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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: III ZR 60/02
Rechtsgebiete: BPflV


Vorschriften:

BPflV § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz
Die Wahlleistungsentgeltregelung eines Krankenhausträgers, wonach bei Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer sowohl für den Aufnahmetag als auch für den Entlassungs- oder Verlegungstag das volle Zusatzentgelt zu zahlen ist, ist unangemessen hoch im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz BPflV.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 60/02

vom

31. Oktober 2002

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Dörr

beschlossen:

Tenor:

Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 16. Januar 2002 - 8 O 216/99 - wird nicht angenommen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 85.000 €

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr (§ 554 b ZPO a.F.). Der klagende Verband der privaten Krankenversicherung e.V. und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben mittlerweile eine Gemeinsame Empfehlung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 4 BPflV zur Bemessung der Entgelte für die Wahlleistung Unterkunft ausgesprochen, wonach (Ziffer 7 der Allgemeinen Regelung) der Entlassungstag nicht berechnet wird. Es steht zu erwarten, daß die Träger von Krankenhäusern künftig bei der Festlegung ihre Wahlleistungsentgelte dieser Gemeinsamen Empfehlung, die im Rahmen der Angemessenheitsprüfung eines Wahlleistungsentgelts eine wesentliche Entscheidungshilfe darstellt (Senatsurteil BGHZ 145, 66, 79), Rechnung tragen.

Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

I.

Die Beklagte ist Trägerin dreier Krankenhäuser. Sie bietet ihren Patienten unter anderem die Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer als Wahlleistung an. Macht ein Patient von diesem Angebot Gebrauch, so wird nach dem Pflegekostentarif der Beklagten das Wahlleistungsentgelt Unterbringung nicht nur - wie bei den tagesgleichen Pflegesätzen - für den Aufnahmetag und jeden weiteren (vollen) Tag des Krankenhausaufenthalts berechnet, sondern auch für den Entlassungs- oder Verlegungstag.

Der Kläger, der in dieser Abrechnungsweise einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz BPflV sieht, verlangt von der Beklagten, daß diese mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 den Aufnahmetag einerseits und den Entlassungs- oder Verlegungstag andererseits nur einmal berechnet. Das Landgericht hat diesem Begehren entsprochen. Mit der Sprungrevision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

II.

1. § 22 Abs. 1 Satz 5 BPflV gibt dem Kläger, wenn und soweit der Träger eines Krankenhauses ein unangemessen hohes Entgelt für nichtärztliche Wahlleistungen verlangt, wozu insbesondere die Wahlleistung Unterbringung gehört, einen materiellrechtlichen Anspruch auf Entgeltherabsetzung (Senatsurteil BGHZ 145, 66, 68 f).

Dieser Anspruch kann, entgegen der Auffassung der Revision, nicht nur die Höhe des für die Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer verlangten (Tages-)Entgelts erfassen. Auch eine Klausel, nach der das gesondert berechenbare Entgelt für diese Wahlleistung sowohl für den Aufnahme- als auch für den Entlassungstag voll zu veranschlagen ist, regelt die Art und den Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar; sie ist daher eine Preisregelung, die ohne weiteres dem Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 3 und 5 BPflV unterfällt (vgl. Senatsbeschluß vom 24. September 1998 - III ZR 219/97 - NJW 1999, 864 f).

2. Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Unangemessenheit der streitigen Pflegekostentarifregelung der Beklagten entscheidend darauf abgestellt, daß danach bei der Wahlleistung Unterbringung der Entlassungs- oder Verlegungstag voll in Ansatz gebracht wird, während dieser Tag bei den tagesgleichen Pflegesätzen im Sinne des § 13 Abs. 1 BPflV (insbesondere Basispflegesatz und Abteilungspflegesätze) nicht berechnet wird. Indes führt die unterschiedliche Behandlung des Entlassungs- und Verlegungstages für sich genommen noch nicht zwingend die Unangemessenheit der Wahlleistungsentgeltregelung herbei.

§ 14 Abs. 2 Satz 1 BPflV, wonach der Entlassungs- oder Verlegungstag grundsätzlich (Ausnahme: teilstationäre Behandlung) nicht berechnet werden darf, gilt unmittelbar nur für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen in Form tagesgleicher Pflegesätze (§ 10 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 BPflV) und nicht (auch) für das Wahlleistungsentgelt nach § 22 BPflV. Dies ändert freilich nichts daran, daß, wie sich aus der in § 22 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz BPflV enthaltenen Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 BPflV ergibt, die Höhe des Wahlleistungsentgelts Unterkunft an den Basispflegesatz "angekoppelt" ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 145, 66,80 f). Infolgedessen kommt, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 BPflV, in der in pauschalierender Weise dem Umstand Rechnung getragen wird, daß das Krankenhaus seine Leistungen nicht jeweils am Aufnahme- und Entlassungstag in vollem Umfange erbringt, jedenfalls eine Indizwirkung bei der Beantwortung der Frage zu, wie die an diesen Tagen vom Krankenhaus erbrachten Pflege- und Unterkunftsleistungen im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung angemessen zu vergüten sind.

3. Aufgrund des Vorbringens der Beklagten ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon auszugehen, daß am Aufnahme- und Entlassungstag hinsichtlich Pflege und Unterbringung nur Teilleistungen in Anspruch genommen werden, die insgesamt mit der vollen Vergütung für den Aufnahmetag angemessen abgegolten werden. Mit ihrer Rüge, aufgrund der vorgetragenen Gepflogenheiten zur Verweildauer am Aufnahme- und Entlassungstag hätte das Landgericht berücksichtigen müssen, daß ein am Entlassungs- oder Verlegungstag eines Patienten frei werdendes Zimmer im Regelfalle nicht am gleichen Tage wieder neu belegt werden könne, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.

Die Frage der Angemessenheit eines (Wahlleistungs-)Entgelts läßt sich nur dadurch beantworten, daß die Höhe der Vergütung in Beziehung zum objektiven Wert der Gegenleistung gesetzt wird (Senatsurteil BGHZ 145, 66, 69). Gegenüberzustellen sind daher allein die dem Patienten am Aufnahme- und Entlassungstag erbrachten Leistungen und der dafür verlangte Preis. Wenn und soweit hierbei nur Teilleistungen erbracht werden, ist es für die Feststellung eines Mißverhältnisses zwischen den (nur teilweise) erbrachten Leistungen und dem hierfür verlangten (vollen) Entgelt nicht von entscheidender Bedeutung, ob und inwieweit es dem Träger eines Krankenhauses gelingt, ein am Tage der Entlassung oder Verlegung eines Patienten frei werdendes Zimmer neu zu belegen, um auf diese Weise hinsichtlich des vorgehaltenen Wahlleistungsangebots Unterbringung so weit wie möglich an jedem Tage voll auf seine Kosten zu kommen.

4. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist der Zugang eines eindeutigen Herabsetzungsverlangens der frühestmögliche Zeitpunkt, ab dem im Wege einer Verbandsklage nach § 22 Abs. 1 Satz 5 BPflV eine Preiskorrektur verlangt werden kann. Ein "rückwirkendes" Herabsetzungsverlangen ist nicht anzuerkennen. Andererseits wäre es wenig sinnvoll anzunehmen, ein Herabsetzungsverlangen könne erst ab dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung für die Zukunft Rechtswirkungen entfalten, da ansonsten ein Krankenhausträger sich dazu veranlaßt sehen könnte, sich auch einem offensichtlich berechtigten Herabsetzungsverlangen zu widersetzen und sich auf eine Klage einzulassen, um durch eine hinhaltende Prozeßführung den Eintritt der bei einer Herabsetzung der Wahlleistungsentgelte zu erwartenden Einnahmeverluste so weit wie möglich hinauszuzögern.

Da vorliegend der Kläger die Beklagte aufgefordert hat, bis zum 23. Dezember 1998 verbindlich zu erklären, daß sie in Zukunft von der Berechnung der Wahlleistung Unterkunft auch für den Entlassungstag absehen werde, ist die - so beantragte - Verurteilung "mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999" nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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