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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.04.2007
Aktenzeichen: III ZB 79/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 104
Im Kostenfestsetzungsverfahren ist es nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der beantragten Gebühren maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebungen aus der Gerichtsakte ergeben oder unstreitig sind.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZB 79/06

vom 4. April 2007

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dr. Herrmann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 8. Zivilsenat, vom 28. Juni 2006 - 8 W 1282/06 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.532,40 €

Gründe:

I.

Die Kläger beanspruchten von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 80.784,11 €. Sie erwirkten am 10. Januar 2005 einen Mahnbescheid, gegen den der Beklagte mit am 14. Januar 2005 beim Mahngericht eingegangenem Schreiben Widerspruch erhob.

Am 9. Februar 2005 führten die Rechtsanwälte der Parteien ein Telefongespräch, dessen Verlauf streitig ist.

Nach Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Nürnberg-Fürth im Juli 2005 begründeten die Kläger ihren Anspruch. Nachdem der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt hatte, nahmen sie die Klage zurück. Auf Antrag des Beklagten wurden ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Unter dem 24. Februar 2006 hat der Beklagte die Festsetzung der ihm zu erstattenden Kosten beantragt. Hierbei hat er unter anderem eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV-RVG angesetzt. Die Terminsgebühr beansprucht er mit der Begründung, dass die Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2005 eine ausführliche telefonische Besprechung der Sach- und Rechtslage mit dem Ziel einer vergleichsweisen Regelung geführt hätten. Dies haben die Kläger bestritten.

Der Rechtspfleger hat den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten hinsichtlich der Terminsgebühr zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kann dahingestellt bleiben, ob das Telefonat zwischen den Parteivertretern auf eine Vermeidung oder Erledigung des Rechtsstreits gerichtet war. Die Terminsgebühr sei schon deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO nicht zu berücksichtigen, weil die für die Entstehung einer solchen Gebühr maßgeblichen Tatsachen nicht den Akten des gerichtlichen Verfahrens entnommen werden könnten und das einfach zu haltende Kostenfestsetzungsverfahren nicht mit Ermittlungsaufwand belastet werden dürfe.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, das sich auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2006 (NJW 2006, 2196) bezogen hat, ist es im Verfahren nach §§ 103 ff ZPO nicht erforderlich, dass sich die für die Festsetzung der beantragten Gebühren maßgeblichen Tatsachen ohne weitere Erhebungen aus der Gerichtsakte ergeben oder unstreitig sind, wie es in der vom II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss 20. November 2006 entschiedenen Sache der Fall war (II ZB 6/06 - NJW-RR 2007, 286, 287, nachgehend zu OLG Stuttgart aaO). Gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hierfür ist lediglich erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Kostentatbestandes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (z.B. OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Februar 2005 - 14 W 118/05 - juris Rn. 10; Marx Rpfl 1999, 157 f; vgl. auch BGHZ 156, 139, 142 f m.w.N.). Zur Glaubhaftmachung können gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden. Die in § 294 Abs. 2 ZPO enthaltene Beschränkung auf präsente Nachweismittel gilt nicht in den Fällen, in denen das Gesetz die Glaubhaftmachung nicht erfordert, sondern, wie im Fall des § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO, lediglich genügen lässt (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 294 Rn. 3 a.E.). Weitere Voraussetzungen für den Nachweis der den Kostenansatz rechtfertigenden tatsächlichen Umstände sind nicht vorgesehen. Die vom Beschwerdegericht für richtig gehaltene Beschränkung des zulässigen Nachweises auf Tatsachen, die sich ohne weitere Ermittlungen bereits aus den Gerichtsakten ergeben, findet damit im Gesetz keine Grundlage. Dem Bedürfnis nach einem zügigen Ausgleich der Verfahrenskosten tragen die Erleichterungen hinreichend Rechnung, die damit verbunden sind, dass die bloße Glaubhaftmachung des Kostenansatzes genügt.

Dem vom Oberlandesgericht Stuttgart für seine Auffassung herangezogenen Senatsbeschluss vom 26. September 2002 (III ZB 22/02 - NJW 2002, 3713) lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Die Sache betraf einen Sonderfall. Der Senat hat das Kostenfestsetzungsverfahren für ungeeignet gehalten, die nicht immer einfach zu beantwortende Frage zu klären, ob die teilweise Rücknahme der Klage unter gleichzeitiger Anerkennung der restlichen Klageforderung auf einem Konsens beruht, der die Voraussetzungen eines Vergleichs im Sinne des § 779 BGB erfüllt und eine Vergleichsgebühr auslöst. Für den Senat war dabei die weitere Überlegung maßgebend, dass die Parteien in einer derartigen Situation möglicherweise gerade deshalb von dem - an sich nahe liegenden - Abschluss eines Prozessvergleichs absehen und sich auf diese Art der Konfliktbeilegung verständigen, weil sie darauf vertrauen, von der Berechnung einer Vergleichsgebühr verschont zu bleiben. Dieses Vertrauen hielt der Senat für schützenswert. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

b) Sollte in dem neuen Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Parteivertreter am 9. Februar 2005 eine auf Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung abhielten, ist eine Terminsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 3104 VV entstanden. Für den Anfall der Terminsgebühr ist es ohne Bedeutung, dass die Unterredung nur fernmündlich geführt worden und dass es nicht zu einer gütlichen Einigung gekommen ist (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 aaO).

Ende der Entscheidung

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