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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: IV ZB 14/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, JVEG


Vorschriften:

BGB § 822
ZPO § 3
ZPO § 139
ZPO § 511 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
JVEG § 20
JVEG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZB 14/07

vom 20. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke

am 20. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Mai 2007 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 300 €

Gründe:

I. Die Kläger behaupten, der zunächst durch Erbschein ausgewiesene Vater der Beklagten sei nicht Erbe seiner 1965 verstorbenen Tante (Erblasserin) geworden, sondern deren (von einer anderen Frau schon 1920 adoptierte) nachverstorbene Tochter; diese habe die Kläger als Erben eingesetzt. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte ein Anteil am Erlös eines Grundstücks. Davon wurden an den Vater der Beklagten im Dezember 1995 und März 1996 insgesamt 1.448.200,14 DM ausgezahlt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Vater der Beklagten in der Folgezeit jeweils ungefähr die Hälfte dieses Betrages an seine beiden Töchter weitergegeben habe. Die Kläger nehmen die Beklagte im Wege einer auf § 822 BGB gestützten Stufenklage in Anspruch. Das Landgericht hat sie durch Teilurteil verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, "was sie aus dem Nachlass" ihrer Großtante erhalten habe, insbesondere Auskunft darüber zu erteilen, "welchen Betrag sie unentgeltlich" von ihrem Vater aus dessen vermeintlichem Anteil an dem zum Nachlass der Großtante gehörenden Grundstückserlös erhalten habe. Den für die Erteilung dieser Auskunft erforderlichen Aufwand hat das Landgericht auf maximal 600 € geschätzt; es hat die Berufung nicht zugelassen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten ist durch den angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen worden, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II. Das Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04 - NJW 2006, 2637 Tz. 5; Senatsbeschluss vom 23. Mai 2007 - IV ZB 48/05 - VersR 2007, 1535 Tz. 5), sind nicht erfüllt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung der Hinweispflicht und verstößt daher nicht gegen das Recht der Beklagten auf Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG).

1. Dass der für den Wert des Beschwerdegegenstands hier maßgebliche Aufwand an Zeit und Kosten der zur Auskunft verurteilten Beklagten (vgl. BGHZ 128, 85 ff.) über 600 € hinausgehe, hat das Berufungsgericht zunächst mit dem Argument in Zweifel gezogen, wenn die Beklagte nichts erhalten habe, könne sie mit minimalem Aufwand die ihr im Teilurteil des Landgerichts aufgegebenen Fragen verneinen. Sie habe sich bisher im Rechtsstreit nicht dazu geäußert, ob sie überhaupt etwas von ihrem Vater aus dem Nachlass der Erblasserin erhalten habe.

Dieses Prozessverhalten hat das Landgericht aber dahin gewertet, dass die Beklagte den Vortrag der Kläger, der Vater habe jeweils etwa die Hälfte des erhaltenen Betrages an seine beiden Töchter weitergegeben, nicht bestritten habe. In ihrer Berufungsbegründung hat die Beklagte lediglich geltend gemacht, das Landgericht habe den Einwand der Verjährung zu Unrecht nicht für begründet gehalten, weil die Kläger früher als vom Landgericht angenommen Kenntnis davon erlangt hätten, dass der Vater der Beklagten das Geld an seine Töchter weitergegeben habe. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berufung hat die Beklagte betont, sie sei nicht etwa - lediglich - dazu verurteilt worden mitzuteilen, ob sie etwas aus dem Nachlass der Erblasserin von ihrem Vater unentgeltlich erhalten habe, sondern was und welchen Betrag. Deshalb bedürfe es einer Überprüfung der Kontoauszüge der Beklagten. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die titulierten Auskunftsfragen schlicht hätte verneinen können.

2. Das Berufungsgericht hält es weiter nicht für ausgeschlossen, dass das Geld vom Vater bar an die Beklagte weitergegeben worden sei, so dass die nach ihrem Vortrag von ihr bereits vernichteten Kontoauszüge des Jahres 1997 nicht wiederbeschafft zu werden brauchten. Auch insoweit wirke es sich nachteilig für die Beklagte aus, dass sie sich zum Erhalt des Geldes überhaupt nicht geäußert habe. Dem hält die Beschwerde entgegen, jedenfalls fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der Vater den gesamten, der Beklagten zugedachten Betrag ihr bar ausgehändigt und nicht wenigstens teilweise auch überwiesen habe. Eine nur auf Barzahlungen abstellende Auskunft wäre mithin weder vollständig noch sachdienlich. Im Hinblick darauf lässt sich nicht feststellen, dass eine Überprüfung der Kontoauszüge hier überflüssig wäre.

3. Weiter meint das Berufungsgericht, die Beklagte habe nicht dargelegt, warum sie die erforderlichen Informationen nicht bei ihrem Vater erfragen könne, der möglicherweise noch über entsprechende Kontoauszüge verfüge und außerdem in einem anderen Verfahren den Klägern gegenüber zur Auskunft über den Verbleib des Nachlasses verurteilt worden sei. Demgegenüber weist die Beschwerde mit Recht darauf hin, dass der am 15. August 1905 geborene, also schon mehr als 100 Jahre alte Vater auch durch das von den Klägern gegen ihn erwirkte Urteil nicht der Beklagten gegenüber zur Auskunft verpflichtet sei. Deshalb kann die Beklagte nicht auf eine Nachfrage bei ihrem Vater verwiesen werden.

4. Was die Kosten einer Beschaffung der Kontoauszüge der Beklagten angeht, hat sie eine Bescheinigung der C. vorgelegt. Danach kostet die Nacherstellung von Kontoauszügen, die älter als acht Jahre sind, für den Zeitraum eines ganzen Jahres mindestens 750 €. Außerdem hat die Beklagte vorgetragen, sie sei mittlerweile 70 Jahre alt und könne nacherstellte Kontoauszüge in Form tabellarischer, mit bankinternen Kürzeln versehener Übersichten nicht ohne Unterstützung etwa eines Steuerberaters auswerten. Deshalb belaufe sich ihr Aufwand auf mindestens 1.000 €.

a) Dieses Vorbringen hält das Berufungsgericht nicht für glaubhaft gemacht. Was die Notwendigkeit der Zuziehung eines Steuerberaters zur Auswertung angehe, fehle es an jedem Mittel einer Glaubhaftmachung. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es auch dem nicht besonders Kundigen mit geringem Aufwand möglich, den nacherstellten Kontoauszügen zumindest den überwiesenen Betrag, den Überweisenden und den Verwendungszweck zu entnehmen. Aus der vorgelegten Bestätigung der C. über den Preis für eine Nacherstellung von Kontoauszügen gehe nicht hervor, dass die Beklagte dort überhaupt eine Kontoverbindung unterhalte. Es könne sich um eine ganz allgemeine Auskunft zu den üblichen Kosten für derartige Leistungen handeln. Der Kostenaufwand von 750 € erscheine sehr hoch gegriffen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass langjährigen Kunden Sonderkonditionen eingeräumt würden. Obwohl die Kläger in ihrer Berufungserwiderung auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen hätten, habe die Beklagte keine Auskunft vorgelegt, die sich auf eine tatsächlich bestehende Kontoverbindung der Beklagten beziehe.

b) Die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht die Beklagte darauf nicht vor seiner Entscheidung gemäß § 139 ZPO hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Darauf beruht der angegriffene Beschluss jedoch nicht (zu dieser Voraussetzung vgl. BGHZ 151, 221, 227; 154, 154, 165; BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205 unter II 1 a bb). Deshalb braucht auch nicht geklärt zu werden, ob das Berufungsgericht im vorliegenden Fall etwa im Hinblick auf die Stellungnahme der Kläger zur Zulässigkeit der Berufung von einem eigenen Hinweis absehen konnte.

Die Beklagte hat in der Beschwerde zwar im Wortlaut mitgeteilt, was sie vor dem Berufungsgericht vorgetragen hätte, wenn ihr dazu Gelegenheit gegeben worden wäre. Daraus geht aber nicht hervor, dass die Beklagte überhaupt und insbesondere in dem hier fraglichen Zeitraum ein Konto bei der C. unterhalten hätte. Vielmehr macht die Beklagte geltend, "die Kosten für die Nacherstellung von Kontoauszügen, welche älter als 8 Jahre sind, betragen bei der C. mindestens 750,00 €". Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angesprochenen Sonderkonditionen für langjährige Kunden heißt es lediglich: "Die Klägerin hätte keinen Nachlaß erhalten." Im Folgenden führt die Beklagte hinsichtlich des Betrages von 750 € aus, "die allgemein hohen Kosten für die Nacherstellung von alten Kontoauszügen" ergäben sich daraus, dass in einem "meist" nicht am Ort der angefragten Bank befindlichen Archiv der richtige Mikrofilm ermittelt und mit Hilfe von Lesegeräten durch Bankangestellte durchgesehen werden müsse. Diese Ausführungen besagen nichts zu den konkreten Verhältnissen einer bestimmten Bank.

Außerdem bezieht sich die Beklagte zur Glaubhaftmachung ihres neuen Vortrags in der Beschwerdebegründung nur auf das Zeugnis eines Mitarbeiters der C. in B. sowie auf Sachverständigengutachten. Auch der Vortrag zur Notwendigkeit einer Auswertung nacherstellter Kontoauszüge durch einen Steuerberater wird allein durch Bezugnahme auf Sachverständigengutachten belegt. Die Beklagte hat den Wert des Beschwerdegegenstands jedoch nach § 511 Abs. 3 ZPO glaubhaft zu machen. Dazu bedarf es präsenter Beweismittel (§ 294 Abs. 2 ZPO); deren Beibringung ist allein Sache der Partei, der die Last der Glaubhaftmachung obliegt; die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1995 - XII ZB 173/95 - FamRZ 1996, 408 unter II 2 b; Urteil vom 20. Oktober 1997 - II ZR 334/96 - NJW-RR 1998, 573 unter 1 a.E.; BGHZ 156, 139, 141). Für die Prüfung der Zulässigkeit einer Berufung ist eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Mithin eignen sich die von der Beklagten in der Beschwerde angeführten Beweismittel, selbst wenn sie den Zeugen und einen Sachverständigen stellen würde, hier von vornherein nicht zur Glaubhaftmachung. Die Beklagte hätte die vom Berufungsgericht geforderte nähere Bankauskunft vorlegen müssen oder aber ein von ihr eingeholtes schriftliches Sachverständigengutachten sowie eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen.

c) Danach wäre die Entscheidung des Berufungsgerichts, wenn ihm das in der Beschwerdebegründung wörtlich wiedergegebene Vorbringen der Beklagten schon vor seiner Entscheidung vorgelegen hätte, nicht anders ausgefallen. Seine Auffassung, ein 600 € übersteigender Aufwand der Beklagten sei nicht glaubhaft gemacht, ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

Den Wert des zur Auskunftserteilung erforderlichen Aufwands setzt das Berufungsgericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen fest; das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04 - NJW-RR 2005, 219 unter II 2 c aa; vom 31. Januar 2007 - XII ZB 133/06 - NJW-RR 2007, 724 Tz. 5). Das macht die Beschwerde nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Die Kläger haben vorgetragen, üblicherweise verlangten Banken für die Nacherstellung von Kontoauszügen maximal 10 € pro Monat. Also wären für die von der Beklagten für erforderlich gehaltene Nacherstellung der Kontoauszüge eines Jahres 120 € anzusetzen. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei trotz ihres Alters in der Lage, aus nacherstellten Kontoauszügen jedenfalls den überwiesenen Betrag, den Überweisenden und den Verwendungszweck ohne fremde Hilfe zu entnehmen, bringt die Beschwerde nichts vor. Für diese Arbeit hat das Berufungsgericht einen Zeitaufwand von immerhin 10 Stunden geschätzt und in Anlehnung an §§ 20, 22 JVEG mit insgesamt 170 € bewertet. Unter Berücksichtigung von Fahrt- und Telefonkosten hat es den Aufwand der Beklagten und mithin den Streitwert ihrer Berufung nachvollziehbar auf insgesamt 300 € festgesetzt.

Mithin bleibt die Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob das Berufungsgericht seine Hinweispflicht verletzt hat, ohne Erfolg.

Ende der Entscheidung

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