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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.1999
Aktenzeichen: IV ZB 18/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 575
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZB 18/99

vom

17. November 1999

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz und die Richter Römer, Dr. Schlichting, Seiffert und Wendt am 17. November 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juli 1999 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hinsichtlich des Urteils der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 1999 gewährt.

Streitwert: 33.342 DM

Gründe:

I. Der Antrag der Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist einen Tag nach Ablauf der Frist - dem 3. Mai 1999 - am 4. Mai 1999 beim Oberlandesgericht eingegangen. Das Berufungsgericht hat ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen, weil nach Bekanntgabe des verspäteten Verlängerungsantrages am 14. Mai 1999 die versäumte Prozeßhandlung - die Rechtsmittelbegründung - nicht innerhalb der am 28. Mai 1999 ablaufenden Frist nachgeholt worden sei.

II. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Den Vorwurf, die Berufungsbegründung nicht innerhalb der Antragsfrist gemäß §§ 236 Abs. 2 Satz 2, 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt zu haben, hat die sofortige Beschwerde ausgeräumt. Die Urschrift der Berufungsbegründung ist nach dem Eingangsstempel der Justizbehörden F. mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 25. Mai 1999 eingegangen. Infolge eines Versehens der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts war sie den Prozeßbevollmächtigten des Klägers übersandt worden und nicht zu den Akten gelangt. Der Klägervertreter hat erst am 3. August 1999 das Original der Berufungsbegründung zurückgereicht. Damit ist die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung aktenkundig.

2. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet, da den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, das sich die Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das kann der Senat - auch wenn das Berufungsgericht nach der damals ihm bekannten Sachlage zu Recht darauf nicht eingegangen ist - im Beschwerdeverfahren selbst feststellen, da die Sache nach dem beiderseitigen Vorbringen zu dem Wiedereinsetzungsbegehren entscheidungsreif ist (vgl. § 575 ZPO).

Der Beklagtenvertreter hat glaubhaft gemacht, den begründeten Verlängerungsantrag vom 29. April 1999 seiner zuverlässigen Rechtsanwalts- und Notargehilfin zur Übermittlung per Telefax übergeben zu haben, die irrtümlich dem Sendeprotokoll vom 30. April 1999 eine ordnungsgemäße Übermittlung entnommen habe. Auf ihre fernmündliche Nachfrage habe die Geschäftsstelle des Senats am 3. Mai 1999 mitgeteilt, eine erste Fristverlängerung sei unproblematisch, sie könne von einer entsprechenden Verlängerung ausgehen. Daraufhin habe sie ihm die Akten noch am selben Tag mit einem Haftaufkleber mit der Aufschrift "nach Verlänger. an II 04.06. BB OK!" vorgelegt. Er sei von einer ordnungsgemäßen Verlängerung ausgegangen und habe die Akten zur weiteren Bearbeitung vorgemerkt.

a) Das Versehen der Büroangestellten begründet kein der Partei zuzurechnendes Verschulden. Auch durfte der Rechtsanwalt die Versendung des Verlängerungsantrages per Telefax und die erforderliche Kontrolle der fehlerfreien Aufgabe anhand des Sendeprotokolls dem geschulten und ordnungsgemäß überwachten Büropersonal überlassen (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95 - VersR 1996, 778 unter 1. und vom 16. Juni 1998 - XI ZB 13 und 14/98 - VersR 1999, 996). Organisatorische Fehlleistungen sind entgegen der Ansicht der Klägerin dem Beklagtenvertreter auch nicht im Zusammenhang mit der Nachfrage bei der Geschäftsstelle des Senats anzulasten. Bei begründeten, § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO genügenden ersten Verlängerungsanträgen darf regelmäßig und ohne weitere Nachfrage bei Gericht von der antragsgemäßen Verlängerung ausgegangen werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98 - BGHR ZPO § 233 - Fristverlängerung 18 und vom 24. Oktober 1996 - VII ZB 25/96 - NJW 1997, 400 unter II. 1.). Anhaltspunkte, daß bei diesem Senat oder Gericht eine davon abweichende und dem Beklagtenvertreter bekannte Übung besteht, sind nicht ersichtlich. Die Angaben der Geschäftsstelle bestätigen diese Praxis vielmehr. Daß der fristgebundene Verlängerungsantrag nicht rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen ist, beruht insgesamt nicht auf einem Fehler in der Organisation der Kanzlei. Versand und ordnungsgemäße Endkontrolle sind beanstandungsfrei delegiert worden.

b) Dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ist schließlich nicht vorzuwerfen, daß er sich bei Vorlage der Akten noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist und Vormerkung zur weiteren Bearbeitung allein auf den Haftaufklebervermerk seiner Büroangestellten verlassen hat. Dem Rechtsanwalt obliegt zwar im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflichten die Fristensicherung, wenn ihm Akten wegen einer fristgebundenen Prozeßhandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung und nicht aus anderem davon unabhängigen Grund vorgelegt werden (BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632 unter II. und vom 16. Januar 1974 - VIII ZB 1/74 - VersR 1974, 548 unter 3.). Anerkannt ist darüber hinaus, daß ein Rechtsanwalt im Falle der Ausnutzung einer Frist insgesamt gehalten ist, sich in einer jede Ungewißheit ausschließenden Weise über das Ende dieser Frist zu vergewissern (BGH, Beschluß vom 17. Mai 1990 - IX ZB 41/90 - VersR 1991, 121).

Hier sind dem Beklagtenvertreter die Akten nach vermeintlicher Erledigung des Verlängerungsverfahrens vorgelegt worden, nicht aber, um die Vornahme einer fristgebundenen Prozeßhandlung wie die Erstellung und Einreichung der Berufungsbegründung sicherzustellen. Die Vormerkung der Akten für die eigene Bearbeitung ist dem nicht gleichzustellen. Aus diesem Grund bestand auch kein Anlaß über die wirksam angeordnete Ausgangskontrolle durch das Büropersonal hinaus, selbst den Sendebericht des Fax zu überprüfen.

Auch wenn mit einer solchen Aktenvorlage zur Bearbeitungsvormerkung eine zusätzliche organisatorische Maßnahme zur Fristenkontrolle verbunden sein sollte, führte diese das gebotene Maß übersteigende Sicherungsmaßnahme nicht zur Verschärfung der Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts (BGH, Beschluß vom 30. April 1998 - VII ZB 5/98 - VersR 1999, 732 unter 1.).

Das Unterlassen der Überprüfung des Sendeberichts gereicht dem Beklagtenvertreter daher nicht zum Verschulden.

Ende der Entscheidung

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