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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: III ZR 330/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 455
Zum Anspruch des Sicherungsnehmers (Darlehensgebers) gegen den Vorbehaltsverkäufer (Warenlieferanten) auf Auskehrung des aus der Verwertung von Sicherheiten erzielten Übererlöses.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 330/00

Verkündet am: 16. Mai 2002

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2002 durch die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. Februar 2000 (statt 11. Januar 2000) aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Übererlös aus der Verwertung von Sicherheiten.

Die klagende Kreissparkasse gewährte dem Einzelhändler Sch. für seine beiden Einkaufsmärkte in Sch. und M. in laufender Rechnung Kredit. Mit Vertrag "Raumsicherungsübertragung Waren" vom 14. August/26. Oktober 1995 übereignete Sch. der Klägerin zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen die in beiden Läden vorhandenen sowie die später einzubringenden Waren. Forderungen aus dem Weiterverkauf der Waren wurden nach näherer Bestimmung in Nr. 5 an die Klägerin abgetreten. Gemäß einem weiteren Vertrag "Sicherungsübereignung Sachen" vom 14. September/24. Oktober 1995 übereignete Sch. der Klägerin ferner zur Absicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen das gesamte Inventar des Geschäftes Sch. . Im Falle einer Verwertung des Sicherungsguts verpflichtete er sich, das Erlangte an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte war Lieferantin des Kaufmanns Sch. , von der er unter Eigentumsvorbehalt auch die Ladeneinrichtungen erworben hatte. Den Warenlieferungen lag nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ein verlängerter Eigentumsvorbehalt zugrunde.

Ende Dezember 1995 mußte Sch. wegen Vermögensverfalls seine Einkaufsmärkte aufgeben. Er verkaufte sie durch Vermittlung der Beklagten zu einem Preis von insgesamt 449.342,34 DM. Die Beklagte zog den Kaufpreis ein und verrechnete ihn mit eigenen Forderungen gegen Sch. in Höhe von 185.881,05 DM. Den Überschuß von 263.461,29 DM zahlte sie, nachdem Sch. die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens beantragt und das Amtsgericht am 9. Februar 1996 die Sequestration seines Vermögens angeordnet hatte, in zwei Teilbeträgen am 15. März und 17. Juni 1996 an den Streithelfer der Beklagten als Sequester. Am 4. Oktober 1996 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Sch. eröffnet und der Streithelfer zum Verwalter bestellt. Die Klägerin hat in diesem Verfahren eine nicht bestrittene Forderung von 482.771,56 DM angemeldet.

Im vorliegenden Rechtsstreit beansprucht die Klägerin von der Beklagten den Übererlös in Höhe von 263.461,29 DM. Sie hat behauptet, die Parteien hätten am 5. Dezember 1995 vereinbart, daß der Restkaufpreis aus der Geschäftsveräußerung an sie fließen sollte. Das habe ihr die Beklagte nochmals in zwei Telefonaten vom 8. und 16. Januar 1996 zugesichert. In diesen Gesprächen sei die Beklagte auch über die Sicherungsübereignungen und die Forderungsabtretungen zugunsten der Klägerin unterrichtet worden; mit Schreiben vom 5. Februar 1996 habe sie der Beklagten außerdem ihre Verträge mit Sch. übersandt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte. Die von der Klägerin behauptete Vereinbarung sei als Auftrag im Sinne des § 662 BGB zu qualifizieren, da die Beklagte sich dann der Klägerin gegenüber verpflichtet hätte, in deren Interesse den Kaufpreis auch insoweit einzuziehen, als er ihre eigenen Forderungen gegen den Gemeinschuldner überstieg, und den Überschuß an die Klägerin auszukehren. Durch eine möglicherweise weisungswidrige Auszahlung an den Sequester sei der Klägerin indes kein Schaden entstanden. Habe ihr aufgrund von Vorausabtretungen das alleinige Forderungsrecht an dem an den Sequester gezahlten Anteil des Verkaufserlöses zugestanden, könne sie gemäß § 12 Abs. 1 GesO vom Gesamtvollstreckungsverwalter Aussonderung verlangen. Sei sie hingegen nicht Forderungsinhaberin geworden, fehle es bereits deshalb an einem Vermögensverlust.

Ein Zahlungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 816 Abs. 1 BGB. Die Einziehung von Forderungen sei keine Verfügung im Sinne dieser Bestimmung. Ebensowenig habe die Beklagte über das Inventar und die Waren als Nichtberechtigte verfügt, da sie Vorbehaltseigentümerin gewesen sei. Außerdem sei nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte dabei überhaupt selbst verfügt oder an Verfügungen mitgewirkt habe. Die Beklagte habe im übrigen den herausverlangten Erlösanteil nicht erlangt, sondern nur für Sch. eingezogen, so daß der Erlös keinen Eingang in ihr Vermögen gefunden habe; sie habe bei alledem auch im Einverständnis mit der Klägerin gehandelt.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in mehreren Punkten nicht stand.

1. Die Revision hält die Auslegung der von der Klägerin behaupteten Absprache zwischen den Parteien als Auftrag für zutreffend und rügt auf dieser Grundlage, der Klägerin stehe ein vom Berufungsgericht nicht geprüfter Herausgabeanspruch nach § 667 BGB zu. Das ist richtig. Hatte die Klägerin, wie zu ihren Gunsten für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, die Beklagte mit der (teilweisen) Einziehung der Forderungen aus dem Verkauf der Einzelhandelsmärkte und der Auskehrung des Übererlöses beauftragt, so hatte sie gemäß § 667 BGB Anspruch auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten. Hierzu gehörte der von der Beklagten eingezogene und von ihr nicht zur Erfüllung eigener Forderungen benötigte Kaufpreis. Die Abführung dieses Mehrbetrags an den Sequester entlastet die Beklagte insofern nicht. Die Verpflichtung des Beauftragten zur Herausgabe des Erlangten ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine gewöhnliche Geldschuld und kann daher, wenn der Beauftragte über den empfangenen Betrag anderweitig verfügt, wegen nachträglicher Unmöglichkeit entfallen (vgl. BGHZ 143, 373, 378 ff. = JZ 2001, 254, 256 m. Anm. Beuthien/Hieke). Ob diese Voraussetzung hier vorliegt, kann dahinstehen. Jedenfalls spricht nichts dafür, daß die Beklagte - unabhängig von der Frage, inwieweit auf diesen Anspruch § 279 BGB a.F. anzuwenden wäre (dazu BGHZ 143 aaO und Beuthien/Hieke aaO) - eine derartige Unmöglichkeit nicht zu vertreten hätte (§§ 280 Abs. 1, 282 BGB a.F.). Auf die vom Berufungsgericht behandelte Frage, ob die Klägerin infolge der weisungswidrigen Auszahlung an den Sequester einen Vermögensschaden erlitten hat, kommt es nicht an.

2. Ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings einen konkurrierenden bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch aus § 816 BGB verneint. Die Beklagte war, sollte sie selbst über den Warenbestand und das Inventar der beiden Ladengeschäfte verfügt haben, zur Veräußerung berechtigt (Abs. 1), da, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, ihr Vorbehaltseigentum dem Anwartschaftsrecht der Klägerin aus den Sicherungsübereignungen vorging. Entgegen der Revision war die Klägerin auch nicht Gläubigerin der von der Beklagten eingezogenen Kaufpreisforderung und somit auch nicht Berechtigte im Sinne des § 816 Abs. 2 BGB. Ziff. 8.2 Abs. 3 Satz 2 des Vertrags "Sicherungsübereignung Sachen" vom 14. September/25. Oktober 1995, auf den die Revision sich beruft, enthält keine Abtretung der Ansprüche auf den Veräußerungserlös, sondern begründet lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch der Sparkasse gegen den Sicherungsgeber auf Herausgabe des aus der Verwertung Erlangten. Soweit es um den Warenbestand geht, sollten gemäß Ziff. 5.1 Satz 2 der "Raumsicherungsübertragung Waren" Forderungen, die dem verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten unterlagen, der Sparkasse erst mit dem Zeitpunkt abgetreten sein, in dem sie nicht mehr von dem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfaßt waren. Diese Bedingung war aber bis zur Zahlung des Käufers an die Beklagte nicht eingetreten, ungeachtet dessen, daß sich zu diesem Stichtag eine Übersicherung der Beklagten herausstellte (vgl. zur Übersicherung BGHZ [GSZ] 137, 212, 218 ff.).

3. Die Revision rügt indessen weiter mit Recht, daß die Klage - teilweise - auch aus einem von Sch. an die Klägerin abgetretenen Freigabeanspruch gegen die Beklagte begründet sein kann.

a) In Ziff. 5.1 Satz 4 der "Raumsicherungsübertragung Waren" hatte der Sicherungsgeber bezüglich der einem verlängerten Eigentumsvorbehalt unterliegenden Forderungen seine gegen den Lieferanten gerichteten Ansprüche auf Übertragung (Freigabe) dieser Forderungen im voraus an die Sparkasse abgetreten. Demzufolge konnte die Klägerin nach dem Verkauf der Ladengeschäfte zunächst Abtretung des auf den Warenbestand entfallenden Teils der Kaufpreisforderungen verlangen, soweit er die Restansprüche der Beklagten gegen Sch. überstieg. Nach der Einziehung dieser Forderungen trat an die Stelle einer nicht mehr möglichen Abtretung ein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Geldbetrags (§ 281 BGB a.F.). Dasselbe würde gelten, wenn der Käufer, wie die Revisionserwiderung geltend macht, den Kaufpreis bar gezahlt hätte. Aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen für den Verkauf der Einzelhandelsmärkte lassen sich Teilkaufpreise für den Warenbestand in Höhe von 156.809,64 DM (M. ) und 80.375,22 DM (Sch. ) ersehen, zusammen (netto) 237.184,86 DM.

b) Die von der Beklagten gegen Sch. geltend gemachten Forderungen in Höhe von 185.881,05 DM sind von diesem Teilbetrag nicht abzusetzen. Mangels vertraglicher Regelung einer Anrechnung von Sicherheitserlösen auf verschieden gesicherte Forderungen findet § 366 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung (RGZ 144, 206, 211; BGH, Urteil vom 29. April 1997 - XI ZR 176/96, NJW 1997, 2514, 2516). Unter mehreren fälligen, unterschiedlich gesicherten Schulden wird danach zunächst diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, getilgt. Im Streitfall war dies der auf Einrichtungen, Einbauten und sonstige Betriebsmittel entfallende Teilkaufpreis in Höhe von 76.502 DM (M. ) und 140.199 DM (Sch. ), insgesamt (netto) 216.701 DM; denn insoweit war die Beklagte, weil hinsichtlich des Inventars nur ein einfacher Eigentumsvorbehalt vereinbart war, nach der Veräußerung des Inventars ungesichert. Dieser Teilbetrag allein reicht aus, um alle Restansprüche der Beklagten gegen Sch. abzudecken.

c) Das am 9. Februar 1996 vom Amtsgericht St. erlassene allgemeine Verfügungsverbot gegen Sch. ist im Verhältnis der Parteien ohne Belang. Bereits mit der Einziehung der Kaufpreisforderungen durch die Beklagte im Januar 1996 und ihrer damit einhergehenden vollständigen Befriedigung war der an die Klägerin vorausabgetretene Freigabeanspruch des nachmaligen Gemeinschuldners entstanden und spätestens zu diesem Zeitpunkt aus dessen Vermögen ausgeschieden. Daher konnte er durch das anschließende Veräußerungsverbot nicht mehr erfaßt werden.

d) Auf der Grundlage des Klagevorbringens, von dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren hier gleichfalls auszugehen ist, muß die Klägerin auch insoweit die Zahlung der Beklagten an den Sequester nicht gegen sich - als Erfüllung (§ 407 Abs. 1 BGB) - gelten lassen. Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Beklagte schon vor der Weiterleitung des Mehrerlöses an den Sequester am 15. März und 17. Juni 1996 über ihre Sicherungsrechte vollständig unterrichtet und ihr auch die zugrunde liegenden Verträge übersandt. Bei dieser Sachlage hätte die Beklagte aber die Abtretung der Freigabeansprüche ihres Abnehmers an die Klägerin gekannt.

III.

Demnach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die fehlenden Feststellungen nachholen kann.

Ende der Entscheidung

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