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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: III ZR 44/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 676
Der Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten, dem er zur Eingehung einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Marktes nur eingeschränkt möglich ist.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

III ZR 44/06

Verkündet am: 18. Januar 2007

in dem Rechtsstreit

Einspruch eingegangen am 14.02.2007

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht seines Bruders den Beklagten als Anlageberater auf Schadensersatz in Anspruch.

Im November 1993 nahm der Beklagte auf Empfehlung eines Bekannten des Zedenten mit diesem telefonisch Kontakt wegen einer zusätzlichen Altersvorsorge auf. Aufgrund der anschließend geführten Gespräche empfahl der Beklagte eine Beteiligung an der "N. Fonds Nr. ..., N. L. , W. , H. , KG", einem geschlossenen Immobilienfonds. Der Zedent entschloss sich daraufhin zu einer Kommanditeinlage von 120.000 DM, die er neben Zahlung eines Agios absprachegemäß in Höhe von 60.000 DM erbrachte. 30.000 DM zahlte er aus Eigenmitteln. Die verbleibenden 30.000 DM finanzierte er durch ein Darlehen.

Ab Ende 1997 reduzierten sich die Einnahmen aus dem Fonds, da der Hauptpächter der Immobilie nicht mehr regelmäßig zahlte. Seit 1998 erfolgen keine Ausschüttungen mehr. Im Sommer 2004 forderte die Immobilienverwaltungsgesellschaft den Zedenten zu weiteren Zahlungen auf die Kommanditeinlage auf.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe den Zedenten falsch beraten. Hierzu hat er unter anderem behauptet, der Beklagte habe dem Zedenten auf entsprechende Nachfrage versichert, die Anteile an dem geschlossenen Immobilienfonds könnten jederzeit wie Aktien verkauft werden. Der Beklagte hat demgegenüber behauptet, die Frage der Handelbarkeit der Anteile an der Immobilien-KG sei überhaupt nicht erörtert worden.

Der Kläger hat mit seiner Klage verlangt, den Beklagten zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt 29.905,93 € Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils des Zedenten an der Kommanditgesellschaft zu verurteilen und festzustellen, dass der Beklagte - ebenfalls Zug um Zug gegen Übertragung des Kommanditgesellschaftsanteils - verpflichtet ist, weitere Schäden zu ersetzen, und dass er sich mit der Annahme des Anteils in Verzug befindet. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Über sie ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Beratungsfehler des Beklagten ließen sich nicht feststellen. Insbesondere habe sich nicht bestätigt, dass der Zedent nachgefragt habe, ob und wie sich die KG-Beteiligung wieder veräußern lasse. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass dieser Punkt in den Beratungsgesprächen berührt worden sei. Zu einem unerfragten Hinweis auf die eingeschränkte Handelbarkeit von KG-Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds sei ein Anlageberater jedoch nicht verpflichtet. Dies sei allenfalls anzunehmen, wenn die Verfügbarkeit des investierten Geldes in einem absehbaren Zeitraum von Bedeutung gewesen wäre. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da der Zedent eine Altersvorsorge habe erwerben wollen und er beim Eintritt in die Kommanditgesellschaft noch nicht 40 Jahre alt gewesen sei. Die Beteiligten hätten deshalb von einer noch jahrzehntelangen Berufstätigkeit des Zedenten ausgehen können.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auch auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auszuschließen.

1. Die Vorinstanzen haben den Beklagten nicht als bloßen Anlagevermittler, sondern als Anlageberater angesehen. Diese Würdigung nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie ist auch - auf der Grundlage eines zwischen den Parteien zumindest stillschweigend geschlossenen Vertrags - von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

2. Ein Anlageberater unterliegt grundsätzlich weiterreichenden Pflichten als ein Anlagevermittler (vgl. z.B.: Senatsurteil vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92 -NJW-RR 1993, 1114 f, ferner auch Senatsurteil vom 27. Oktober 2005 - III ZR 71/05 - NJW-RR 2006, 109, Rn. 14). Von einem Anlageberater kann der Interessent nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung erwarten. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitgehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (Senatsurteil vom 13. Mai 1993 aaO S. 1114 m.w.N.; s. ferner BGHZ 123, 126, 128 f), wobei die konkrete Ausgestaltung der Pflicht entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Senat aaO; BGHZ aaO S. 128). In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGHZ aaO S. 129, vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02 - NJW 2004, 1868, 1869). Denn nur aufgrund von Informationen, die ein zutreffendes aktuelles Bild der empfohlenen Anlage bieten, kann der Interessent eine sachgerechte Anlageentscheidung treffen (BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 aaO).

a) Die Frage, ob die begrenzte Möglichkeit, "gebrauchte" Kommanditanteile an geschlossenen Immobilienfonds weiterzuverkaufen, eine Eigenschaft ist, über die der Anlageberater auch ohne entsprechende Anfrage des Interessenten aufzuklären hat, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 30. März 2006 - I-6 U 84/05 - juris Rn. 25) hält wohl einen unerfragten Hinweis des Anlageberaters auf die "geringe Fungibilität" des Kommanditanteils gerade auch dann für notwendig, wenn die Anlage der Altersversorgung dienen soll. Die Urteile des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLGR 2006, 780, 782) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. August 2005 (17 U 7/05 - juris Rn. 112 f = OLGR 2005, 886 ff insoweit dort nicht abgedruckt), die sich gleichfalls mit Hinweispflichten gegenüber Anlageinteressenten im Zusammenhang mit der Handelbarkeit solcher Kommanditanteile befassen, sind insoweit nicht eindeutig, da sie nicht ganz vergleichbare Sachverhalte betreffen.

Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Naumburg (Beschluss vom 30. August 2005 - 2 W 21/04 - juris Rn. 39), ebenso wie das Berufungsgericht in der vorliegenden Sache, eine solche Hinweispflicht verneint. Allerdings bezieht sich die Entscheidung auf einen Anlagevermittler, so dass sie nicht ohne weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar ist.

b) In der Literatur (z.B.: Thiel, Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, § 2 S. 36 f; Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 8. Aufl., Rn. 381c) gibt es Stimmen, die die grundsätzliche Pflicht des Anlageberaters zu einer ungefragten Aufklärung über die eingeschränkte Handelbarkeit von KG-Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds bejahen.

c) Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Pflicht zur Aufklärung über diesen Umstand noch nicht entschieden. Das Urteil des II. Zivilsenats vom 9. Oktober 1989 (II ZR 257/88 - NJW-RR 1990, 229 f) betraf einen Fall, in dem der Berater wusste, dass der Anleger nicht an einer langfristigen Kapitalanlage interessiert war, und gleichwohl den unzutreffenden Eindruck einer leichten Wiederverkäuflichkeit aktiv förderte (ähnlich der Sachverhalt in BGHZ 167, 239 249, Rn. 26).

3. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls der Anlageberater grundsätzlich gehalten ist, den Anlageinteressenten, dem er zur Eingehung einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Marktes nur eingeschränkt möglich ist. Die praktisch fehlende Aussicht, eine KG-Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Konditionen verkaufen zu können, ist ein Umstand, der für den durchschnittlichen Anleger für seine Anlageentscheidung von erheblicher Bedeutung ist. Die Bedingungen, zu denen ein Anleger auch auf langfristig festgelegtes Geld vorzeitig zurückgreifen kann, sind typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung. Dies gilt auch für Anlagen, die der Alterssicherung dienen sollen. Auch in diesen Fällen kann ein vorzeitiges Bedürfnis entstehen, die festgelegten Vermögenswerte liquide zu machen, wie etwa bei Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, krankheitsbedingtem Verlust der Erwerbsfähigkeit oder auch nur einer Änderung der Anlageziele.

Die Pflicht zur ungefragten Aufklärung über die eingeschränkte Fungibilität von KG-Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds kann allerdings entfallen, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Weiterveräußerung für den Anleger erkennbar ohne Belang ist. Im vorliegenden Fall sind aber, abgesehen von dem allein nicht durchgreifenden Aspekt des Altersvorsorgezwecks der Anlage, Umstände, die hierfür sprechen könnten, bislang nicht vorgetragen, so dass nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand von einer Pflichtverletzung des Beklagten auszugehen ist. Die persönliche Aufklärungspflicht des Anlageberaters kann ferner entfallen, wenn, was hier aber nicht der Fall ist, die entsprechende Belehrung in einem Prospekt enthalten ist und der Berater davon ausgehen darf, dass der Kunde diesen gelesen und verstanden hat und gegebenenfalls von sich aus Nachfragen stellt.

4. Das Verschulden des Auskunftsverpflichteten wird vermutet (§ 282 BGB a.F.; jetzt: § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

5. Es ist weiter davon auszugehen, dass der Zedent, dessen berufliche und finanzielle Zukunft, wie die Revision geltend macht, im Zeitpunkt der Anlageentscheidung ungewiss war, bei Aufklärung über die mangelnde Handelbarkeit des Kommanditanteils sich nicht zu dieser Investition entschlossen hätte.

6. Der Senat kann die Sache selbst noch nicht abschließend entscheiden, so dass sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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