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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: IV ZR 10/07
Rechtsgebiete: Berufsunfähigkeits-Zusatzvers.


Vorschriften:

Berufsunfähigkeits-Zusatzvers. § 2 Abs. 1
Der vom Tatrichter beauftragte medizinische Sachverständige, der sich dazu äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf auszuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zulegen hat, also insbesondere welche Merkmale - Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderliche Tätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmitteln - die Verweisungstätigkeit prägen.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 10/07

Verkündet am: 23. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) zugrunde.

Der Kläger war zuletzt ab Mai 1992 als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr tätig. Am 12. April 2001 erlitt er eine Oberschenkelvenenthrombose und gab daraufhin seinen Beruf auf. Seinen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2001 lehnte die Beklagte ab, da der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zu mindestens 50% berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Alternativtätigkeiten verwiesen werden.

Das Landgericht hat die Klage, gerichtet auf die Zahlung rückständiger Rentenleistungen sowie auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichen Rente, Gewährung von Beitragsfreiheit sowie auf Schadensersatz wegen Regulierungsverzuges, abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht meint, dass der Kläger zwar infolge eines postthrombotischen Syndroms nicht mehr in der Lage sei, als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehr zu arbeiten. Die Beklagte habe jedoch den Vergleichsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr aufgezeigt, den der Kläger nach Ausbildung und Erfahrung ausüben könne und der seiner bisherigen Lebensstellung entspreche (§ 2 Abs. 1 BZB). Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige, der Orthopäde Dr. H. , der unter anderem die von dem Gefäßchirurgen Dr. K. beim Kläger erhobenen Untersuchungsbefunde ausgewertet habe, habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus medizinischer Sicht in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges schweres Heben und Tragen im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen. Nach den Ausführungen der vom Landgericht gehörten berufskundlichen Sachverständigen Ho. sei die Arbeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr allenfalls als mittelschwer einzuordnen, da die im Güternahverkehr auszuliefernden Frachtstücke regelmäßig nicht schwerer seien als 10 kg. Die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterung seines medizinischen Befundes - variköse Ekzeme und Unterschenkelgeschwüre - rechtfertige keine abweichende Beurteilung der gesundheitlichen Zumutbarkeit, wie der Sachverständige Dr. H. in seinem Ergänzungsgutachten überzeugend ausgeführt habe.

Zwar sei es, so das Berufungsgericht weiter, zu der vom Kläger beantragten persönlichen Anhörung des Dr. H. zur Erläuterung seiner Begutachtung in der mündlichen Verhandlung wegen dessen Verhinderung nicht gekommen. Der Gutachter habe jedoch auf Ersuchen des Landgerichts zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten schriftlich Stellung genommen. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich nicht, dass der Kläger seinen Antrag auf mündliche Anhörung danach aufrechterhalten habe.

Das vom Kläger vorgelegte internistisch-angiologische Gutachten von Prof. Dr. B. , das dieser in einem sozialgerichtlichen Verfahren erstattet habe, sowie das Protokoll über das in jenem Verfahren mündlich erstattete berufskundliche Gutachten des Sachverständigen Ku. zwängen nicht zu einer weiteren Beweiserhebung, etwa in Form einer (erneuten) Anhörung der Sachverständigen Dr. H. und Ho. . Den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B. sei zu entnehmen, dass dieser Gutachter lediglich die subjektiven Empfindungen des Klägers übernommen habe, ohne sie anhand eines objektiven Befundes zu überprüfen. Auch sei ein erheblicher sozialer Abstieg, der der Verweisung auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr entgegenstehen könnte, mit dem Wechsel aus dem Beruf des selbständigen LKW-Fahrers im Güterfernverkehr entgegen der Ansicht des Klägers nicht verbunden. Der soziale Status beider Berufsbilder werde in der Öffentlichkeit nicht wesentlich unterschiedlich bewertet. Die Verweisung auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Nahverkehr sei dem Kläger auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar.

II. Die Annahme des Berufungsgerichts, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 BZB liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich länger als sechs Monate außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Will der Versicherer den Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung im Streit um dessen Berufsunfähigkeit auf eine andere berufliche Tätigkeit verweisen, so muss er deren prägende Merkmale - erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten sowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel - substantiiert darlegen und konkretisieren (Senatsurteile vom 29. Juni 1994 - IV ZR 120/93 - VersR 1994, 1095 unter 2 b und vom 28. September 1994 - IV ZR 226/93 - NJW-RR 1995, 20 unter 2 a; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2004, 1165). Hält der Tatrichter nach Bewertung des beiderseitigen Parteivortrags eine Beweisaufnahme für geboten, muss der medizinische Sachverständige, der sich zu der Frage äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesundheitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben, wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGHZ 119, 263, 266 f.).

2. a) Schon das Verfahren des Landgerichts genügte diesen Vorgaben nicht. Dabei kann auf sich beruhen, ob das Vorbringen der Beklagten zu den zahlreichen von ihr benannten Verweisungsberufen in jedem Fall den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung der dem Kläger angesonnenen anderen Tätigkeiten genügte. Jedenfalls was die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anlangt, fehlte es vor der Einholung des ersten Gutachtens des medizinischen Sachverständigen an jedweder Substantiierung; der Beweisbeschluss des Landgerichts, der sich auf die Frage beschränkt, ob der Kläger seit dem 1. April 2001 berufsunfähig sei, verhält sich zu den Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufen ebenso nicht. Demgemäß entbehren schon die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. H. vom 9. Juli 2003 - soweit sie sich auf andere in der Akte vorgeschlagene Verweisungstätigkeiten beziehen - mit Blick auf die Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage.

b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagte für den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr die Ausführungen der berufskundlichen Sachverständigen Ho. zur Darstellung dieser Tätigkeit zu Eigen gemacht hat, hätte sie ihrer Vortragslast nur dann genügt, wenn sich aus den Angaben der Sachverständigen die prägenden Merkmale dieser Tätigkeit ausreichend entnehmen ließen. Das ist indessen nicht der Fall. In ihrem schriftlichen Gutachten beschränkt sich die Sachverständige Ho. vielmehr auf die abstrakte Beschreibung denkbarer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Arbeitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsabläufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts der denkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglichkeiten war auch danach für einen medizinischen Sachverständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten dieser Sachverständigen führte nicht zu der gebotenen Konkretisierung des Tätigkeitsbildes, es bemühte sich vielmehr seinerseits darum, die Äußerungen des medizinischen Sachverständigen mit dem - nach wie vor unvollständigen - Berufsbild der Verweisungstätigkeit abzugleichen. Daraus folgt im Ergebnis, dass es auch den weiteren vom Landgericht eingeholten Stellungnahmen des medizinischen Sachverständigen an ausreichenden Vorgaben zum außermedizinischen Sachverhalt fehlte, wie die Auseinandersetzung um die bei Ausübung der Tätigkeit (welcher konkreten?) zu bewältigenden Gewichte nachhaltig verdeutlicht.

3. Es kommt hinzu:

Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen.

a) Dies gilt zum einen für die vom Kläger bereits im ersten Rechtszug beantragte, letztlich aber unterbliebene Anhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. H. .

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben die Parteien zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch darauf, dass sie einem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich halten, in mündlicher Anhörung stellen können (§§ 397, 402 ZPO). Dieses Antragsrecht der Parteien besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 182/05 - VersR 2006, 950 Tz. 6 m.w.N.). Hat das Landgericht einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss das Berufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholten Antrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 - VI ZR 13/95 - VersR 1996, 211 f.).

bb) Danach begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das den Sachverständigen Dr. H. zunächst zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, wegen dessen Verhinderung auf die Anhörung verzichtete und sich mit einer erneuten schriftlichen Stellungnahme dieses Sachverständigen begnügte. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen - und sei es auch nur stillschweigend - verzichtet hätte (vgl. dazu auch BGH aaO). Ein solcher Verzicht lag im vorliegenden Fall auch deshalb fern, weil der Sachverständige Dr. H. nach dem Vortrag des Klägers zu dem Gutachten des für die Beklagte tätig gewordenen Gefäßchirurgen Dr. K. Stellung nehmen und sich zu seiner Sachkunde äußern sollte. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die (weitere) schriftliche Stellungnahme die beantragte Anhörung des Dr. H. nicht ersetzen konnte, da dieser sich darin auf die Bemerkung beschränkt hatte, er wolle die Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr. K. zur Berufsfähigkeit des Klägers nicht kommentieren. Angesichts des Umstandes, dass die bis dahin erfolgten gutachterlichen Stellungnahmen des Dr. H. lediglich auf der Auswertung von Befunden und nicht auf persönlichen Untersuchungen des Klägers beruhten, wäre dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht umso mehr geboten gewesen. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Sachverständigen stattgeben müssen. Ein solcher Antrag ist hier jedenfalls der ausführlich begründeten Rüge des Klägers zu entnehmen, seinem erstinstanzlich gestellten Antrag sei verfahrensrechtswidrig nicht entsprochen worden.

b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass sich das Berufungsurteil nur unzureichend mit den Ausführungen in dem vom Kläger vorgelegten - in einem sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten - internistisch-angiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. auseinander setzt, das dem Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H. zur Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers widerspricht. Das verletzt das dem Tatrichter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises eingeräumte Ermessen und den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO) und lässt besorgen, das Berufungsgericht habe auch insoweit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

aa) Legt eine Partei ein solches medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteil vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b aa m.w.N.).

bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, Prof. Dr. B. habe für seine Beurteilung, der Kläger müsse nach zwei Stunden Arbeitszeit bestimmte nicht unerhebliche Pausenzeiten einhalten, lediglich die subjektiven Empfindungen des Klägers in sein Gutachten übernommen, ohne sie an Hand eines objektiven Befundes zu überprüfen, weshalb das Gutachten Dr. H. insoweit nicht erschüttert werde, erweist sich im Gesamtzusammenhang der Ausführungen in dem genannten Gutachten als nicht nachvollziehbar. Lediglich auf Seite 7 seines Gutachtens referiert der Sachverständige die Angaben des Klägers und eines anderen Gutachters, kommt in seinen darauf folgenden Ausführungen jedoch zu einer eingehenden, von den Angaben des Klägers unabhängigen Einschätzung seiner beruflichen Belastbarkeit aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung. Danach ist es aus Sicht dieses Sachverständigen notwendig, dem Kläger nach jeweils maximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit eine mindestens dreißigminütige Pause, wenn nötig auch eine Pause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, es sei denn, der Kläger kann über einen längeren Zeitraum in sitzender Position mit hoch gelagertem Bein arbeiten; sollte ihm letzteres jederzeit möglich sein, seien nicht mehr Pausen als üblich einzulegen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei rechtsfehlerfreier Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. die Frage der Verweisbarkeit des Klägers auf den Beruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anders beurteilt hätte. Nach dem Vortrag des Klägers hat der im sozialgerichtlichen Verfahren gehörte berufskundliche Sachverständige Ku. ausgeführt, die Einschränkungen, denen der Kläger - dem Gutachten Prof. Dr. B. zufolge - bei einer möglichen beruflichen Tätigkeit unterliege, ließen es fraglich erscheinen, ob er überhaupt eine Arbeitsstelle finden werde. Zwar hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberücksichtigt bleiben muss (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. November 1985 - IVa ZR 23/84 - NJW-RR 1986, 451 unter II 5). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass es die dem Versicherungsnehmer angesonnene Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendem Umfang gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert (Senatsurteil vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b). Danach scheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzelfällen nach den besonderen Anforderungen eines bestimmten Betriebes geschaffen oder auf die speziellen Bedürfnisse eines einzelnen Arbeitnehmers zugeschnitten sind (Nischenarbeitsplätze), grundsätzlich ebenso aus wie Verweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt nur in so geringer Zahl bereit stehen, dass von einem Arbeitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (Senatsurteil aaO).

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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