Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: III ZR 216/06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 85 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 214 Abs. 4
BauGB § 226 Abs. 2 Satz 2
Hat während des Laufs eines baulandgerichtlichen Verfahrens, das die Anfechtung eines Enteignungsbeschlusses zwecks Nutzung eines Grundstücks entsprechend den Festsetzungen eines Bebauungsplans betrifft, das Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan (rechtskräftig) für unwirksam erklärt, so muss das Baulandgericht den Enteignungsbeschluss auch dann aufheben, wenn der Bebauungsplan durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern rückwirkend in Kraft gesetzt werden könnte und die Gemeinde ein solches Verfahren angekündigt hat.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 216/06

vom 22. Februar 2007

in der Baulandsache

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dr. Herrmann

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. Juli 2006 - 13 U 5/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 4 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegenstandswert: bis zu 80.000 €

Gründe:

I.

Durch Vorabentscheidungsbeschluss vom 11. Juni 2003 entzog der Beteiligte zu 3 als Enteignungsbehörde das Eigentum der Beteiligten zu 1 und 2 an Teilflächen mehrerer Flurstücke der Flur 8 der Gemarkung W. zugunsten der Beteiligten zu 4 (Stadt W. ). Die Enteignung sollte erfolgen, um die betreffenden Grundstücke einer Nutzung entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 6.2 für den Bereich der ehemaligen Baustoffversorgung nördlicher und östlicher Teil der Beteiligten zu 4 (im Folgenden: Bebauungsplan Nr. 6.2) zuzuführen. Die Beteiligten zu 1 und 2 fochten den Beschluss der Enteignungsbehörde durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung an. Während des Laufs des baulandgerichtlichen (Berufungs-)Verfahrens wurde auf Normenkontrollantrag des Beteiligten zu 1 durch (rechtskräftiges) Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Juni 2005 der Bebauungsplan Nr. 6.2 mit der Begründung für unwirksam erklärt, dieser leide an einem beachtlichen Fehler im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Satz 3 und § 13 Nr. 2 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997 (BGBl. I S. 2141), außerdem verstoße er unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen das Gebot der Planbestimmtheit. Daraufhin hat das Berufungsgericht (Senat für Baulandsachen) unter Abänderung des Urteils der ersten Instanz den Vorabentscheidungsbeschluss der Enteignungsbehörde aufgehoben.

II.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB).

1. Das Berufungsgericht hat mit seinem Urteil die zwingende Folgerung daraus gezogen, dass aufgrund der (rückwirkenden) Unwirksamkeitserklärung des hier in Rede stehenden Bebauungsplans durch das Oberverwaltungsgericht im Normenkontrollverfahren der angefochtene, eine Enteignung aussprechende, Vorabentscheidungsbeschluss des Beteiligten zu 3 gemäß § 112 Abs. 2 BauGB mangels eines - für eine Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorausgesetzten - rechtswirksamen Bebauungsplans keine Grundlage mehr hat.

Mit Recht hat das Berufungsgericht angesichts dieser bei seiner mündlichen Verhandlung gegebenen Rechtslage dem Umstand, dass die Beteiligte zu 4 ein ergänzendes Verfahren über die rückwirkende Heilung des unwirksamen Bebauungsplans nach § 214 Abs. 4 BauGB angekündigt hatte, keine Bedeutung beigemessen, weil unabhängig davon, ob hier eine rückwirkende Heilung des Bebauungsplans überhaupt möglich ist, dieser Bebauungsplan bis zur - unterstellt wirksamen - rückwirkenden Heilung schwebend unwirksam ist und daher keine Rechtswirkungen auslösen kann.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beteiligten zu 4 macht geltend, es bedürfe der Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es dürfe, so meint sie, im vorliegenden Verfahren nur geprüft werden, ob die Enteignungsbehörde mit ihrer Erklärung im Schreiben vom 4. Januar 2006, trotz der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Normenkontrollverfahren wegen der Heilungsmöglichkeit gemäß § 214 Abs. 4 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), die nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB auch für Bebauungspläne gilt, die vor dieser Neuregelung in Kraft getreten sind, und der entsprechenden Ankündigung der Beteiligten zu 4, den Enteignungsbeschluss nicht aufheben zu wollen, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten habe oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.

Mit dieser Argumentation wird jedoch der Gegenstand des vorliegenden baulandgerichtlichen Verfahrens verkannt. Es geht um die Rechtmäßigkeit des von dem Beteiligten zu 3 im Enteignungsverfahren erlassenen und von den Beteiligten zu 1 und 2 angefochtenen Enteignungsbeschlusses (Vorabentscheidungsbeschlusses), nicht um die rechtliche Überprüfung einer späteren Entschließung der Enteignungsbehörde über eine in Betracht gezogene Aufhebung dieses Enteignungsbeschlusses. Wenn - wie hier - zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Enteignung nicht vorliegen, muss nach geltendem Recht das Gericht dem Aufhebungsantrag des betroffenen Eigentümers stattgeben. Jede andere Entscheidung oder Verfahrensweise des Baulandgerichts in dieser Situation wäre mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG) unvereinbar.

Ende der Entscheidung

Zurück