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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.1999
Aktenzeichen: II ZR 70/98
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 30
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2
InsO § 22 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 145
ZPO § 240 Satz 2
GmbHG § 30; InsO §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 22 Abs. 1 Satz 1; ZPO §§ 145, 240 Satz 2

a) Ein anhängiger Rechtsstreit wird durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für das Vermögen einer Partei dann nicht gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein Zustimmungsvorbehalt i.S. von § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt wird und deshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

b) Ist der Gesellschafter einer GmbH an einer anderen Gesellschaft mit mehr als 50 % beteiligt, so ist diese für die Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln (§§ 30, 31 GmbHG analog) grundsätzlich einem Gesellschafter der GmbH gleichzustellen.

BGH, Urt. v. 21. Juni 1999 - II ZR 70/98 - OLG Naumburg LG Magdeburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 70/98

Verkündet am: 21. Juni 1999

Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Januar 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die nach Behauptung der Klägerin mit ihr identische "G. + S. GmbH" (im folgenden: Klägerin) gewährte der Beklagten im November 1994 ein Darlehen von 50.000,-- DM. Gesellschafter der Klägerin mit einem Anteil von 51 % des Stammkapitals war und ist der Dipl.-Ing. R. G. , der zur Zeit der Darlehensgewährung zugleich 49 % der Geschäftsanteile der Beklagten hielt, diese aber im Jahr 1996 veräußert hat.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Rückzahlung des Darlehens von der Beklagten. Die Beklagte verweigert die Zahlung u.a. mit der Begründung, das durch ihren Gesellschafter G. über die Klägerin ausgereichte Darlehen sei eigenkapitalersetzend. Hilfsweise hat sie mit Gegenforderungen aufgerechnet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Revisionsverfahren ist nicht gemäß § 240 Satz 2 n.F. ZPO dadurch unterbrochen worden, daß das Amtsgericht - Insolvenzgericht - M. durch Beschluß vom 15. März 1999 in dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der Beklagten einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat. Denn das Insolvenzgericht hat der Beklagten kein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1; § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), sondern nur einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) auferlegt, weshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten nicht, wie für eine Unterbrechung gemäß § 240 Satz 2 n.F. ZPO vorausgesetzt, gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist (vgl. Kirchhof in: Heidelberger Kommentar zur InsO § 22 Rdn. 31; Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 240 Rdn. 5).

II.

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte könne sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht entsprechend § 30 GmbHG nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Eigenkapitalersatzregeln (BGHZ 31, 258; 81, 311 und st. Rspr.) schon deshalb nicht berufen, weil die Beteiligung ihres damaligen Gesellschafters G. von nur 51 % am Stammkapital der Klägerin nicht ausreiche, um diese einem Gesellschafter der Beklagten gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung komme nur in Betracht, wenn ein Gesellschafter der Kreditnehmerin mit nahezu 100 % an der Kreditgeberin beteiligt sei. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Nach der Rechtsprechung des Senates stehen für die Eigenkapitalersatzregeln u.a. mit einem Gesellschafter verbundene Unternehmen einem Gesellschafter gleich (vgl. BGHZ 81, 311, 315 mit Hw. auf den RegE 1977 zu § 32 a Abs. 5 GmbHG; Sen.Urt. v. 9. Oktober 1986 - II ZR 58/86, WM 1986, 1554; v. 22. Oktober 1990 - II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593). Dazu genügt es, daß der betreffende Gesellschafter an der kreditgebenden Gesellschaft "maßgeblich beteiligt" ist (Sen.Urt. v. 22. Oktober 1990 aaO sowie v. 13. November 1995 - II ZR 113/94, ZIP 1996, 68, 69 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht zitierten, zum Teil nicht einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützen nicht seine Ansicht, "maßgeblich" sei nur eine 100 % nahezu erreichende Beteiligung. Insbesondere im Senatsurteil vom 14. Oktober 1985 (II ZR 276/84, WM 1986, 237) war die dortige Beteiligung von 97,5 % nur zufällig und nicht entscheidungstragend. Für eine maßgebliche Beteiligung an der anderen Gesellschaft in diesem Sinne reicht grundsätzlich eine Mehrheitsbeteiligung aus, aufgrund deren der Gesellschafter beherrschenden Einfluß auf das kreditgebende Unternehmen ausüben, also dessen Geschäftspolitik bestimmen und Weisungen an dessen Geschäftsführer - etwa zur Vergabe des Kredits - durch entsprechenden Gesellschafterbeschluß (§ 46 Nr. 6 GmbHG) durchsetzen kann. Dazu genügt gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG eine einfache Mehrheit, also auch eine solche von 51 %, wenn der Gesellschaftsvertrag keine andere Regelung enthält, was hier nicht festgestellt ist.

2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil der Gesellschafter G. inzwischen nicht mehr an der Beklagten beteiligt ist. Vielmehr behält ein in Eigenkapitalersatz umqualifiziertes Darlehen diesen Charakter auch dann, wenn der betreffende Gesellschafter aus der Kreditnehmerin ausscheidet (vgl. BGHZ 127, 1, 6 f.; Baumbach/Hueck aaO, § 32 a Rdn. 27).

III.

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Aufhebung ist ohne weitere Sachprüfung auch auf die Aberkennung der von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung durch das Berufungsgericht zu erstrecken, weil eine Entscheidung über die Hilfsaufrechnung nur bei Bejahung der Klagforderung ergehen kann (vgl. z.B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 15. Aufl. S. 594). Dementsprechend hat die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Hilfsaufrechnung nur "vorsorglich" zur Überprüfung gestellt.

Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzes (Krise der Beklagten) getroffen hat, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt ihm zugleich Gelegenheit, auch den weiteren Revisionsrügen nachzugehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der in dem angefochtenen Urteil nicht erörterten Identität zwischen der im Rubrum des angefochtenen Urteils bezeichneten Klägerin und der damit nur zum Teil übereinstimmend bezeichneten Darlehensgeberin gemäß dem Darlehensvertrag vom 11. November 1994.

Ende der Entscheidung

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