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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: III ZR 120/00
Rechtsgebiete: BGB, AKB


Vorschriften:

BGB § 839 A
AKB § 10
BGB § 839 A; AKB § 10

Verursacht ein Zivildienstleistender mit einem Fahrzeug seiner - privatrechtlich organisierten - Beschäftigungsstelle auf Dienstfahrt schuldhaft einen Verkehrsunfall, bei dem ein Dritter geschädigt wird, so ist die gegenüber dem geschädigten Dritten nach Amtshaftungsgrundsätzen anstelle des Zivildienstleistenden verantwortliche Bundesrepublik Deutschland dem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer, der den Schaden reguliert hat, nicht ausgleichspflichtig.

BGH, Urteil vom 15. Februar 2001 - III ZR 120/00 - OLG Köln LG Köln


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 120/00

Verkündet am: 15. Februar 2001

Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. April 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Am 3. Januar 1997 verursachte ein bei dem Arbeiter-Samariter-Bund in K. eingesetzter Zivildienstleistender mit einem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Sonderkraftfahrzeug seiner Beschäftigungsstelle, das für den Transport von Rollstuhlfahrern bestimmt war, schuldhaft einen Verkehrsunfall, bei dem eine mit dem Fahrzeug beförderte Rollstuhlfahrerin getötet und zwei weitere Fahrzeuge beschädigt wurden. Die Klägerin hat die von den Geschädigten geltend gemachten Ersatzforderungen reguliert, einschließlich eines Schmerzensgeldes, das an die Erben der getöteten Frau gezahlt wurde. Sie nimmt nunmehr die beklagte Bundesrepublik auf Ersatz der gesamten erbrachten Versicherungsleistungen in Höhe von 59.295,42 DM nebst Zinsen in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht (VersR 2000, 1409 m. Anm. Lorenz) hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche, die nach Auffassung der Klägerin ihre Grundlage teils in einem Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB, teils in ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB finden, bestehen nicht.

1. a) Allerdings wurden durch den Verkehrsunfall Ansprüche der Geschädigten gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) begründet, die auf Ersatz des gesamten materiellen und immateriellen Schadens gerichtet waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Ersatzpflicht für Schäden, die ein Zivildienstleistender in Ausübung des Ersatzdienstes Dritten zugefügt hat, regelmäßig auch dann nach Amtshaftungsgrundsätzen zu beurteilen, wenn die anerkannte Beschäftigungsstelle (§ 4 ZDG), in deren Dienst der Schädiger tätig geworden ist, privatrechtlich organisiert ist und - von ihrer Rechtsstellung als hoheitlich beliehene Einrichtung abgesehen - privatrechtliche Aufgaben wahrnimmt. Haftende Körperschaft im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG ist in solchen Fällen nicht die anerkannte Beschäftigungsstelle, sondern die Bundesrepublik Deutschland (Senatsurteil BGHZ 118, 304; Senatsbeschluß vom 26. März 1997 - III ZR 295/96 = NJW 1997, 2109 = VersR 1997, 967; Senatsurteil vom 11. Mai 2000 - III ZR 258/99 = NVwZ 2000, 963). Die Amtshaftung ist hier auch nicht etwa durch die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen; denn der Unfall hatte sich bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr ereignet (Senatsurteil BGHZ 68, 217). Unerheblich ist, daß es sich um ein Sonderfahrzeug zum Transport von Rollstuhlfahrern gehandelt hatte. Diese Beschaffenheit des Fahrzeugs ermächtigte den Fahrer nicht zur Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO, die hier auch tatsächlich nicht in Anspruch genommen worden waren.

b) Daneben bestanden Ansprüche der Geschädigten aus Gefährdungshaftung (§ 7 StVG) gegen den Arbeiter-Samariter-Bund als den Halter des Fahrzeugs. Diese Ansprüche umfaßten jedoch nicht das Schmerzensgeld und möglicherweise auch nicht die durch den Todesfall verursachten materiellen Schäden, sofern die getötete Frau - was nicht im einzelnen aufgeklärt ist - gemäß § 8 a StVG als Insassin des Unfallfahrzeugs aus dem Schutz der Gefährdungshaftung ausgenommen gewesen sein sollte.

c) Neben dem Arbeiter-Samariter-Bund als Halter und Versicherungsnehmer haftete auch die Klägerin als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer den Geschädigten unmittelbar (§ 3 Nr. 1 PflVG). Zumindest im Umfang der Gefährdungshaftung waren somit die Beklagte, der Arbeiter-Samariter-Bund und die Klägerin Gesamtschuldner (§§ 421 BGB, 3 Nr. 2 PflVG; Lorenz, Anm. zum Berufungsurteil VersR 2000, 1410 f), unabhängig davon, ob auch die Beklagte zu den mitversicherten Personen gehörte (s. dazu im folgenden). Tragende Grundlage für die Rechtsverfolgung der Klägerin ist die Annahme, daß die Beklagte nicht mitversichert gewesen sei. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt her macht die Klägerin geltend, daß innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses allein die Beklagte zur Tragung des Schadens und daher ihr, der Klägerin, in vollem Umfang zum Ausgleich nach § 426 BGB verpflichtet sei. Soweit sie, die Klägerin, über die Gefährdungshaftung hinaus Leistungen an die Geschädigten erbracht habe, sei sie dazu nicht verpflichtet gewesen, sondern habe auf eine fremde Schuld, nämlich eine solche der Beklagten, geleistet; daher stehe ihr gegen die Beklagte ein entsprechender Bereicherungsanspruch in Form einer Rückgriffskondiktion zu.

2. Das Berufungsgericht hat entschieden, daß bei Fallkonstellationen der vorliegenden Art sowohl wegen der immateriellen als auch der materiellen Schäden Versicherungsschutz in erweiternder Auslegung des § 10 Abs. 2 Buchst. c AKB besteht, mit der Folge, daß im Verhältnis der Parteien zueinander die Klägerin als Haftpflichtversicherer allein haftet und ihr deshalb der Rückgriff gegen die Beklagte, auf welche Rechtsgrundlage er auch immer gestellt wird, verwehrt ist. Dem tritt der erkennende Senat bei.

a) Nach § 10 Abs. 2 Buchst. c AKB gehörte der Fahrer des Sonderkraftfahrzeugs zu den mitversicherten Personen. Dementsprechend haftete die Klägerin nach § 10 Abs. 1 AKB für Schadensersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Fahrer erhoben werden konnten. An dieser Voraussetzung fehlte es im vorliegenden Fall. Gegen den Fahrer konnten nämlich keine derartigen Ansprüche erhoben werden, da, wie oben bereits dargelegt, die Amtshaftung der Beklagten eintrat (Senatsbeschluß vom 26. März 1997 aaO).

b) Die Amtshaftung beruht auf der durch Art. 34 Satz 1 GG verfassungsrechtlich normierten befreienden Schuldübernahme, aufgrund deren der Amtswalter selbst (hier: der Zivildienstleistende) von seiner persönlichen Schadensersatzpflicht befreit und die Bundesrepublik mit ihr belastet wird. Art. 34 GG leitet die durch § 839 BGB begründete persönliche Haftung des Beamten auf den Staat über: § 839 BGB ist die haftungsbegründende Vorschrift, während Art. 34 GG die haftungsverlagernde Norm darstellt (BVerfGE 61, 149). Daraus folgt, daß die Haftungsnorm des § 839 BGB selbst eine "gesetzliche Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts" im Sinne des § 10 Abs. 1 AKB ist (so auch Lorenz, Anm. zum Berufungsurteil VersR 2000, 1410).

c) Diese personale Konstruktion der Amtshaftung hat zur Folge, daß der Staat grundsätzlich nur in dem gleichen Umfang haftet, wie der Amtsträger selbst es müßte, wenn es die Schuldübernahme nicht gäbe. Dies bedeutet, daß sämtliche auf die persönliche Verantwortlichkeit des Amtsträgers zugeschnittenen gesetzlichen Haftungsbeschränkungen, -milderungen oder -privilegien mittelbar auch dem Staat zugute kommen (vgl. etwa das Verschuldensprinzip oder das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB).

d) In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht zieht auch der erkennende Senat aus diesen Grundsätzen die Folgerung, daß die die persönliche Haftpflicht betreffende Einbeziehung des Fahrers in den Schutz der Kfz-Haftpflichtversicherung auch der Bundesrepublik zugute kommen muß. Im Falle der persönlichen Haftung des Fahrers steht die uneingeschränkte Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers außer Zweifel. Nichts anderes kann im Ergebnis gelten, wenn die Haftungsverlagerung nach Art. 34 Satz 1 GG eingreift. Diese dient allein dem Interesse des Geschädigten an einem leistungsstarken Schuldner und dem Schutz des Amtsträgers vor unangemessenen, seine Entscheidungsbereitschaft lähmenden Haftungsrisiken. Eine Entlastung des Haftpflichtversicherers liegt dagegen außerhalb ihres Regelungszwecks. Dementsprechend muß sich der Haftpflichtversicherer hier so behandeln lassen, als ginge es nicht um die Haftung des Staates, sondern um die persönliche Haftung des Fahrers, an dessen Stelle im Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 Buchst. c AKB lediglich der Staat tritt. Dies hat die Konsequenz, daß die Klägerin als Haftpflichtversicherer unmittelbar für sämtliche durch den Unfall verursachten Schäden, also nicht etwa nur im Umfang der Gefährdungshaftung, sondern auch hinsichtlich der von dieser nicht erfaßten Ansprüche (oben Nr. 1 b), eintrittspflichtig ist und daß im Innenverhältnis zur Bundesrepublik die Klägerin allein haftet (§ 3 Nr. 9 PflVG).

e) Entscheidend für das hier gewonnene Ergebnis spricht, daß das Kraftfahrzeug bestimmungsgemäß eingesetzt worden war und sich dementsprechend gerade das Risiko verwirklicht hat, das die vom Halter abgeschlossene Haftpflichtversicherung abdecken sollte. Der Senat vermag keine innere Rechtfertigung dafür zu erkennen, den hier in Rede stehenden Unfall versicherungsrechtlich anders zu beurteilen als einen solchen, der von einem nicht im Zivildienst stehenden Bediensteten des Arbeiter-Samariter-Bundes verursacht worden wäre.

f) Zustimmung verdient auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß die bloße Wortinterpretation im Rahmen des § 10 Abs. 1 und 2 AKB zu nicht hinnehmbaren Unzuträglichkeiten führt, wenn der Unfall durch den Zivildienstleistenden grob fahrlässig verursacht wird. In diesem Falle hat der Zivildienstleistende nämlich seinem Dienstherrn im Wege des Rückgriffs (§ 34 Abs. 1 ZDG) den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, während er im anderen Falle, daß der Haftpflichtversicherer eintrittspflichtig ist, einer solchen Belastung nicht ausgesetzt wird. Zwar vertritt Lorenz (in seiner Anmerkung zum Berufungsurteil VersR 2000, 1410, 1411) hierzu die Auffassung, daß auch ein etwaiger - öffentlich-rechtlicher - Rückgriffsanspruch gegen den Fahrer nach § 34 Abs. 1 ZDG vom Versicherungsschutz mit umfaßt werde; er setzt sich damit aber über den klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 AKB hinweg, wonach nur Schadensersatzansprüche privatrechtlichen Inhalts abgedeckt werden.

g) Das Berufungsgericht weist ferner mit Recht darauf hin, daß dieser Wertungswiderspruch sich noch dadurch verstärkt, daß der Zivildienstleistende haftungsrechtlich schlechter gestellt wird als etwa Wehrdienstpflichtige, die mit Dienstkraftfahrzeugen grob fahrlässig einen Unfall verschulden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 PflVG hat nämlich die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 PflVG von der Versicherungspflicht befreite Beklagte bei Schäden der in § 1 PflVG bezeichneten Art für den Fahrer (wehrpflichtigen Soldaten) in gleicher Weise und in gleichem Umfang einzutreten wie ein Versicherer bei Bestehen einer Haftpflichtversicherung. Ein Rückgriff gegen den Fahrer ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 4 PflVG ausgeschlossen. Anders als der Zivildienstleistende haftet demnach der wehrdienstpflichtige Soldat in einem vergleichbaren Fall nicht. Für eine solche systemwidrige Ungleichbehandlung gibt es keinen rechtfertigenden Grund.

3. Nach § 10 Abs. 2 Buchst. f AKB gehört zu den mitversicherten Personen auch der öffentliche Dienstherr des Versicherungsnehmers, wenn das versicherte Fahrzeug mit Zustimmung des Versicherungsnehmers für dienstliche Zwecke gebraucht wird. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung betrifft dies jedoch nicht das Verhältnis zwischen dem Arbeiter-Samariter-Bund und der Bundesrepublik Deutschland. Der Arbeiter-Samariter-Bund ist lediglich nach § 4 ZDG als Beschäftigungsstelle des Zivildienstleistenden anerkannt; diesem gegenüber stehen ihm nur aufgrund der Beleihung hoheitliche Befugnisse zu. Das ändert aber nichts daran, daß der Arbeiter-Samariter-Bund eine privatrechtliche Organisation ist, die in keinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten steht (Senatsbeschluß vom 26. März 1997 aaO). Die Frage, ob § 10 Abs. 2 Buchst. f AKB erweiternd oder analog auch auf den öffentlichen Dienstherrn einer mitversicherten Person (hier: des Zivildienstleistenden) angewendet werden kann (vgl. dazu Lorenz aaO S. 1411), braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Bundesrepublik, wie dargelegt, bereits aus anderen Gründen der Klägerin gegenüber nicht ausgleichspflichtig ist.

4. Die Klage ist nach alledem mit Recht abgewiesen worden; das Berufungsurteil war unter Zurückweisung der Revision zu bestätigen.

Ende der Entscheidung

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