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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.2001
Aktenzeichen: II ZR 89/01
Rechtsgebiete: GenG, GmbHG


Vorschriften:

GenG § 13
GmbHG § 9 Abs. 2
a) Die Mitglieder einer Vor-Genossenschaft haften für deren Verbindlichkeiten wie die Gesellschafter einer Vor-GmbH für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft.

b) Der Verlustdeckungsanspruch verjährt entsprechend § 9 Abs. 2 GmbHG in fünf Jahren.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

II ZR 89/01

Verkündet am: 10. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. Februar 2001 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, Verwalterin im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der V. Handelsgenossenschaft e.G. i.G., G. (i.f.: Gemeinschuldnerin), macht gegen den beklagten Gründungsgenossen einen Verlustdeckungsanspruch geltend.

Dieser beteiligte sich an der mit Statut vom 11. Juli 1993 errichteten Gemeinschuldnerin, deren Zweck in der Förderung der im Bereich Verwaltung, Errichtung und Renovierung von Immobilien tätigen Mitglieder bestand. Die Geschäftsanteile der Genossen betrugen je DM 1.000,00, die Nachschußpflicht war auf eine Haftsumme in gleicher Höhe beschränkt. Die Gemeinschuldnerin nahm am 1. August 1993 ihre Geschäftstätigkeit auf; am 31. Mai 1994 wurde, bei einer bestehenden Überschuldung von DM 891.307,18, das Gesamtvollstreckungsverfahren über ihr Vermögen eröffnet, ohne daß es zu einer Eintragung in das Genossenschaftsregister gekommen war.

Die Klägerin beansprucht von dem Beklagten anteiligen Ausgleich in Höhe von DM 23.758,53 für die bei der Gemeinschuldnerin angefallenen Verluste. Der Beklagte wendet sich gegen die Übertragung der Grundsätze der Haftung in der Vor-GmbH auf die Vor-Genossenschaft und erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat den Innenhaftungsanspruch der Gemeinschuldnerin wegen eingetretener Verjährung und die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche ihrer Gläubiger als unzulässig abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg, weil ein dem Hauptantrag zugrundeliegender Anspruch jedenfalls verjährt und die Klägerin nicht befugt ist, die mit dem Hilfsantrag verfolgten Ansprüche geltend zu machen.

I. Das Berufungsgericht (NZG 2001, 947) nimmt einen gegen den Beklagten gerichteten Verlustdeckungsanspruch in der geltend gemachten Höhe an. Die sich aus §§ 2, 23 GenG ergebende Haftungsbeschränkung auf den Geschäftsanteil greife mangels Eintragung nicht Platz; für die Vor-Genossenschaft könne insoweit nichts anderes gelten als für die Vor-GmbH oder die Vor-AG. Dieser Anspruch sei jedoch analog § 159 Abs. 1 HGB verjährt. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil die Klägerin Ansprüche der Gläubiger nicht geltend machen könne.

II. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht allerdings zunächst einen Verlustdeckungsanspruch gegen den Beklagten an; insbesondere trifft es zu, daß es mangels Eintragung (§ 13 GenG) nicht zu der sich aus §§ 2, 23 GenG ergebenden Haftungsbeschränkung kommen konnte (vgl. BGHZ 20, 281, 285 f.). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die vom Senat für das Recht der GmbH entwickelte Innenhaftung (BGHZ 134, 333; zuletzt Sen.Urt. v. 19. März 2001 - II ZR 249/99, ZIP 2001, 789) auf die - von der körperschaftlichen Struktur her insoweit vergleichbare - Vor-Genossenschaft übertragen (siehe hierzu Senat BGHZ 17, 385). Diesem Konzept einer grundsätzlich bestehenden anteiligen, aber unbeschränkten Innenhaftung der - wie hier festgestellt - mit der Geschäftsaufnahme einverstandenen Vorgesellschafter und Mitglieder der Vorgenossenschaft haben sich das Bundesarbeitsgericht (siehe etwa BAGE 86, 38), das Bundessozialgericht (vgl. BSGE 85, 192; 85, 200) und der Bundesfinanzhof (vgl. BFHE 185, 356) angeschlossen.

2. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verjährung eines Innenhaftungsanspruchs. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt diese sich zwar nicht aus einer analogen Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB, sondern des § 9 Abs. 2 GmbHG; die Anwendung beider Vorschriften führt jedoch unter den gegebenen Umständen zu keinen sachlichen Unterschieden.

a) Auch der Verlustdeckungsanspruch aus § 9 Abs. 2 GmbHG verjährt in fünf Jahren. Auszugehen ist von dem vom Senat in der Entscheidung vom 27. Januar 1997 (BGHZ 134, 333) entwickelten Haftungsmodell einer einheitlichen anteiligen unbeschränkten Innenhaftung der mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit einverstandenen Gründer für sämtliche Anlaufsverluste der Vor-Gesellschaft, das gekennzeichnet ist durch den Haftungsgleichlauf vor und nach Registereintragung und bei dem der Verlustdeckungsanspruch in der Entwicklungsstufe der Vor-Gesellschaft das gleichwertige Äquivalent zur Unterbilanzhaftung darstellt (aaO 337 ff.). Die Revision argumentiert, bei der Unterbilanzhaftung gehe es um den Ausgleich der Differenz zwischen Stammkapital und Wert des Gesellschaftsvermögens im Eintragungszeitpunkt, während die Verlustdeckungshaftung nicht der Aufbringung oder Erhaltung des Nennkapitals diene, sondern auf dem allgemeinen Grundsatz des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts beruhe, daß derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen ein Geschäft betreibe, für die daraus entstehenden Verpflichtungen hafte. Damit verkennt die Revision diese Gemeinsamkeit. Die einheitliche Gründerhaftung basiert letztlich auf den gleichen, der jeweiligen Gründerphase angepaßten Anspruchsvoraussetzungen und führt aufgrund des weitgehenden Gleichlaufes von Verlustdeckungshaftung und Unterbilanzhaftung in beiden Fällen zur analogen Anwendung von § 9 Abs. 2 GmbHG für die Verjährung. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die Unterbilanzhaftung hat der Senat bereits ausdrücklich bejaht (BGHZ 105, 300); für die Verjährung des Verlustdeckungsanspruchs kann nichts anderes gelten.

Schließlich führt die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entgegen der Ansicht der Revision nicht gemäß § 202 Abs. 1 BGB zu einer Hemmung der Verjährung des von der Klägerin erhobenen Anspruches. Aufgrund der Ausgestaltung der Haftung des Beklagten als Innenhaftung gegenüber der Gemeinschuldnerin ist diese Gläubigerin des Verlustdeckungsanspruches, so daß der Gedanke des § 202 Abs. 1 BGB schon deshalb nicht greift.

b) Das Scheitern der Eintragung der Gemeinschuldnerin stand spätestens fest, als am 31. Mai 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und die Klägerin am 10. Juni 1994 zur Verwalterin bestellt wurde. Da die Klage erst im April 2000 erhoben wurde, ist der eingeklagte Unterdeckungsanspruch in jedem Fall verjährt, ohne daß es einer Entscheidung bedarf, auf welchen dieser beiden Zeitpunkte es ankommt.

3. Das auf eine Außenhaftungsforderung gestützte Hilfsbegehren bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil der Klägerin als Gesamtvollstreckungsverwalterin die Befugnis fehlt, Ansprüche der Gläubiger gegen die Gesellschafter oder Genossen, die sich aus der Fortsetzung der Geschäfte der Gesellschaft oder Genossenschaft nach der Aufgabe oder dem Scheitern der Eintragungsabsicht ergeben (zu diesem Anspruch vgl. BAG und BFH, jeweils aaO), gegen diese geltend zu machen.

Ende der Entscheidung

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