. Juli 1976 - VII ZR 85/74, WM 1976, 1085, 1086). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich insoweit um eine Erstreckung der Rechtskraft oder um eine Präklusion ähnlich wie in § 767 Abs. 2 ZPO handelt (BGHZ 54 aaO). Von der Gesellschaft abgeleitete Einwendungen kann der Gesellschafter nach rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft nur dann erheben, wenn diese erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Prozess des Gläubigers gegen die Gesellschaft entstanden sind, also nicht im Falle einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sind. Der Gesellschafter muss allerdings nicht im Wege der Klage gemäß § 767 ZPO vorgehen; er kann den von der Gesellschaft abgeleiteten Einwand vielmehr als Verteidigungsmittel der Forderung des Gesellschaftsgläubigers entgegenhalten (RGZ 142, 146, 152).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist die Auflösung der Gesellschaft und das damit verbundene Abwicklungsstadium eine Tatsache, die im Vorprozess noch nicht geltend gemacht werden konnte, da die Gesellschaft von den Beklagten erst nach rechtskräftigem Abschluss des Vorprozesses gekündigt worden ist. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ist aber mit der Auflösung der Gesellschaft keine Durchsetzungssperre gegenüber dem titulierten Drittgläubigeranspruch des Klägers verbunden.

aa) Nach der ständigen, wenn auch durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochenen Rechtsprechung des Senats führt die Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts dazu, dass die Gesellschafter die ihr gegen die gesamte Hand (und gegen die Mitgesellschafter) zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig auf dem Wege der Leistungsklage durchsetzen können (sog. Durchsetzungssperre). Diese sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung (Auseinandersetzungsbilanz) aufzunehmen, deren Saldo dann ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat (st.Rspr., s. nur Sen.Urt. v. 9. März 1992 - II ZR 195/90, DStR 1992, 724; v. 10. Mai 1993 - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919; v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846; v. 4. November 2002 - II ZR 210/00, DStR 2003, 518). Der wesentliche rechtfertigende Grund hierfür ist, dass der Gefahr von Hin- und Herzahlungen begegnet werden soll (BGHZ 37, 299, 304 f.; Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93 aaO m.w.Nachw.).

bb) Die Beklagten können sich auf die Durchsetzungssperre nicht berufen, weil es sich bei dem Anspruch des Klägers - nach dem in diesem Zusammenhang als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten - um den Drittgläubigeranspruch eines Gesellschafters handelt, d.h. um einen Anspruch, der seine Grundlage nicht im Gesellschaftsvertrag, sondern in einem unabhängig davon mit der Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäft (hier: Dienstvertrag) findet. Derartige Ansprüche können auch in der Auseinandersetzung der Gesellschaft isoliert geltend gemacht werden.

Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen können Ansprüchen eines Gesellschafters nur entgegengehalten werden, wenn und soweit die Ansprüche auf dem gesellschafterlichen Verhältnis beruhen. Dies hat der Senat bereits mit Urteil vom 17. Dezember 2001 (II ZR 382/99, ZIP 2002, 394, 395 f.) für den Fall des an einen Gesellschafter abgetretenen Drittgläubigeranspruchs sowie für Ansprüche zwischen zwei Gesellschaftern entschieden, die auf einem anderen Rechtsverhältnis als der Gesellschaft beruhen (Darlehen: Urt. v. 16. September 1985 - II ZR 41/85, WM 1986, 68, s. hierzu Kellermann, AcP 190 [1990] 660).

Auch die Durchsetzungssperre findet ihre Rechtfertigung allein in den gesellschaftsrechtlichen Bindungen. Steht der Gesellschafter der Gesellschaft - wie hier aufgrund eines Dienstvertrages über Beratungsleistungen - in Bezug auf die geltend gemachte Forderung wie jeder dritte Gläubiger gegenüber, ist es nicht einzusehen, weshalb er anders als jeder außenstehende Gläubiger auf die Erfüllung seiner Forderung soll warten müssen, bis die Schlussabrechnung feststeht (MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 730 Rdn. 53; Soergel/Hadding, BGB 12. Aufl. § 730 Rdn. 5; Staudinger/Habermeier, BGB [2003] § 730 Rdn. 22; Timm/Schöne in Bamberger/Roth, BGB § 730 Rdn. 30; Erman/H.P. Westermann, BGB 11. Aufl. § 730 Rdn. 12; Staub/Habersack, HGB 4. Aufl. § 149 Rdn. 40; § 155 Rdn. 15; MünchKommHGB/K. Schmidt § 149 Rdn. 45; derselbe in Schlegelberger, HGB 5. Aufl. § 145 Rdn. 45; Koller/Roth/Morck, HGB 5. Aufl. § 145 Rdn. 3; A. Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl. § 32 V 4; Kellermann aaO). An der gegenteiligen Rechtsprechung (Urt. v. 20. Oktober 1977 - II ZR 92/76, WM 1978, 89, 90 und v. 24. Mai 1971 - II ZR 184/68, WM 1971, 931, 932) hält der Senat nicht fest.

cc) Ob darüber hinaus das Berufen der Beklagten auf die Durchsetzungssperre hier treuwidrig und auch deshalb unbeachtlich ist, weil sie die Durchsetzungssperre nach Titulierung der Forderung gegen die Gesellschaft durch deren Kündigung selbst herbeigeführt haben, kann angesichts dessen dahingestellt bleiben.

Ende der Entscheidung

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