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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: III ZR 13/08
Rechtsgebiete: ZPO, BNotO


Vorschriften:

ZPO § 544 Abs. 7
BNotO § 19 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 13/08

vom 9. Oktober 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Herrmann, Wöstmann und Hucke

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Dezember 2007 - 11 U 9/07 - zugelassen.

Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 25.000 €.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Amtspflichtverletzung als Notar auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte beurkundete am 17. Januar 2002 einen Vertrag zwischen dem Kläger und dessen damaliger Ehefrau. Gegenstand war die Übertragung des hälftigen Miteigentums der Ehefrau an dem gemeinsamen Hausgrundstück auf den Kläger. Im Gegenzug verpflichtete sich dieser zur Zahlung von 33.745 € sowie zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 5.113 €. Weiterhin verpflichtete er sich, seine Ehefrau von den Darlehensverbindlichkeiten, die den eingetragenen Grundstücksbelastungen von 150.000 DM zugrunde lagen, freizustellen. Die Urkunde enthielt in Nummer III. 4. weiterhin folgende Abgeltungsklausel:

"Mit Zahlung vorbezeichneten Betrages, der Übergabe des Schuldanerkenntnisses und der Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Erwerber sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche, seien sie bekannt oder unbekannt, die das mit dieser Urkunde übertragene Hausanwesen betreffen, erledigt. Die Erschienene zu 1) erklärt, keine Forderungen aus der Übertragung des 1/2-Miteigentumsanteils an den Erschienenen zu 2) mehr zu stellen."

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befand sich die Ehe des Klägers in einer Krise, die letztlich auch zur Trennung der Eheleute und zur Scheidung im Juli 2004 führte. In dem Scheidungsverfahren machte die damalige Ehefrau des Klägers Zugewinnausgleichsansprüche geltend. Die Eheleute einigten sich darauf, dass der Kläger an seine Ehefrau insoweit 25.000 € zahlte.

Der Kläger verlangt diesen Betrag von dem Beklagten mit der Begründung ersetzt, dieser habe die in dem notariellen Vertrag vom 17. Januar 2002 enthaltene Abgeltungsklausel nicht hinreichend präzise formuliert, so dass Zugewinnausgleichsansprüche der Ehefrau wegen des übertragenen Hausgrundstückanteils nicht ausgeschlossen gewesen seien. Diese habe die ihr als Gegenleistung überlassenen Mittel vor dem für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Stichtag verbraucht, während er zu diesem Zeitpunkt noch im Genuss des durch die Übertragung des Miteigentumsanteils bewirkten Wertzuwachses gewesen sei. Da Zugewinnausgleichsansprüche wegen des übertragenen Hausgrundstücksanteils nicht ausgeschlossen gewesen seien, habe dieser Wertzuwachs bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs Berücksichtigung finden müssen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung des verlangten Schadensersatzes verurteilt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

II.

Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat eine schadensstiftende Amtspflichtverletzung des Beklagten und einen Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe der eingeklagten 25.000 € aus § 19 Abs. 1 BNotO bejaht. Dabei hat es jedoch übergangen, dass der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. September 2006 den vom Kläger seiner Schadensberechnung zugrunde gelegten Wert des Hausgrundstücks von 200.000 € bestritten und allenfalls einen Wert von 118.000 € zugestanden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte dieses Bestreiten im Verlauf des Rechtsstreits aufgegeben hat. Das Berufungsgericht hat demgegenüber der Verurteilung des Beklagten ohne jede Erörterung die vom Kläger errechnete Höhe des Schadensersatzanspruches zugrunde gelegt. Zwar sind die Gerichte nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (z.B.: BGHZ 154, 288, 300 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Das ist aber insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (z.B.: BVerfGE 86, 133, 145 f; BVerfG NJW 1998, 2583, 2584). Der Wert des Hausgrundstücks ist ein solcher für die Entscheidung des Rechtsstreits zentraler Punkt, da hiervon abhängt, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist, der der vom Berufungsgericht angenommenen Amtspflichtverletzung des Beklagten zuzurechnen ist (siehe hierzu sogleich Nummer 2).

2. Auf dieser Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs beruht die Entscheidung der Vorinstanz.

a) Ausgehend von dem vom Beklagten allenfalls zugestandenen Wert des Hausgrundstücks hatte die Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich, auch wenn Nummer III. 4. des Vertrages vom 17. Januar 2002, wie es das Berufungsgericht annimmt, Zugewinnausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück nicht ausschließt. Das Endvermögen des Klägers (§§ 1375, 1384 BGB) wäre unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen - und vom Beklagten als ihm günstig nicht ersichtlich bestrittenen - Lasten und Verbindlichkeiten wie folgt zu berechnen:

 Wert des Hausgrundstücks: 118.000,00 €
./. Belastungen: 75.000,00 €
./. sonstige Verbindlichkeiten des Klägers 11.000,00 €
 32.000,00 €

Dies liegt unter seinem Anfangsvermögen (§ 1374 BGB), das er mit 45.000 € beziffert, so dass er keinen Zugewinn erzielt hätte.

b) Allerdings mag der Entschluss des Klägers, sich auf die Vereinbarung, durch die er sich zur Zahlung von 25.000 € an seine Ehefrau verpflichtete, einzulassen, durch die unpräzise Formulierung der Ausgleichsklausel im Vertrag vom 17. Januar 2002 ungeachtet der für den Zugewinn zu berücksichtigenden Werte mitveranlasst worden sein. In diesem Fall liegt es jedoch nahe, dass bei erneuter tatrichterlicher Würdigung das Eingehen des Klägers auf die entsprechende Forderung seiner damaligen Ehefrau als ein Eingriff in den Geschehensablauf zu betrachten ist, der den Schaden erst endgültig herbeiführte und der den Zurechnungszusammenhang mit der haftungsbegründenden Handlung unterbrach. Eine solche Unterbrechung der durch die Verletzung notarieller Amtspflichten ausgelösten Ursachenkette tritt zwar nicht ein, wenn für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses darstellt (z.B.: Senatsurteil vom 6. Mai 2004 - III ZR 247/03 - DNotZ 2004, 849, 852 m.w.N.). Wenn aber selbst bei einer dem Kläger nachteiligen Auslegung der Abgeltungsklausel aufgrund der zur Berechnung des Zugewinns einzusetzenden Werte ein Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau ausgeschlossen gewesen wäre, dürfte der Abschluss der Vereinbarung über die Zahlung von 25.000 € eine gänzlich unsachgemäße und daher ungewöhnliche Reaktion des Klägers gewesen. Etwas anderes kann etwa gelten, wenn zwischen ihm und seiner Ehefrau eine Fehlvorstellung oder ein Streit über den Wert des Grundstücks bestanden und die Vereinbarung diesen Punkt ebenfalls mit erledigt hätte. Hierfür gibt es jedoch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keinen Anhaltspunkt.

3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Einwendungen des Beklagten gegen das angefochtene Urteil auseinanderzusetzen, auf die einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlass hat.

Ende der Entscheidung

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