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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: IV ZR 138/00
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 55
VVG § 57
VVG §§ 55, 57

a) Im Versicherungsvertragsrecht gibt es kein allgemeines und zwingendes Bereicherungsverbot. Was der Versicherer vertraglich versprochen hat, muß er halten, es sei denn, aus dem Gesetz ergäben sich Leistungsbeschränkungen.

b) Bei der Beurteilung, ob eine vereinbarte Taxe den wirklichen Versicherungswert erheblich übersteigt, kann keine feste Grenze bestimmt werden. Entscheidend sind Art und Zweck der Versicherung und der Grund, aus dem die Parteien im jeweiligen Fall eine Taxe vereinbart haben.

BGH, Urteil vom 4. April 2001 - IV ZR 138/00 - OLG Naumburg LG Magdeburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 138/00

Verkündet am: 4. April 2001

Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Terno, Prof. Römer, Seiffert, die Richterin Ambrosius und den Richter Wendt auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. April 2000 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 28. April 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der Ansprüche der Klägerin aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung. Die Klägerin betreibt einen Schweineaufzuchtbetrieb. Im Jahre 1995 schloß sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Hinblick auf die Gefahr von Tierseuchen einen Versicherungsvertrag ab. Die Versicherungsleistung wurde als pauschaler Höchstentschädigungsbetrag pro Zuchtsau auf 1.000 DM festgelegt, begrenzt auf 1.200 Sauen. Zur Bezeichnung der versicherten Schäden und Gefahren enthält der Versicherungsschein eine Bezugnahme auf die beigefügten weiteren Vereinbarungen. In diesen wurde festgelegt, daß nur die Schäden bzw. Gefahren "gemäß Ziffer 13.1." versichert seien. Diese Regelung hat folgenden Wortlaut:

" Versicherungsschutz besteht für den Fall, daß aufgrund einer anzeigepflichtigen Seuche nach § 10 des Tierseuchengesetzes auf amtstierärztliche Anordnung der Tierbestand des Betriebes ganz oder teilweise getötet wird. Die Leistungspflicht ist gegeben, wenn die Tötung durchgeführt wurde."

Vertragsbestandteil waren auch die Allgemeinen Bedingungen für die Tierseuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung (TSBU). Nach § 9 Abs. 2 TSBU sollte die Entschädigung ab Anzeige des Schadens mit 1% unter dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch mit 4% und höchstens mit 6% pro Jahr zu verzinsen sein. Die Zinsen sollten fällig werden, wenn die Entschädigung fällig ist.

Am 29. Januar 1996 erließ der zuständige Amtstierarzt im Auftrag des Landrats eine tierseuchenrechtliche Verfügung, wonach sämtliche Schweine der Klägerin, darunter 1.085 Sauen, wegen Verdachts der Aujeszkyschen Krankheit, einer vom Versicherungsvertrag erfaßten Seuche, zu schlachten seien. Die Tötungen wurden in der Zeit vom 30. Januar bis 2. Februar 1996 vollzogen. Aus der Tierseuchenkasse des Landes erhielt die Klägerin eine Entschädigung für Tierverluste in Höhe von 901.035,93 DM und eine Kostenerstattung von 23.361,30 DM.

Nach unterschiedlichen Parteigutachten über die Höhe des Schadens unterzeichneten die Parteien am 1. April 1997 ein Formular mit der Überschrift "Sachverständigen- und Obmannernennung". Aufgrund dessen wurde der Sachverständige Dr. N. tätig, der einen durch die Betriebsunterbrechung verursachten Gesamtschaden von 967.114 DM feststellte. In dieser Höhe hat die Beklagte Zahlungen geleistet. Außerdem hat sie am 16. September 1997 einen Betrag von 5.321,70 DM an Zinsen gezahlt.

Die Parteien sind sich darin einig, daß der Versicherungsfall eingetreten und die Beklagte dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet ist. Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung des vereinbarten Höchstentschädigungsbetrages für jedes getötete Tier verpflichtet. Unter Zugrundelegung der Pauschale von 1.000 DM je Zuchtsau und der unstreitigen Zahl von 1.085 getöteten Sauen macht sie einen Gesamtbetrag von 1.085.000 DM geltend. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen der Beklagten hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 117.886 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, durch die Zahlungen des Betrages, den der Sachverständige Dr. N. als tatsächlich entstandenen Betriebsunterbrechungsschaden ermittelt habe, habe sie ihre Verpflichtungen erfüllt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Zunächst geht das Berufungsgericht rechtlich zutreffend davon aus, daß es sich bei der vereinbarten Versicherung nicht um eine Tierversicherung im Sinne des § 116 VVG handelt. Damit ist auch § 117 VVG nicht anwendbar, wonach sich die Klägerin den Betrag auf die Leistung des Versicherers anrechnen lassen müßte, den sie für den Verlust der Tiere aus der Tierseuchenkasse des Landes erhalten hat. Es handelt sich vielmehr um eine Versicherung, mit der das Risiko eines Schadens abgedeckt werden soll, der durch den seuchenbedingten Betriebsausfall bei der Klägerin entstanden ist. Das Berufungsgericht stellt deshalb richtig fest, es liege eine Tierseuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung (TSBU) vor, mit der die Parteien als Versicherungsleistung eine Taxe im Sinne des § 57 VVG vereinbart haben. Darüber streiten die Parteien im Revisionsverfahren auch nicht mehr.

II. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, die Auszahlung der vertraglich geschuldeten Versicherungsleistung nach einem pauschalierten Betrag sei im vorliegenden Fall gemäß §§ 55, 57 Satz 2 VVG unzulässig. Ihr stehe ein zwingendes Bereicherungsverbot entgegen. Die vereinbarte Taxe überschreite den tatsächlichen Versicherungswert erheblich, § 57 Abs. 2 VVG. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

1. a) Das Berufungsgericht leitet aus § 55 VVG ein allgemeines und zwingendes Bereicherungsverbot her. Der Gesetzgeber habe insoweit eine Höchstgrenze für die Leistungspflicht des Versicherers festgelegt, die es verhindern solle, daß der Versicherungsnehmer durch den Eintritt des Versicherungsfalles bereichert werde. Das Bereicherungsverbot sei nach herrschender Meinung zwingend. Deshalb könne sich der Versicherer grundsätzlich nicht wirksam zu mehr als zum Ersatz des Schadens verpflichten. Das nicht abdingbare Bereicherungsverbot des § 55 VVG gelte für alle Leistungspflichten des Versicherers, auch wenn eine pauschale Versicherungssumme vereinbart worden sei.

b) Bei der Annahme einer vermeintlich herrschenden Meinung über ein zwingendes und unabdingbares Bereicherungsverbot hat das Berufungsgericht die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unbeachtet gelassen. Die Annahme, es bestehe ein so beschriebenes Bereicherungsverbot und es ergebe sich aus § 55 VVG, ist unzutreffend (vgl. im einzelnen Römer in Römer/Langheid, VVG 1997, § 55 Rdn. 2 ff. m.w.N.).

Der Bundesgerichtshof hat in mehreren neueren Entscheidungen zur Frage eines vermeintlichen Bereicherungsverbots Stellung genommen. Schon in seinem Urteil vom 8. November 1995 (BGHZ 131, 157, 161 f.) hat der Bundesgerichtshof den Einwand des Versicherers nicht gelten lassen, bei einer Veräußerung eines unreparierten Fahrzeugs sei in der Fahrzeugversicherung der Restwert bei der Versicherungsleistung abzuziehen, weil anderenfalls eine durch § 55 VVG verbotene Bereicherung des Versicherungsnehmers eintrete. Der Bundesgerichtshof hat bei der Berechnung der Ersatzleistung allein auf die Regelungen der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) abgestellt, mit denen der Versicherer seine Leistungen im Versicherungsfall im einzelnen versprochen hatte. Diese Regelungen hinderten nicht, daß der Restwert des Fahrzeugs unberücksichtigt blieb. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1997 (IV ZR 163/96 - unter I 2 d aa, VersR 1997, 1231 = r+s 1997, 378 = zfs 1997, 387 = NJW-RR 1997, 1243 = MDR 1997, 836) darauf hingewiesen, daß sich der zu ersetzende Schaden nicht aus § 55 VVG, sondern gemäß § 1 Satz 1 VVG "nach Maßgabe des Vertrages", also aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergebe.

In seiner Entscheidung vom 17. Dezember 1997 (BGHZ 137, 318) hat der Bundesgerichtshof in einem Fall der Neuwertversicherung ausgeführt, § 55 VVG behandele nicht allgemein die Entschädigungspflicht des Versicherers, sondern nur den Fall der Überversicherung im Vertrag mit dem Versicherer. Die Formulierung "auch wenn die Versicherungssumme höher ist als der Versicherungswert" schließe zwar nach dem Wortlaut nicht aus, daß damit auch die Fälle erfaßt sein sollten, in denen keine Überversicherung vorliege. Ein solches Verständnis stehe aber mit der Systematik des Gesetzes nicht in Einklang (aaO S. 323). § 55 VVG verbiete dem Versicherer nicht, mehr zu versprechen als den Ersatz des Zeitwerts. Ein ungeschriebenes allgemeines Bereicherungsverbot im Sinne eines zwingenden, die Neuwertversicherung einschränkenden Rechtssatzes gebe es nicht (aaO S. 326). Danach sei der Versicherer wie jeder andere Vertragspartner an sein Leistungsversprechen gebunden, wenn nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstünden oder gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen ihm die Möglichkeit eröffneten, sich davon zu befreien. Ein weitergehender Schutz des Versicherers durch ein ungeschriebenes Bereicherungsverbot sei auch nicht notwendig. Der Versicherer sei in der Lage, seine Interessen durch eine sachgerechte Risikoprüfung und durch die Vereinbarung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu wahren (aaO S. 327).

Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Was der Versicherer vertraglich versprochen hat, muß er halten. Er kann sich von seinem Versprechen nicht unter Berufung auf ein angebliches Bereicherungsverbot lösen, es sei denn, das Gesetz bestimmt ausdrücklich etwas anderes. Das ist mit § 55 VVG nicht der Fall.

2. Eine gesetzliche Leistungseinschränkung ergibt sich aus § 57 Satz 2 VVG, wonach die Taxenvereinbarung unwirksam ist, wenn sie den wirklichen Versicherungswert erheblich übersteigt.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, diese Unwirksamkeitsvoraussetzung liege vor. Es ist von dem gutachterlich festgestellten Betrag von 967.114 DM als wirklichem Versicherungswert ausgegangen. Diesen als 100% gesetzt, hat es die Differenz zur Summe nach der Taxe von insgesamt 1.085.000 DM, also von 12,189%, als erhebliche Abweichung im Sinne des § 57 Satz 2 VVG angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach einer Taxe oder Pauschale abzurechnen, sei wegen der ansonsten zu befürchtenden Aushöhlung des Bereicherungsverbots des § 55 VVG nur insoweit möglich, als die Taxe den wirklichen Versicherungswert nicht erheblich übersteige. Die Abweichung nach oben dürfe nicht großzügig zugelassen werden. Zwar weise die Klägerin zutreffend darauf hin, daß die Neuwertversicherung als eine zulässige Ausnahme vom Bereicherungsverbot anerkannt sei. Diese Ausnahme sei aber auf die vorliegende Versicherung nicht übertragbar. Daß mit der Taxierung die Unberechenbarkeit stark schwankender Schweinepreise ausgeglichen werden sollte, schließe die Anwendung des § 57 Satz 2 VVG und die Anwendung des Bereicherungsverbots nicht aus. Als zwingendes Recht wäre das Bereicherungsverbot selbst dann zu beachten, wenn die Parteien bewußt und ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen hätten. Ein besonderes Interesse, eine Abweichung nach oben dann zuzulassen, wenn der tatsächliche Schaden feststehe, sei nicht ersichtlich.

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, hier weiche die vereinbarte Taxe erheblich von dem wirklichen Versicherungswert ab, ist erkennbar von der Auffassung von einem zwingenden, allgemein gültigen Bereicherungsverbot geprägt, das es - wie oben ausgeführt - in dieser Weise jedoch nicht gibt. Dem Berufungsgericht kann auch im Ergebnis nicht zugestimmt werden.

In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Frage unterschiedlich beantwortet, wann eine erhebliche Abweichung vorliegt (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, 26. Aufl. § 57 Rdn. 3; Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. § 57 Anm. 36; Schauer in Berliner Kommentar, VVG 1999, § 57 Rdn. 14, je m.w.N. zur Rechtsprechung). Überwiegend werden Abweichungen von mehr als 10% als erheblich angesehen. Dies wird auf viele Fälle auch zutreffen. Indessen wird die Festlegung auf einen Maßstab von 10% nicht allen Fällen gerecht. Entscheidend sind Art und Zweck der Versicherung und der Grund, aus dem die Parteien im jeweiligen Fall eine Taxe vereinbart haben. Eine feste, in einer starren Prozentzahl ausgedrückte Grenze kann deshalb nicht für alle Fälle bestimmt werden (vgl. Römer in Römer/Langheid, aaO § 57 Rdn. 2). Des weiteren ist der Zweck des § 57 VVG zu berücksichtigen, der darin besteht, die Feststellung der Höhe des vom Versicherer zu leistenden Schadensersatzes zu erleichtern (vgl. Motive zu § 57 VVG). Dieser Zweck würde gefährdet, wenn das Interesse der Parteien an der Verläßlichkeit der Vereinbarung einer Taxe außer acht bliebe. Deshalb ist diesem Zweck abwägend gegenüberzustellen, daß nach § 57 Satz 2 VVG die Taxe erst dann nicht mehr gelten soll, wenn eine erhebliche Bereicherung des Versicherungsnehmers einträte. Mit ihr würde auch das subjektive Risiko erheblich vergrößert werden. Diese Maßstäbe führen im vorliegenden Fall nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten Taxe.

c) Ausgehend von der Annahme des Berufungsgerichts, der wirkliche Versicherungswert betrage entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen Dr. N. 967.114 DM, übersteigt die vereinbarte Taxe, nach der die Beklagte 1.085.000 DM zu leisten hat, den wirklichen Versicherungswert nicht erheblich.

Mit der Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes von 1.000 DM je getötete Zuchtsau verfolgten die Parteien den Zweck, die Feststellung der Schadenshöhe zu erleichtern. Nach dem Versicherungsvertrag sollte mit der Leistung gemäß dieser Taxe, wie auch das Berufungsgericht richtig festgestellt hat, nicht das Risiko des Verlustes abgedeckt werden, der durch die Tötung der Tiere unmittelbar entstand. Entsprechend dem Zweck der Tierseuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung ging es vielmehr um die Absicherung des Risikos eines mittelbaren Schadens, der seine Ursache in der Unterbrechung der Zucht hat. Dieser Schaden wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die bei Vertragsschluß im einzelnen nicht vorhersehbar sind. Unvorhersehbar ist z.B. die Dauer der Betriebsunterbrechung, die ihrerseits von sehr unterschiedlichen Umständen abhängen kann. So war im zu entscheidenden Fall die Beseitigung der infizierten Gülle nicht in einem kurzen Zeitraum möglich, wodurch sich die Wiederaufnahme des Zuchtbetriebs verzögerte. Ein weiterer den etwaigen Schaden bestimmender Faktor ist der Einkaufspreis der zuzukaufenden Zuchttiere, ebenso wie der Verkaufspreis der gezüchteten Tiere. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß diese Preise erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Nach dem Vortrag der Klägerin sollen auf diesem Sondermarkt für Sauen die Preisschwankungen bis zu 300% betragen. Wenn die Parteien vor diesem Hintergrund den Betriebsunterbrechungsschaden dadurch pauschalierten, daß sie den Ersatz an den Verlust der Tiere knüpften und 1.000 DM je Zuchtsau vereinbarten, so bezweckten sie damit, die Schwierigkeiten zu umgehen, die bei der konkreten Feststellung des Schadens wegen der Vielzahl der den Schaden bestimmenden Faktoren und ihrer Bewertung notwendig auftreten mußten. Mit der Pauschalvereinbarung ist die Leistungspflicht der Beklagten lediglich an die Feststellung gebunden, daß und wieviel Tiere getötet wurden und daß dadurch eine Betriebsunterbrechung eingetreten ist. Die Parteien waren sich bei Vertragsschluß bewußt, daß der tatsächliche, konkrete Schaden wesentlich geringer, aber auch wesentlich höher als die Pauschale sein kann. Gerade wegen der Vielzahl der den Schaden bestimmenden Faktoren und der Unsicherheit ihres Eintritts im einzelnen stand schon bei Vertragsschluß fest, daß sich der tatsächliche Schaden innerhalb einer beträchtlichen Schwankungsbreite bewegen wird. Dann aber ist es nicht gerechtfertigt, wenn sich der tatsächliche Schaden in diesem vorhersehbaren Rahmen hält, den Anspruch des Versicherungsnehmers unter dem Gesichtspunkt des § 57 Satz 2 VVG zu beschränken. Bei der Beurteilung, ob der tatsächliche Wert erheblich von der vereinbarten Taxe abweicht, ist vielmehr zu berücksichtigen, daß die Parteien mit größeren Abweichungen von der Pauschale gerechnet haben oder aufgrund der Umstände hätten rechnen müssen, aber dennoch die Pauschale wegen der mit ihr verbundenen Vorteile vereinbarten.

Die hier vorliegende Differenz zwischen tatsächlichem Schaden und der vereinbarten Taxe liegt nicht außerhalb dieses Rahmens. Dann aber durfte sich die Klägerin auch darauf verlassen, daß die Beklagte ihre versprochene Leistung nach der Pauschale erbringen werde. Die Differenz ist auch nicht geeignet, das subjektive Risiko als erhöht anzusehen, zumal die Eigenart der Schadensursache, nämlich die Erkrankung der Tiere, das subjektive Risiko von vornherein als gering erscheinen läßt.

Diesen Erwägungen steht nicht entgegen, daß die Parteien die Pauschale von 1.000 DM je Zuchtsau als Höchstbetrag vereinbart haben. Damit hat die Beklagte lediglich das von ihr übernommene Risiko nach oben begrenzt.

III. Die Beklagte ist nicht von ihrer vertraglichen Pflicht zur Leistung entsprechend der vereinbarten Pauschale dadurch befreit worden, daß die Klägerin mit Datum vom 1. April 1997 das Formular "Sachverständigen- und Obmannernennung" unterzeichnet hat.

1. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die Parteien mit der Vereinbarung, einen Sachverständigen mit der Feststellung des Schadens zu beauftragen, den Inhalt des Versicherungsvertrages ändern wollten und geändert haben. Nach dem vorgedruckten Wortlaut des Formulars sollte sich der Inhalt des Gutachtens nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen richten. Diese sahen aber kein Sachverständigenverfahren vor. Allerdings kann ein Sachverständigenverfahren auch noch nach Abschluß des Versicherungsvertrages ergänzend vereinbart werden. Wollte man solch eine Vereinbarung in der Unterzeichnung des Formulars sehen, so fehlte jedenfalls der zum Ausdruck kommende Wille der Klägerin, die Feststellungen des Sachverständigen insoweit als für sich bindend anzuerkennen, als damit die Höhe ihres Anspruchs endgültig außer Streit ist.

2. Die mangelnde Bindung der Klägerin an das Gutachten des Sachverständigen hindert nicht, daß von dem Betrag des Schadens, wie ihn der Sachverständige ermittelt hat, für die Beurteilung einer erheblichen Abweichung im Sinne des § 57 Satz 2 VVG ausgegangen wird. Denn jedenfalls ist der Inhalt des Gutachtens als Parteivortrag der Beklagten zu werten, die sich zur Begründung einer erheblichen Abweichung auf das Gutachten berufen hat. Da aber schon nach ihrem so gearteten Vortrag keine erhebliche Abweichung festzustellen und die Beklagte für diese Voraussetzung darlegungsbelastet ist, bedarf es keiner weiteren Feststellungen durch das Berufungsgericht. Der Senat kann damit in der Sache selbst entscheiden.

IV. Der vom Landgericht festgestellte Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen entspricht der Regelung des § 9 Abs. 2 TSBU. Die Beklagte hätte die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Vertrag, nämlich die Tötung der Tiere, ihre Anzahl und die Betriebsunterbrechung ohne jede Schwierigkeit und ohne zeitliche Verzögerung feststellen können. Daß sie die Vereinbarung einer Taxe außer acht gelassen hat, geht nicht zu Lasten der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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