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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: IV ZB 6/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZB 6/00

vom

27. September 2000

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Prof. Römer, Terno, Seiffert und die Richterin Ambrosius am 27. September 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. März 2000 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

3. Beschwerdewert: 3.000 DM

Gründe:

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Witwe und Alleinerbin seines verstorbenen Bruders, im Wege der Stufenklage Auskunft zur Vorbereitung seines Anspruchs auf den Pflichtteil am Nachlaß seiner verstorbenen Mutter bzw. auf Pflichtteilsergänzung. Die Erblasserin hatte den Bruder des Klägers zum Alleinerben eingesetzt. Der Kläger vermutet, daß der Restkaufpreis in Höhe von 280.000 DM aus einem von der Erblasserin kurz vor ihrem Tode getätigten Grundstücksverkauf, der laut notariellem Kaufvertrag auf ihr Girokonto fließen sollte, sich in ihrem Nachlaß aber nicht fand, in die Hände seines Bruders und/oder der Beklagten gelangt ist, die sich das betreffende Konto schon zu Lebzeiten der Erblasserin überschreiben ließen. Die Beklagte bestreitet jegliches Wissen vom Verbleib des Kaufpreises. Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, dem Kläger Auskunft über sämtliche Bankkonten, insbesondere die Konten Nr. 19..., 10... bei der Stadtsparkasse C. für die Zeit vom 2. Juli 1986 bis 2. Juli 1996, soweit sie in diesem Zeitraum auf die am 2. Juli 1996 verstorbene Frau I. H. lauteten, zu erteilen sowie die entsprechenden Kontobelege für diesen Zeitraum vorzulegen. Die Berufung der Beklagten hiergegen hat das Berufungsgericht im angefochtenen Beschluß mit der Begründung als unzulässig verworfen, daß die Beklagte einen 1.500 DM übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstandes nicht glaubhaft gemacht habe (§ 511a ZPO). Gegen diesen Beschluß hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 4, 519b Abs. 2, 547 ZPO) und begründet. Zwar darf das Berufungsgericht den Wert des Beschwerdegegenstandes bei einem Rechtsstreit wegen Erteilung einer Auskunft nach freiem Ermessen festsetzen (§ 3 ZPO) und darf das Revisionsgericht die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Beschluß vom 10. Juli 1996 - XII ZB 15/96 - FamRZ 1996, 1543 unter II 1, 2). Im vorliegenden Fall liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil das Berufungsgericht die ihm glaubhaft gemachten Tatsachen unter Verletzung des § 286 ZPO nicht vollständig gewürdigt hat.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Beschwerdewert bei der Berufung einer zur Auskunft verurteilten Person nach deren Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, und daß es für die Bewertung dieses Abwehrinteresses in der Regel auf den Zeit- und Arbeitsaufwand ankommt, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Beschluß vom 10. Juli 1996 unter II 1).

2. Auch hat das Berufungsgericht die hauptsächlichen Berechnungsfaktoren für den Auskunftsaufwand der Beklagten nicht verkannt. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sie nach dem Urteilsausspruch des Landgerichts dem Kläger über sämtliche Kontobewegungen auf allen Konten der Erblasserin in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall Rechnung legen muß. Weiter hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, daß sie die Kontounterlagen der Erblasserin nicht besitzt und deshalb die Auskunft nur mit Hilfe der Sparkasse erteilen kann, welche die Kontobewegungen rekonstruieren muß. Hinsichtlich des durch die Rekonstruktion entstehenden Arbeitsaufwandes hat die Beklagte durch das Schreiben der Sparkasse vom 25. Februar 2000 folgendes glaubhaft gemacht: "Allein für den Girobereich (# 10..., # 19... und # 59...) bedeutet dies, daß anhand von Microfiches für jeden Monat eine Monatsübersicht herausgesucht und ausgedruckt werden muß. Für das Konto 10... wären dies 120 Ausdrucke, für das Konto 19... 102 Ausdrucke und für das Konto 59... 39 Ausdrucke. Insgesamt sind dies 261 Monatsübersichten. Ginge man im Schnitt von 25 Umsätzen pro Monat aus (Schätzung!), so wären dies insgesamt 6.525 Buchungen, die jede für sich manuell über weitere Microfiches bzw. Microfilme (nur noch bis 1992) herausgesucht und handschriftlich auf einen Beleg geschrieben werden müßten." Die Sparkasse berechnet für ihren Zeitaufwand 60 DM pro Stunde. Alle diese von der Beklagten dargelegten und glaubhaft gemachten Kostenfaktoren hat das Berufungsgericht nicht bezweifelt.

3. Das Berufungsgericht hat vielmehr seine Ansicht, die Glaubhaftmachung eines 1.500 DM übersteigenden Berufungswertes sei der Beklagten nicht gelungen, darauf gestützt, daß die beiden Sparkassenangestellten, die sich zu dem für die Auskunft erforderlichen Zeitaufwand schriftlich geäußert haben, ihn nicht nach Stunden bezeichnet hätten, obwohl dies zu erwarten gewesen sei, wenn der Zeitaufwand tatsächlich über 25 Stunden läge.

Bei diesem Schluß aus einer fehlenden Stundenzahlangabe der Sparkassenangestellten auf das Mißlingen der Glaubhaftmachung hat das Berufungsgericht zum einen nicht berücksichtigt, daß eine präzise Stundenzahlangabe im vorliegenden Fall nicht möglich ist. Denn solange die Rekonstruktion der Kontobewegungen tatsächlich noch nicht durchgeführt worden ist, steht weder die genaue Anzahl der Buchungen fest noch der genaue Zeitaufwand, der nicht nur von der Zahl der Buchungen, sondern auch von der individuellen Schnelligkeit des eingesetzten Sachbearbeiters beim Heraussuchen und handschriftlichen Übertragen der Einzelbelege abhängig ist. Dementsprechend hat der Sparkassenangestellte P. mit Schreiben vom 10. Februar 2000 mitgeteilt: "Eine konkrete Stundenzahl ist nicht genannt worden, da nicht absehbar ist, wieviel Zeit investiert werden muß." Die Glaubhaftmachung ist der Beklagten also nur mittels einer Schätzung möglich.

Eine solche Schätzung wäre dem Berufungsgericht möglich gewesen, wenn es sich mit den von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen näher befaßt und insbesondere berücksichtigt hätte, daß unter anderem 6.525 Buchungen auf den Girokonten anhand der Monatsübersichten von Microfiches oder Microfilmen einzeln herausgesucht und dann handschriftlich auf einen normalen Buchungsbeleg übertragen werden müssen. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, daß in einer Minute mehr als vier Belege herausgesucht und übertragen werden müßten, damit ein Arbeitsaufwand von 25 Stunden nicht überschritten wird. Es ist aber, wenn nicht unmöglich, so doch jedenfalls überwiegend unwahrscheinlich, daß ein Sparkassenangestellter in einer Minute mehr als vier Buchungsbelege heraussuchen und übertragen kann, auch wenn er nur den Zahlungsempfänger oder den Überweisenden und den Zweck der Zahlung abzuschreiben braucht und den Beleg kennzeichnen muß, weil die übrigen Angaben aus der Monatsübersicht hervorgehen. Zu dem Zeitaufwand für das Heraussuchen und Abschreiben der Buchungsbelege für die drei Girokonten kommen noch das Heraussuchen und Ausdrucken der 261 Monatsübersichten für die drei Girokonten hinzu. Außerdem fallen für die 14 Spar-, Sparkassenbrief- und Wertpapierkonten folgende Arbeiten an: Heraussuchen und Abschrift der Buchungsbelege im Sparbereich sowie Heraussuchen und Ausdrucken der Jahresübersichten im Sparkassenbrief- und Wertpapierbereich.

Für das Berufungsgericht wäre deshalb eine Schätzung des gesamten Zeitaufwandes der Auskunftserteilung auf mehr als 25 Stunden möglich und geboten gewesen. Da die Glaubhaftmachung dem Gericht nicht die Überzeugung von der Wahrheit einer bestimmten Tatsache, sondern nur von deren überwiegender Wahrscheinlichkeit vermitteln muß (BGH, Beschluß vom 5. Mai 1976 - IV ZB 49/75 - VersR 1976, 928), wäre diese Schätzung zur Glaubhaftmachung einer die Berufungsgrenze von 1.500 DM übersteigenden Beschwer auch ausreichend gewesen.



Ende der Entscheidung

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