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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: III ZR 172/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615 Satz 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
Zum Anspruch des Heimbewohners gegen den Heimträger auf Erstattung ersparter allgemeiner Verpflegungskosten bei Inanspruchnahme von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierter Sondennahrung (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 157, 309 und vom 4. November 2004 - III ZR 371/03 = NJW 2005, 824).
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

III ZR 172/07

Verkündet am: 13. Dezember 2007

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dörr, Dr. Herrmann und Wöstmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der IX. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 13. April 2007 - mit Ausnahme der 20 € Erbscheinskosten, die abgewiesen bleiben - aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt bleibt, an den Kläger 1.004,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2004 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 87,29 € zu zahlen.

Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd entstandenen Mehrkosten, die dem Kläger auferlegt werden.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die am 4. April 2003 verstorbene Ehefrau des Klägers, die von diesem beerbt worden ist, befand sich seit dem 7. Juni 2002 bis zu ihrem Tode in einem von der Beklagten betriebenen Pflegeheim. Das Heimentgelt von täglich 82,85 € setzte sich zusammen aus 15,91 € für Unterkunft und Verpflegung, 52,37 € für allgemeine Pflegeleistungen und 14,57 € für nicht geförderte Investitionskosten. Das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung wurde ab 1. August 2002 auf 16,45 € erhöht. Von Beginn ihres Aufenthalts nahm die Ehefrau des Klägers jedoch die normale Verpflegung, von der gelegentlichen Verabreichung von Getränken abgesehen, nicht in Anspruch. Sie war auf Sondennahrung angewiesen, deren Kosten und der damit verbundene pflegerische Mehraufwand von der Krankenkasse getragen wurden. Die Beklagte hat ihre Küchenleistungen einem selbständigen Cateringunternehmen übertragen. Dieses erhält pro belegtem Heimplatz eine pauschale Vergütung von 10,40 € pro Tag. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung ersparter Verpflegungskosten in Höhe von täglich 3,50 € für 287 Tage. Die Beklagte wendet insbesondere ein, sie habe keine Aufwendungen erspart, da sie ihrerseits dem Cateringunternehmen zur vollen Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet geblieben sei.

Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 1.004,50 € nebst Zinsen und zwei Positionen vorgerichtlicher Kosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist im Wesentlichen begründet.

Dem Kläger steht die geltend gemachte Hauptforderung in Höhe von 1.004,50 € als Ersatz für die ersparten Verpflegungskosten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB - Leistungskondiktion) zu.

1. In der Rechtsprechung des Senats, die beide Vorinstanzen mit Recht ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben (Senatsurteil BGHZ 157, 309; Senatsurteil vom 4. November 2004 - III ZR 371/03 = NJW 2005, 824), ist anerkannt, dass die Vorschriften des Heimgesetzes und des Elften Buches Sozialgesetzbuch die Frage, ob der Heimträger das volle Entgelt für die nicht in Anspruch genommene Verpflegung verlangen kann, nicht zum Nachteil des Heimbewohners beantworten, sondern von ihrer den Heimbewohner schützenden Tendenz her eher für eine Befreiung des Bewohners von der Pflicht zur Entgeltzahlung sprechen. Daher ist der Rückgriff auf § 615 Satz 2 BGB nicht verschlossen. Es sind nämlich ergänzend die allgemein geltenden zivilrechtlichen Normen und diejenigen Bestimmungen der Beurteilung zugrunde zu legen, die bei einem gemischten Vertragstyp den Schwerpunkt bilden. Dieser liegt nach den im Heimvertrag übernommenen Pflichten im dienstvertraglichen Bereich. Aus dem ergänzend anwendbaren § 615 Satz 2 BGB folgt unmittelbar, dass sich die Beklagte die Ersparnisse bei der Verpflegung anrechnen lassen muss (Senatsurteil BGHZ 157, 309, 320 f m.w.N.).

2. Daraus hat der Senat gefolgert, dass keine Grundlage dafür besteht, dem Bewohner das volle Verpflegungsentgelt zu berechnen, wenn er aus Gründen, die mit seiner Lebenssituation zwingend verbunden sind, die normale Verpflegung nicht entgegennehmen kann. Es ist insbesondere nicht gerechtfertigt, Bewohner, die mit Sondennahrung verpflegt werden müssen, durch die bestehen bleibende Verpflichtung, das normale Verpflegungsentgelt zusätzlich zu entrichten, zu einem Solidarausgleich für die Vergütung eines Leistungsbestandteils heranzuziehen, den sie aufgrund ihrer persönlichen Situation nicht in Anspruch nehmen können. Eine so weitgehende Pauschalierung wird auch von den Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch, die gleichfalls den Schutz des Heimbewohners im Auge haben, nicht gefordert (Senatsurteil vom 4. November 2004 aaO S. 826).

3. Dies verkennt vom Ansatzpunkt her auch das Berufungsgericht nicht. Es meint jedoch, die Beklagte könne dem Erstattungsanspruch den Einwand entgegenhalten, sie habe tatsächlich keine Aufwendungen erspart, da sie dem Cateringunternehmen nach wie vor zur Zahlung des vollen zwischen ihnen beiden vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibe. Diese Betrachtungsweise vermag der Senat nicht zu teilen. Er hat bereits im Urteil vom 4. November 2004 (aaO S. 827) darauf hingewiesen, dass der Heimträger gegen den erhobenen Bereicherungsanspruch nicht einwenden kann, er habe die Pflegesätze so kalkuliert, dass nur die tatsächlich benötigte Verpflegung in die Preisbildung eingeflossen sei; es fehle daher an einer Ersparnis von Aufwendungen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte hier der Heimbewohnerin Verpflegung versprochen und hierfür auch das Entgelt empfangen hat. Da die Beklagte die versprochene Verpflegung nicht hat gewähren müssen, ist sie um den entsprechenden Entgeltteil unabhängig davon bereichert, wie sie die Entgelte insgesamt kalkuliert hat. Daran vermag auch die Zwischenschaltung des Cateringunternehmens nichts zu ändern. Insoweit teilt der erkennende Senat die Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe, welches die Einschaltung eines solchen Unternehmens ebenfalls für unerheblich gehalten hat (VersR 2006, 1416, 1417). Die Beklagte hätte mit dem Unternehmen einen Vertrag schließen können, der berücksichtigte, dass einzelne Heimbewohner keine gewöhnliche Nahrung aufnehmen können. Wenn sie dies unterließ, kann dies nicht zu Lasten der Heimbewohnerin gehen. Der Heimträger hat es insbesondere nicht in der Hand, durch die Vertragsgestaltung mit seinen Zuliefererfirmen dem Heimbewohner den Nachweis ersparter Aufwendungen praktisch unmöglich zu machen. Dies sieht die Beklagte, bezogen auf den Fall der Abwesenheit des Heimbewohners von länger als drei Tagen, im Übrigen ebenso, da sie sich nach § 13 Abs. 19 des Heimvertrages verpflichtet hat, dem Bewohner vom ersten Tag der vollen Abwesenheit an lediglich 75 v.H. der Pflegevergütung und des Entgeltes für Unterkunft und Verpflegung zu berechnen (siehe zu einer solchen Vertragsbestimmung: Senatsurteil BGHZ 164, 387).

4. Die Höhe der ersparten Aufwendungen hat das Amtsgericht, dem Klagevorbringen folgend, in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung auf täglich 3,50 € festgesetzt. Dazu bedurfte es keiner weiteren Feststellungen, insbesondere nicht der von der Beklagten mehrfach beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens. Vielmehr ist § 287 ZPO anzuwenden; das gefundene Ergebnis hält sich in dem durch diese Vorschrift dem Tatrichter gewährten erweiterten Beurteilungsspielraum. Ebenso hat das Amtsgericht zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur Zinszahlung und zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs bejaht.

5. Der Kläger hat die Erstattung der Kosten eines Erbscheins beansprucht, den die Beklagte von ihm zum Nachweis seines Erbrechts nach seiner verstorbenen Ehefrau verlangt hatte. Das Amtsgericht hat ihm auch diese Kosten zugesprochen, jedoch zu Unrecht. Der Kläger hatte lediglich das Protokoll über die Eröffnung eines Erbvertrags vorgelegt, nicht jedoch diesen selbst. Dies durfte die Beklagte als unzureichend ansehen; Gegenteiliges lässt sich auch den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 2004 (V ZR 120/04 = NJW-RR 2005) und vom 7. Juni 2005 (XI ZR 311/04 = NJW 2005, 2779) nicht entnehmen.



Ende der Entscheidung

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