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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: III ZR 310/08
Rechtsgebiete: FernUSG


Vorschriften:

FernUSG § 1 Abs. 1
FernUSG § 7 Abs. 1
FernUSG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2009

durch

den Vizepräsidenten Schlick und

die Richter Wöstmann, Hucke, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 25. November 2008 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 19. März 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Entgelts für einen "Geldlehrgang".

Im November 2006 unterzeichnete die Klägerin auf einer Werbeveranstaltung die Anmeldung zu einem von der Beklagten durchgeführten "Geldlehrgang". Das von der Beklagten für die Anmeldung entworfene und von der Klägerin benutzte Formular hatte folgenden Inhalt:

"Studienanmeldung zum Geldlehrgang ...

Ja, ich möchte meine Geldgeschäfte in die eigenen Hände nehmen. Deshalb melde ich mich verbindlich an zum Geldlehrgang mit zwölf Lehreinheiten ...

01 ...

02 ...

12. ...

mit drei begleitenden Informationsveranstaltungen zur ausführlichen Vertiefung der Lehreinheiten, die von dem Autorenteam geleitet werden.

01 Start Up Informationsveranstaltung

02 Follow Up Informationsveranstaltung

03 Power Up Informationsveranstaltung

Der Preis beträgt hierfür einmal 4.990,- Euro ... Dazu erhalte ich ohne zusätzliche Kosten die Mitgliedschaft als passives Mitglied im "Club of the Millionaires" ... im Wert von 240.- Euro.

Mein Lehrgang beginnt mit dem Erhalten der ersten Lehrmaterialsendung. Die weiteren elf Lehrgangsteile ... erhalte ich danach regelmäßig ...Die Anmeldung für die Informationsveranstaltungen erhalte ich mit der Zusendung der Teile 4 - 8 - 12.

Leistung und Verpflichtung der Euro Success MLM:

- Pünktliche Zusendung der monatlichen Lehreinheiten ...

- ....

- Das Recht zur Teilnahme an drei studienbegleitenden Informationsveranstaltungen:

......

- Absolventen erhalten nach Beendigung des Studiums ein Zertifikat.

- Mitgliedschaft im "Club of the Millionaires": ..."

Die Klägerin zahlte an die Beklagte den Betrag von 4.990 EUR. Sie besuchte eine der begleitenden Informationsveranstaltungen und erhielt hierfür eine Seminarbestätigung, in der ihre Teilnahme an der Veranstaltung dokumentiert wurde.

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung des von ihr geleisteten Entgelts und macht geltend, dass der geschlossene Vertrag nichtig sei, da dieser in den Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes falle und die Beklagte - insoweit unstreitig - die erforderliche Genehmigung für die Durchführung des Fernunterrichts nicht habe. Im Übrigen sei der Vertrag sittenwidrig. Darüber hinaus kündigte sie vorsorglich den Vertrag und focht ihn zusätzlich wegen arglistiger Täuschung an.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 4.990 EUR nebst Zinsen, insoweit Zug um Zug gegen Rückgabe der erhaltenen Lehrmaterialien, sowie 489,45 EUR vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen verurteilt.

Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz auf den hier vorliegenden Vertrag keine Anwendung finde. Die für die Anwendbarkeit erforderliche Lernkontrolle werde im Text der Vereinbarung nicht erwähnt. Den in der Studienanmeldung verwandten Begriffen sei nicht zu entnehmen, dass eine Lernüberwachung geschuldet gewesen sei. Dafür spreche auch der Umstand, dass an keiner Stelle erwähnt werde, in welcher Form und wann eine Lernerfolgskontrolle stattfinden solle. Das im Vertragstext genannte Zertifikat habe lediglich für die Teilnahme an dem Lehrgang ausgestellt werden sollen. Der Vertrag sei auch nicht sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB. Eine arglistige Täuschung liege ebenfalls nicht vor.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB zu, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nach § 7 Abs. 1 des Fernunterrichtschutzgesetzes (FernUSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1670), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I. S. 931), nichtig ist. Die Beklagte hatte für den von ihr angebotenen "Geldlehrgang" nicht die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung.

1.

Der von der Klägerin gebuchte "Geldlehrgang" bei der Beklagten war Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG.

a)

Auf vertraglicher Grundlage war die Beklagte zur entgeltlichen Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet, bei der die Klägerin als Lernende überwiegend räumlich von der Beklagten als Lehrende getrennt war.

b)

Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war eine Überwachung des Lernerfolgs durch die Beklagte oder ihren Beauftragten geschuldet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG).

Die insoweit vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags, aufgrund derer es zum gegenteiligen Ergebnis kommt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. An die Auslegung des Berufungsgerichts ist der Senat bereits deshalb nicht gebunden und kann sie selbst vornehmen, weil es sich um einen von der Beklagten entworfenen Formularvertrag handelt (vgl. BGHZ 163, 321).

aa)

Die vom Gesetz vorgesehene Überwachung des Lernerfolgs ist hinsichtlich ihrer Voraussetzungen im Gesetz nicht näher bestimmt. Unter Berücksichtung der Entstehungsgeschichte der Norm und der Intention des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal jedoch weit auszulegen.

(1)

Der Gesetzgeber wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet sind, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen. Die bislang geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen "Schadens", nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BT-Drucks. 7/4245 S. 12).

(2)

Im Gesetzgebungsverfahren ist der ursprünglich vorgesehene Regierungsentwurf, der eine "wiederholte" und damit mindestens zweimalige Überwachung des Lernerfolgs als Anwendungsvoraussetzung für das Fernunterrichtsgesetz vorsah (§ 1 Abs. 1 FernUSG-Reg-E; BT-Drucks. 7/4245 S. 4, 14), auf Vorschlag des Bundesrates abgeändert worden. Dieser erachtete eine einmalige Überwachung des Lernerfolgs als ausreichend, damit sich ein Anbieter im Hinblick auf dieses Erfordernis dem Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes nicht entziehen können sollte (BT-Drucks. 7/4245 S. 22; 7/4965 S. 7). Weitere Vorschläge zur Einschränkung des Anwendungsbereichs des Fernunterrichtsschutzgesetzes wurden zurückgewiesen, damit nicht derjenige Fernunterricht, der den Anforderungen des Gesetzes nicht genüge, von ihm nicht mehr erfasst werde (BT-Drucks. 7/4965 S. 7).

(3)

Der Gesetzgeber ging selbst bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können (BT-Drucks. 7/4245 S. 14). Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z.B. durch Frage und Antwort, in Betracht (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Oktober 1979 2/1 S 153/79 S. 5). Es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist (Bühler, Fernunterrichtsvertrag und Fernunterrichtsschutzgesetz, 1984, S. 94; Faber/Schade, Fernunterrichtsschutzgesetz, 1980, § 1 Rn. 15; Bartl NJW 1976, 1993, 1994), die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht (Faber/Schade aaO Rn. 16).

(4)

Da nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 FernUSG eine Überwachung des Lernerfolgs nach dem Vertrag vorgesehen sein muss, kommt es für die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes nicht darauf an, ob diese letztlich auch tatsächlich durchgeführt wird (Bühler aaO.; Faber/Schade, aaO., Rn 14 f). Es reicht deshalb aus, dass nach dem Vertrag der Lernende das Recht hat, eine solche einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen.

Insgesamt ist deshalb eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten.

bb)

Ausgehend von diesem Maßstab war aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG geschuldet, da die Klägerin den Anspruch hatte, in den Informationsveranstaltungen eine individuelle Anleitung zu erhalten und Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten zu stellen, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und "sitzt".

Zwar wird das im Vertrag nicht ausdrücklich erwähnt; dies ergibt jedoch die Auslegung des Vertragstextes, wie er aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BGH, Urteil vom 19. Juni 2005 - XII ZR 107/01 - NJW 2005, 1183, 1184).

Bereits die Begriffe "Studium" und "Lehrgang" als Bezeichnung für den Kurs legen es nahe, dass eine Wissensvermittlung stattfindet, die den Teilnehmer weiter qualifiziert. Ein Studium und ein Lehrgang sind untrennbar mit Lernkontrollen verbunden.

Die Teilnehmer werden im Vertragstext auch als "Absolventen" bezeichnet, was üblicher Weise indiziert, dass nicht nur eine bloße Teilnahme, sondern darüber hinaus eine Lernkontrolle stattfindet. Dieser Eindruck wird noch vertieft, indem nach Beendigung des Studiums ein "Zertifikat" erteilt werden soll. Dieses "Zertifikat" lässt beim objektiven Betrachter die Vorstellung entstehen, es handele sich um den Nachweis einer Qualifizierung, die gegenüber Dritten, z.B. bei Bewerbungen, verwendet werden kann, was aber nur dann Gewicht hat, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass das im Unterricht vermittelte Wissen auch tatsächlich erlernt wurde. Dies setzt aber eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Lehrenden vor Erteilung eines solchen "Zertifikats" voraus.

Des Weiteren dienten die begleitenden Informationsveranstaltungen der ausführlichen Vertiefung der schriftlichen Lehreinheiten und sollten vom Autorenteam geleitet werden. Die Formulierung "ausführliche Vertiefung" lässt darauf schließen, dass auf den bisher erlernten Stoff eingegangen wird und durch mündliche Erläuterung die Teilnehmer eine individuelle Anleitung erhalten, jedenfalls aber durch eigene Rückfrage zum Verständnis eine Kontrolle ihres bisherigen Lernerfolges erhalten können. Dieser Eindruck wird dadurch unterstrichen, dass die Informationsveranstaltungen durch das Autorenteam der Lerneinheiten durchgeführt werden und die Informationsveranstaltungen jeweils nach dem Ende von vier Lerneinheiten stattfinden sollten.

2.

Der von der Beklagten angebotene "Geldlehrgang" ist auch nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 3 FernUSG vom Zulassungserfordernis befreit, da er nicht ausschließlich der Freizeitgestaltung oder der Unterhaltung dient.

Dies würde voraussetzen, dass der Lehrgang nicht auch allgemeinbildende oder berufsbildende Inhalte hat (Faber/Schade aaO. § 12 Rn. 18). Allgemeinbildende Kurse sind solche, die weder auf einen Beruf noch auf einen Schulabschluss unmittelbar vorbereiten, sondern lediglich einen bildungsrelevanten Inhalt aufweisen (Bühler aaO S. 10).

Im "Geldlehrgang" der Beklagten werden Grundlagen der Geldwirtschaft erklärt. Dabei handelt es sich um Gegenstände der Allgemeinbildung. In der Schlusserklärung zu der Lehrgangseinheit 02 und den Seminarunterlagen wird von der Beklagten darauf hingewiesen, dass der Lehrgang der persönlichen Weiterbildung diene.

3.

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat nach Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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