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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.11.2009
Aktenzeichen: IV ZR 134/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 400
BGB § 139
BGB § 399 2. Alt.
BGB § 400
BGB § 307
BGB § 409 Abs. 1 Satz 1
BGB § 808 Abs. 1 Satz 1
ZPO 850b Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat

durch

den Vorsitzenden Richter Terno,

die Richter Dr. Schlichting, Seiffert,

die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Harsdorf-Gebhardt

auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2008 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Darmstadt - 13. Zivilkammer - vom 4. Mai 2006 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein bei der Beklagten bestehender Vertrag über eine Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht durch Kündigung beendet worden sei.

Der Versicherungsvertrag war 1993 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossen worden. Der Kläger, der eine Tankstelle betrieb, trat seine gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche auf den Rückkaufswert zuzüglich Überschussanteile sowie auf die Lebensversicherungssumme durch schriftliche Erklärung vom 5. Februar 2003 an die ihn beliefernde Mineralölgesellschaft ab. Diese Erklärung wurde vom Kläger der Beklagten übersandt. Die Rechtsnachfolgerin der Zessionarin kündigte die Lebensversicherung wegen Zahlungsrückständen des Klägers durch Schreiben vom 5. Juli 2004, in dem auf die Abtretung Bezug genommen wurde; zugleich wurde der Original-Ersatzversicherungsschein vorgelegt. Die Beklagte löste den Versicherungsvertrag auf und zahlte den Rückkaufswert an die Anspruchstellerin aus.

Der Kläger meint, die Abtretung sei unwirksam. Die Vorinstanzen haben seiner Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht (r+s 2008, 386) ist der Auffassung, die Kündigung durch die Zessionarin habe nicht zu einer Beendigung des Versicherungsvertrags geführt, weil die Abtretungserklärung des Klägers vom 5. Februar 2003 wegen des gesetzlichen Abtretungsausschlusses aus den §§ 400 BGB, 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO keine Rechte der Zessionarin an dem Versicherungsvertrag, insbesondere nicht das Recht zur Kündigung, begründet habe. Ob Ansprüche aus einer Lebensversicherung, die mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verbunden sei, einem Abtretungsverbot unterlägen, sei in der Rechtsprechung umstritten. Teilweise werde die Abtretung stets für unwirksam gehalten, teilweise werde dies für die Lebensversicherung verneint, wenn die verbundenen Verträge gemäß § 139 BGB selbstständig betrachtet werden könnten. Zutreffend sei es - so OLG Hamm (ZInsO 2006, 878) -, nicht nur die Unwirksamkeit der Abtretung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, sondern auch der Abtretung des Rechts zur Kündigung der Lebensversicherung anzunehmen. Der gesetzliche Pfändungsschutz sei für die Grundsicherung des Versicherungsnehmers von existentieller Bedeutung; er unterliege daher nicht der freien Disposition der Beteiligten. Zwar erfasse dieser hier nur die Rechte aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Versicherungsvertrag, den der Kläger abgeschlossen habe, sei aber nicht teilbar; das Recht zur Kündigung der verbundenen Lebensversicherung könne nicht isoliert übertragen und ausgeübt werden. Andernfalls entfiele die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit der Folge, dass der nicht gesetzlich versicherte, selbständige Kläger seine Existenzsicherung gegen gesundheitliche Erwerbsbeeinträchtigungen einbüßen würde.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Kläger vom 5. Februar 2003 an die ihn beliefernde Mineralölgesellschaft sind wirksam. Deren Rechtsnachfolgerin ist in diese Rechtsstellung eingetreten und konnte den Lebensversicherungsvertrag daher wirksam kündigen. Der Antrag des Klägers, das Fortbestehen des Versicherungsvertrages festzustellen, ist mithin unbegründet.

1.

Die Abtretungsvereinbarung des Klägers mit der ihn beliefernden Mineralölgesellschaft bestimmt unter anderem:

"Ich (...)

trete hiermit aus der von mir mit der A. Lebensversicherung AG (...)

geschlossenen Lebensversicherung (...)

alle meine gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche auf den Rückvergütunkenswert (Rückkaufswert zuzüglich Überessanteile) und auf die Versicherungssumme aus dem bezeichneten Lebensversicherungsvertrag ab an die Deutsche ... Aktiengesellschaft

(...)

Die Deutsche ... Aktiengesellschaft ist auch berechtigt, die ihr übertragenen Rechte beliebig zu verwerten, insbesondere an Dritte zu übertragen, die Versicherung durch Aufhebung des Rückkaufswertes aufzulösen oder die Umwandlung in eine beitragsfreie Lebensversicherung zu beantragen sowie etwa angesammelte Dividende, Zinsen etc. in Empfang zu nehmen.

(...)"

Diese Abtretung erfasst nicht den Versicherungsvertrag im Ganzen, sondern gegenwärtige sowie im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestehende, zukünftige Ansprüche und Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag. Dies folgt zum einen aus dem klaren Wortlaut, zum anderen aus dem Bezug auf den Rückkaufswert, der nur bei der Lebensversicherung realisiert werden kann. Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, aus der dem Kläger zum Zeitpunkt der Abtretung keine Ansprüche zustanden, ist hingegen nicht einbezogen. Die Zessionarin soll zudem berechtigt sein, die Kündigung des Lebensversicherungsvertrags zu erklären, um hierdurch den Rückkaufswert zu realisieren.

2.

Dieser Vereinbarung über die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung von Rechten aus der Lebensversicherung stehen keine vertraglichen Bestimmungen entgegen. Eine Vereinbarung, die eine Abtretung ausschließt, ist zwischen den Vertragsparteien der Versicherungsverträge nicht geschlossen worden, § 399 2. Alt. BGB.

§ 13 (3) der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen der Klägerin für die kapitalbildende Lebensversicherung sieht sogar ausdrücklich vor, dass Ansprüche aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung abgetreten werden können (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II 1).

Ein vertraglicher Abtretungsausschluss lässt sich auch § 9 (1) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht entnehmen. Dieser lautet:

"Die Zusatzversicherung bildet mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen worden ist (Hauptversicherung), eine Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht abgeschlossen werden. Wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet, so erlischt auch die Zusatzversicherung."

Das schließt eine isolierte Abtretung allein von Ansprüchen aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung nicht aus (so auch OLG Saarbrücken VersR 1995, 1227; OLG Köln VersR 1998, 222; a.A. Thüringer OLG VersR 2000, 1005). Solange weiterhin der Beitrag für die Gesamtversicherung bezahlt wird, behält der Versicherungsnehmer trotz Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung den Versicherungsschutz aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Einheit der Verträge wird nicht beeinträchtigt.

3.

Die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung ist nicht nach § 400 BGB ausgeschlossen, selbst wenn die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar wären. Der Senat hat insoweit mit Urteil vom heutigen Tag (IV ZR 39/08), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, entschieden: Auch wenn eine Abtretungsvereinbarung zusätzlich die Ansprüche aus der unselbständigen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung umfasst, ändert dies nichts an der Wirksamkeit allein der Abtretung von Ansprüchen und der Übertragung von Rechten aus der Lebensversicherung. Die Wirksamkeit der Abtretung wird auch nicht dadurch gehindert, dass die Zessionarin nach der Vereinbarung vom 5. Februar 2003 berechtigt ist, "die ihr übertragenen Rechte beliebig zu verwerten, insbesondere an Dritte zu übertragen, die Versicherung durch Aufhebung des Rückkaufswertes aufzulösen oder die Umwandlung in eine beitragsfreie Lebensversicherung zu beantragen". Insbesondere steht die Abtretung auch des Kündigungsrechts der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen.

4.

Auf die Frage, ob die Vereinbarung vom 5. Februar 2003 aufgrund § 307 BGB als unwirksam anzusehen ist, kommt es nicht an, denn der Kläger hat mit Schreiben vom 8. Februar 2003 diese Abtretung gegenüber der Beklagten angezeigt. Nach § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB muss er daher der Beklagten gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist.

Mit der Anzeige vom 8. Februar 2003 hat der Kläger auch § 13 (4) der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung genügt. Hiernach wird eine Abtretung gegenüber dem beklagten Versicherer erst wirksam, wenn sie ihm vom bisherigen Berechtigen, d.h. vom Kläger schriftlich angezeigt worden ist. Einer Anzeige oder Mitteilung einer möglichen Sicherungsabrede, deren Bestehen zwischen den Parteien streitig ist, bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht.

5.

Darüber hinaus ist die Beklagte infolge der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins nach § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit § 11 der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung berechtigt gewesen, an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten. Diese Legitimationswirkung erstreckt sich auf das Kündigungsrecht zur Erlangung des Rückkaufswerts. Der Versicherer kann den Inhaber des Versicherungsscheins als zur Kündigung berechtigt ansehen, wenn dieser die Auszahlung des Rückkaufswerts erstrebt (Senatsurteile vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99 - VersR 2000, 709 unter 3 und vom 20. Mai 2009 - IV ZR 16/08 - VersR 2009, 1061 Tz. 9, jeweils m.w.N.).

Infolgedessen muss sich der Kläger als Versicherungsnehmer, der den Versicherungsschein im Zusammenhang mit der Abtretung aus der Hand gegeben hat, im Verhältnis zur Beklagten als dem Versicherer in jedem Fall so behandeln lassen, als sei die Kündigung der Zessionarin wirksam (vgl. Brömmelmeyer in Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 42 Rdn. 148).



Ende der Entscheidung

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