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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.09.2006
Aktenzeichen: IV ZR 143/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 156
ZPO § 156 Abs. 1
ZPO § 296a
ZPO § 544 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 143/05

vom 27. September 2006

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch

am 27. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert: 1.091.900 €

Gründe:

Das Berufungsgericht gewinnt seine Überzeugung von der Testamentsfälschung - wie schon die Strafkammer im vorausgegangenen Verfahren gegen den Notar - auf zwei verschiedenen, voneinander insgesamt unabhängigen Wegen: Über die Gesamtschau der einschlägigen Indizien ohne sachverständige Begutachtung der Testamentsurkunde einerseits und über das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung dieser Urkunde in dem Strafverfahren andererseits.

I. Bereits die erste Begründung trägt die festgestellte Fälschung des Testaments durch den Notar. Die Beschwerde greift die tatrichterliche Würdigung der vorgetragenen unstreitigen, zugestandenen und urkundlich belegten Tatsachen und die grundsätzliche Möglichkeit, darüber die volle richterliche Überzeugungsbildung zu erreichen, zu Recht nicht an. Vergeblich rügt sie indes, das Berufungsgericht habe bei der abschließenden Gesamtwürdigung gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil es nicht - wie von den Beklagten beantragt - den Notar als Zeugen zu ihrer Behauptung vernommen hat, er habe die Testamentsurkunde ordnungsgemäß errichtet.

Die Begründung des Berufungsgerichts, diese pauschale Behauptung reiche angesichts des substantiierten und überwiegend unstreitigen Vortrages des Klägers zur Testamentsfälschung für eine Zeugenvernehmung nicht aus, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.

1. In welchem Maße eine Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen untermauern muss, hängt vom Einzelfall ab, insbesondere auch davon, inwieweit der Vortrag der Gegenpartei Anlass zu einer weiteren Aufgliederung und Ergänzung der Sachdarstellung bietet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 - III ZR 87/88 - VersR 1990, 656 unter II 2 a). Zu dieser so genannten Substantiierung hat die Partei nur Anlass, wenn ihr Vortrag in einer hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsfolge bedeutsamen Weise unvollständig, mehrdeutig oder sonst unklar ist oder wird und den Schluss auf die behauptete Tatsache damit nicht mehr zulässt (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1987 - VII ZR 252/86 - BauR 1988, 121 unter II; vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vgl. auch Urteile vom 16. Oktober 1985 - VIII ZR 287/84 - NJW 1986, 919 unter I 1; vom 12. Dezember 1984 - VIII ZR 295/83 - WM 1985, 431 unter III 2).

2. Das Berufungsgericht hat - von der Beschwerde nicht angegriffen - nach entsprechendem Vortrag des Klägers zum einen als unstreitig festgestellt, dass der Beklagte zu 1) den Notar überzeugt hatte, ein notarielles Testament zugunsten der Beklagten zu fälschen; zum anderen hat es festgestellt, dass die Unterschrift der Erblasserin unter der Kopie der vom Notar gefertigten handschriftlichen Fassung des Testaments eine Pausfälschung ist. Mithin ist ebenfalls unstreitig, dass der Notar das handschriftliche Testament seinem entsprechenden Vorsatz folgend tatsächlich gefälscht hat. Danach war der schlichte Vortrag der Beklagten, der Notar habe das maschinenschriftliche Originaltestament (dennoch) ordnungsgemäß errichtet, unklar, also ergänzungsbedürftig. Es erscheint höchst unwahrscheinlich und ist ohne jegliche erklärende Erläuterung nicht nachzuvollziehen, dass ein Notar ein Testament in seiner handschriftlichen Fassung fälscht und sogleich eine wortgleiche gedruckte Fassung ordnungsgemäß beurkundet. Die Beklagten haben keinen Versuch unternommen, die sich daraus ergebenden Widersprüche auszuräumen, obwohl ihnen vom Landgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2002 und vom Berufungsgericht mit Berichterstattervermerk vom 10. Mai 2005 hinreichende Gelegenheit zu weiteren Ausführungen gegeben worden ist. Es fehlt insbesondere schon an jedem Vortrag, mit dem der den Ausgangspunkt bildenden Fälschungsabrede und den weiteren unstreitigen Umständen entgegengetreten worden wäre.

Unter diesen Umständen konnte das Berufungsgericht die beantragte Zeugenvernehmung mangels hinreichender Substantiierung zurückweisen.

II. Im Ergebnis hat auch die Gehörsrüge der Beschwerde zu dem zweiten Begründungsansatz des Berufungsgerichts wegen der unterbliebenen Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht hinreichend sachkundig war zu beurteilen, dass ein neues Gutachten ohne das Originaltestament keine maßgebliche Aussagekraft haben könne. Der Beklagtenvertreter hatte nach dem ausdrücklichen Hinweis des Landgerichts, das Sachverständigengutachten B. verwerten zu wollen, lediglich erklärt, das in Auftrag gegebene Privatgutachten werde sich damit auseinandersetzen, "ob die Erkenntnisse der im Strafverfahren eingeholten Gutachten heute noch so vertretbar sind". Eine Schriftsatzfrist (§ 139 Abs. 5 ZPO) wurde nicht beantragt. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht die im nicht nachgelassenen Schriftsatz nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erhobenen Einwände gegen das Sachverständigengutachten B. gemäß § 296a ZPO unberücksichtigt gelassen. Auch die Berufungsbegründung enthält keine Erklärung, warum das Privatgutachten, mit dem die Beklagten erstmalig das Sachverständigengutachten angreifen, nicht eher hätte eingereicht werden können. Die Tatrichter haben mit Blick auf die ungesicherten Anknüpfungstatsachen, von denen der Privatgutachter ausgegangen ist, ihr gemäß § 156 Abs. 1 ZPO zustehendes freies Ermessen bei der Entscheidung, nicht wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten, fehlerfrei ausgeübt. Auch die Beschwerde erhebt zu § 156 ZPO keine Rügen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

Ende der Entscheidung

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