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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: III ZR 325/99
Rechtsgebiete: BKleingÄndG


Vorschriften:

BKleingÄndG Art. 3 Satz 1 Nr. 1
BKleingÄndG Art. 3 Satz 1 Nr. 1

a) Rückwirkend erhöhte Pachtzinsen können nicht nur, wie vom Wortlaut der Überleitungsbestimmung nahegelegt wird, ausschließlich ab dem der Rechtshängigkeit folgenden Monat verlangt werden. In verfassungskonformer Auslegung werden auch vor der Rechtshängigkeit liegende Pachtzeiträume erfaßt, wenn sie Streitgegenstand waren und zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Pachtzinsforderung noch nicht verjährt war.

b) Auch ohne förmliche Klageerweiterung(en) können für nach der streitgegenständlich gemachten Pachtzeit liegende Zeiträume erhöhte Pachtzinsen verlangt werden, wenn die Klageerweiterung deshalb unterblieben ist, weil der Pächter auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat.

BGH, Beschluß vom 21. September 2000 - III ZR 325/99 - OLG Hamm LG Paderborn


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 325/99

vom

21. September 2000

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. September 1999 - 30 U 106/88 - wird nicht angenommen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 128.184,40 DM nebst 4 % Zinsen aus 20.509,68 DM seit dem 6. Januar 1988 und aus weiteren 66.656,46 DM seit dem 26. August 1996 verurteilt worden ist; im übrigen wird die Revision angenommen.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat jedoch, soweit die beklagte Stadt zur Zahlung erhöhten Pachtzinses für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1983 verurteilt worden ist (17.091,40 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 18. März 1999), Aussicht auf Erfolg.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 23. September 1992 (BVerfGE 87, 114) die in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG in der ursprünglichen Fassung vom 28. Februar 1983 (BGBl. I S. 210) vorgeschriebene Begrenzung des Höchstpreises auf den doppelten Betrag des ortsüblichen Pachtzinses im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erklärt hatte, hat der Gesetzgeber durch das am 1. Mai 1994 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes (BKleingÄndG) vom 8. April 1994 (BGBl. I S. 766) Abhilfe geschaffen. § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG wurde dahin geändert, daß der Höchstpachtzins den vierfachen Betrag des ortsüblichen Pachtzinses im erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau beträgt. Die Verdoppelung des Höchstpachtzinses durch § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F. hat insbesondere auch mit Rücksicht darauf, daß der Eigentümer nach § 5 Abs. 5 BKleingG n.F. vom Pächter Erstattung der öffentlich-rechtlichen Grundstückslasten verlangen kann, dazu geführt, daß der Eigentümer im Gegensatz zur früheren Regelung nicht mehr unverhältnismäßig belastet wird (BVerfG, Kammerbeschluß vom 25. Februar 1998 - 1 BvR 207/97 - NJW-RR 1998, 1166 f; Senatsurteil vom 12. November 1998 - III ZR 87/98 - NJW-RR 1999, 237, 238). Für "Altfälle" bestimmt die Überleitungsregelung des Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG, daß private Verpächter im Falle am 1. November 1992 nicht bestandskräftig entschiedener Rechtsstreitigkeiten über die Höhe des Pachtzinses rückwirkend vom ersten Tage des auf die Rechtshängigkeit folgenden Monats den nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F. zulässigen Höchstpachtzins verlangen können.

1. Da über die am 22. Dezember 1987 beim Landgericht eingereichte und durch Zustellung der Klageschrift an die Beklagte am 6. Januar 1988 erhobene Klage am Stichtag 1. November 1992 noch nicht bestandskräftig entschieden war, sind die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG erfüllt. Aufgrund dessen können, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, die Kläger von der Beklagten den erhöhten Pachtzins (auch) für die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis zum 31. Dezember 1987 verlangen. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revision unschädlich, daß die ursprüngliche Klage allein das bei Einreichung und Zustellung der Klageschrift schon abgelaufene Pachtjahr 1983/1984 betroffen hat und die Erweiterung der Klage (auch) auf die folgenden Pachtjahre erst nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes erfolgt ist.

a) Anders, als es der Wortlaut der Vorschrift nahelegt, ist Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG nicht dahin auszulegen, daß Pachtzinserhöhungen für vor der Klageerhebung liegende Zeiträume schlechthin ausgeschlossen sind.

aa) Der Verpächter kleingärtnerisch genutzter Grundstücke, der - wie hier die Kläger - die in § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. enthaltene Pachtzinsbegrenzung für verfassungswidrig erachtete, war vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich gehalten, zunächst den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu beschreiten. Eine naheliegende - und hier ebenfalls wahrgenommene - Möglichkeit war dabei die, daß ein Verpächter unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der Pachtzinsbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. einen höheren Pachtzins verlangte. Dabei konnte und durfte ein Verpächter davon ausgehen, das zur Wahrung seiner verfassungswidrig beschnittenen Eigentümerposition Erforderliche getan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung Zahlungsklage erhoben hatte. So lag der Fall hier: Da aufgrund der vertraglichen Abreden für ein vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres dauerndes Pachtjahr die Pacht bis zum 31. August (des Folgejahres) zu zahlen ist, wäre die Pachtzinsforderung für das Pachtjahr 1983/1984 gemäß §§ 197, 198 Satz 1, 201 BGB erst mit Ablauf des 31. Dezember 1988 verjährt gewesen. Die im Januar 1988 erhobene Klage hatte daher gemäß § 209 Abs. 1 BGB die Verjährung unterbrochen.

Zu einer anderen Vorgehensweise mußte sich ein Verpächter insbesondere auch nicht durch § 5 Abs. 3 BKleingG veranlaßt sehen. Liegt der vereinbarte Pachtzins unter der gesetzlich zulässigen Höchstpacht, so kann der Verpächter nach dieser Bestimmung durch ein schriftliches, frühestens für den folgenden Zahlungszeitraum wirksam werdendes Erhöhungsverlangen eine Anhebung des Pachtzinses erreichen. Da indes diese Formvorschrift auf die materielle Pachtzinsbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG zugeschnitten ist, bestand auch unter Berücksichtigung der Pächterinteressen für einen Verpächter, der - wie sich aufgrund der Entscheidung BVerfGE 87, 114 herausgestellt hat, zu Recht - die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. für verfassungswidrig und deshalb für unanwendbar bzw. nichtig gehalten hatte, kein Anlaß, bei einer etwaigen "übergesetzlichen Erhöhungsklage" nach § 5 Abs. 3 BKleingG zu verfahren (eingehend zu dieser Frage Senatsurteil vom 6. Februar 1997 - III ZR 141/96 - NJW 1997, 3374, 3375 f).

bb) Bei dieser Sachlage würde die offenbar nur die Fälle einer Erhöhungsklage für gerade erst begonnene oder künftige Pachtjahre in den Blick nehmende Überleitungsvorschrift des Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG bei wortlautgetreuer Auslegung - rückwirkend erhöhte Pachtzinsen nur ab dem der Rechtshängigkeit folgenden Monat - dazu führen, daß bei Leistungsklagen, die - wie hier - "guten Glaubens" (auch) bezüglich vergangener Zeiträume erhoben worden sind, erhebliche Anspruchskürzungen bis zum völligen Anspruchsausschluß eintreten könnten. Damit würde aber das von der Verfassung vorgegebene, dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auferlegte (vgl. BVerfGE 87, 114, 151) und von diesem auch mit der Überleitungsregelung des Art. 3 BKleingÄndG verfolgte (vgl. BT-Drucks. 12/6154 S. 6, 10) Ziel, bei rechtshängig gemachten Pachtzinsstreitigkeiten rückwirkend verfassungsgemäße Zustände herzustellen, in nicht unerheblichem Umfange verfehlt. Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, daß er auch auf Leistungsklagen bzw. Klageerweiterungen für zurückliegende Pachtzeiträume anzuwenden ist; lediglich bei der Berechnung der Prozeßzinsen bleibt der erste Tag des auf die Rechtshängigkeit folgenden Monats maßgeblich (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 5. Februar 1999 - 1 BvR 709/95 - NJW-RR 1999, 889; und vom 16. Februar 1999 - 1 BvR 938/97 - unveröffentlicht).

b) Ist - wie hier - eine Rechtsstreitigkeit über die Höhe des Pachtzinses am 1. November 1992 nicht bestandskräftig entschieden, so ist eine rückwirkende Erhöhung des Pachtzinses hinsichtlich des ganzen von dem Rechtsstreit erfaßten Zeitraums möglich. Das ist vorliegend die gesamte Pachtzeit ab dem Beginn des Pachtjahres 1983/1984. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revision unschädlich, daß die Kläger zum Stichtag 1. November 1992 nicht auch den Pachtzins für die folgenden Pachtjahre durch förmliche Klageerweiterungen in den Rechtsstreit einbezogen hatten.

Die Kläger, die die Pachtzinsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. für verfassungswidrig erachteten, haben von Beginn des Rechtsstreits an keinen Zweifel daran gelassen, daß ihnen - wie folgerichtig - auch für die Pachtjahre 1984/1985 und nachfolgend ein erhöhter Pachtzins zusteht. Wenn sie es gleichwohl unterlassen haben, ihre Zahlungsklage entsprechend dem Zeitablauf jeweils zu erweitern, so lag dem ersichtlich das Bestreben zugrunde, die angesichts der "Unwägbarkeiten" hinsichtlich der zu entscheidenden Rechtsfrage (Verstoß des § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG a.F. gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und der zu erwartenden Verfahrensdauer beim Bundesverfassungsgericht nicht unerheblichen Kostenrisiken gering zu halten. Mit dieser auch und gerade in ihrem eigenen Interesse liegenden Verfahrensweise war die Beklagte einverstanden, wie der jeweils am Jahresende erklärte Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung belegt.

Hatte aber ein klagender Verpächter im Einvernehmen mit seinem Prozeßgegner im Wege der offenen Teilklage - also unter ausdrücklichem Vorbehalt bzw. Ankündigung einer Klageerweiterung auf die späteren Pachtjahre und bei ausdrücklich erklärtem Verzicht der Gegenseite auf die Einrede der Verjährung - nur für ein bestimmtes Pachtjahr den erhöhten Pachtzins rechtshängig gemacht, so konnte und durfte er darauf vertrauen, daß ihm bei einer späteren gesetzlichen "Altfallregelung" ein solches "objektiv vernünftiges" Prozeßgebaren nicht zum Nachteil gereicht.

Daher ist bei einer derartigen Fallkonstellation Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG dahin auszulegen, daß ein Verpächter auch hinsichtlich der nicht durch vorherige förmliche Klageerweiterungen im strengen Sinne streitgegenständlich gewordenen späteren Zeiträume rückwirkend erhöhte Zinsen verlangen kann.

Dies entsprach im übrigen auch der ursprünglichen Rechtsauffassung der Beklagten, die ungeachtet der fehlenden Rechtshängigkeit im Mai/Juni 1994 die sich für das Pachtjahr 1987/1988 anteilig vom 1. Januar 1988 an (ersichtlich mit Rücksicht darauf, daß die das Pachtjahr 1983/1984 betreffende Zahlungsklage am 6. Januar 1988 rechtshängig geworden war) und für die folgenden Pachtjahre (bis zum Pachtjahr 1992/1993) nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BKleingG n.F. ergebenden Pachtzinsen in Höhe von (weiteren) 117.930,66 DM (nach-)gezahlt hatte.

Erst später hat sie sich eines anderen besonnen und Rückzahlung dieses Betrages verlangt.

c) Da sich der Nachzahlungsanspruch der Kläger unmittelbar aus Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG ergibt, geht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung schon deshalb ins Leere, weil der gesetzliche Pachtzinserhöhungsanspruch nicht vor dem 1. Mai 1994, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Bundeskleingartengesetzes, entstehen konnte.

2. Soweit die Kläger, denen das Berufungsgericht auch insoweit gefolgt ist, durch klageerweiternden Schriftsatz vom 10. März 1999 unter Bezug auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 1999 (1 BvR 938/97) darüber hinaus Zahlung erhöhten Pachtzinses für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 30. September 1983 begehrt haben (Teil des Pachtjahres 1982/1983, der in den zeitlichen Geltungsbereich des Bundeskleingartengesetzes fällt), beruht dies auf einem Mißverständnis dieses Beschlusses. Auch wenn der zeitliche Anwendungsbereich des Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG bis zum Tag des Inkrafttretens des Bundeskleingartengesetzes zurückreichen kann (so schon Senatsurteile vom 12. November 1998 aaO S. 237 und vom 6. Februar 1997 aaO S. 3376), so ist doch die Frage, ob das auch im zu entscheidenden Fall so ist, nach den Gegebenheiten der in Rede stehenden Pachtzinsstreitigkeit zu beantworten. Der danach individuell vorgegebene zeitliche Rahmen darf - ungeachtet der aufgezeigten Möglichkeiten einer (verfassungskonform) erweiternden Auslegung der Überleitungsbestimmung des Art. 3 Satz 1 Nr. 1 BKleingÄndG - nicht verlassen werden.

Da der Pachtzins für das (Rest-)Pachtjahr 1982/1983 bis zum Stichtag 1. November 1992 bzw. bis zum 1. Mai 1994 nicht in Streit gestanden hatte, können die Kläger insoweit keinen erhöhten Pachtzins verlangen.

Ende der Entscheidung

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