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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: IV ZR 145/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 416
Die Beweisregel des § 416 ZPO erstreckt sich auch auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung. Dem Aussteller steht jedoch der Gegenbeweis offen, dass ihm die nur als Entwurf gedachte Urkunde abhanden gekommen ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - IV ZR 39/02 - VersR 2003, 229).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 145/05

Verkündet am: 8. März 2006

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 11. April 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Verwertung einer der Beklagten gegebenen Sicherheit.

Sie bestellte dieser mit notariellen Urkunden vom 30. Januar/22. Februar 2001 eine Grundschuld über 250.000 DM (127.822,97 €) an ihrem in B. belegenen Hausgrundstück. Die Grundschuld sollte einen Kontokorrentkredit über 300.000 DM (153.387,56 €) besichern, den die Beklagte am 7. Februar 2001 einer GmbH & Co. KG gewährte; an dieser war der Ehemann der Klägerin gemeinsam mit dem Gesellschafter A. beteiligt.

Am 14. Februar 2001 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine vorbereitete Zweckerklärung, die sie unterzeichnete und die nachfolgend in den Besitz der Beklagten gelangte. Nachdem die Gesellschaft im Januar 2003 in Vermögensverfall geraten war, kündigte die Beklagte den Kredit, stellte daraus eine Forderung in Höhe von 189.366,07 € fällig und nahm die Klägerin aus der Sicherheit in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend, sie habe die Angelegenheit noch einmal überdenken wollen und die unterzeichnete Zweckerklärung daher nicht abgesandt, sondern in einem persönlichen Fach zu ihren Unterlagen genommen. Ihr Ehemann habe die Urkunde am 21. Februar 2001 ohne ihr Wissen daraus entnommen und gegen ihren - ihm bekannten - Willen der Beklagten übermittelt. Die Klägerin ist der Meinung, es liege keine wirksame Willenserklärung vor. Hilfsweise hat sie gegenüber der Beklagten die Anfechtung wegen Irrtums und zusätzlich wegen arglistiger Täuschung über Umfang und Werthaltigkeit der übrigen Sicherheiten erklärt.

In erster Instanz hat die Klägerin beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 30. Januar 2001 für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der Grundschuld zuzustimmen und die Löschungsunterlagen an sie auszuhändigen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Verkündung dieser Entscheidung ist das Grundstück der Klägerin unter Löschung der streitgegenständlichen Grundschuld freihändig veräußert worden. Die Klägerin hat daraufhin die Herausgabe des von der Beklagten in Höhe von 184.895,85 € erzielten Erlöses nebst Zinsen verlangt. Damit ist sie vor dem Berufungsgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat ausgeführt: Die Beklagte sei um den aus der Verwertung der Sicherheit erzielten Erlös nicht ungerechtfertigt bereichert. Die Grundschuld sei wirksam und mit Rechtsgrund bestellt worden. Die von der Klägerin unterzeichnete Zweckerklärung sei der Beklagten zugegangen; einer Erklärung der Annahme des Angebots auf Abschluss eines Sicherungsvertrages seitens der Beklagten habe es gemäß § 151 BGB nicht bedurft. Der Behauptung der Klägerin, ihr sei die Urkunde abhanden gekommen, sei nicht nachzugehen. Die formelle Beweiskraft einer echten Urkunde erstrecke sich gemäß § 416 ZPO auch auf die Begebung der schriftlichen Willenserklärung. Der Gegenbeweis stehe der Klägerin als Ausstellerin nicht offen. Denn dieser sei in den §§ 415 Abs. 2, 418 Abs. 2 ZPO allein für öffentliche Urkunden zugelassen. Eine - im Gesetzgebungsverfahren erwogene - Erweiterung des Gegenbeweises auch auf private Urkunden habe der Gesetzgeber abgelehnt.

Es könne somit dahinstehen, ob die Parteien konkludent eine (weitere) Sicherungsabrede geschlossen hätten, wogegen die Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB spreche, oder ob sich dem zwischen der Gesellschaft und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag eine (zusätzliche) Zweckabrede entnehmen lasse.

Auch die Berechtigung der Klägerin, die von ihr unterzeichnete Zweckerklärung wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder falscher Übermittlung (§ 120 BGB entsprechend) anzufechten, könne offen bleiben. Es sei allerdings schon zweifelhaft, ob die Anfechtung innerhalb der Frist des § 121 BGB erfolgt sei. Soweit sich die Klägerin auf einen Irrtum über die Vermögensverhältnisse des Mitgesellschafters A. und dessen Ehefrau berufe, handele es sich zudem um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Überdies wäre die Klägerin der Beklagten gemäß § 122 BGB zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet. Ohne die Abgabe der Zweckerklärung hätte die Beklagte der Gesellschaft den Kredit nicht gewährt; ein Verlust, der seiner Höhe nach der Klageforderung entspreche, wäre ihr dann nicht entstanden.

Die Voraussetzungen einer - erstmals in der Berufungsinstanz erklärten - Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB habe die Klägerin nicht vorgetragen. Das Verhalten des Mitgesellschafters, der wahrheitswidrig erklärt haben solle, auch seine Ehefrau und er hätten eine Grundschuld über 250.000 DM bestellt, sei der Beklagten nicht zuzurechnen (§ 123 Abs. 2 BGB). Soweit die Klägerin den Mitgesellschafter als Beauftragten und Vertrauensperson der Beklagten bezeichne, sei ihr darauf beruhender Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Eine eigene Kenntnis der Beklagten vom Verhalten des Mitgesellschafters habe die Klägerin nicht dargelegt. Schließlich habe die Beklagte nicht die Pflicht gehabt, die Klägerin über eine fehlende Werthaltigkeit der sonstigen Sicherheiten oder ein etwaiges, schon im Jahre 2001 bestehendes Insolvenzrisiko der Gesellschaft aufzuklären. Dass es der Klägerin besonders auf eine gleichmäßige Belastung beider Mitgesellschafter und ihrer Ehefrauen angekommen sei, sei ihrem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen zufolge der Beklagten nicht bekannt gewesen. Ihr Vortrag in zweiter Instanz sei unsubstantiiert und zudem gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Die Klägerin hat den Rechtsstreit mit Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage begonnen und diese in zweiter Instanz als so genannte verlängerte Vollstreckungsgegenklage fortgeführt. Sie begehrt nunmehr von der Beklagten den erlangten Veräußerungserlös von 184.895,85 €. Das unterliegt keinen Bedenken, weil die Klägerin nur die prozessuale Konsequenz aus dem Umstand gezogen hat, dass das belastete Grundstück unter Löschung der Grundschuld freihändig veräußert und eine weitere Zwangsvollstreckung dadurch gegenstandslos geworden ist (§§ 264 Nr. 3, 525 ZPO; BGHZ 99, 292, 294; BGH, Urteil vom 12. Juli 2002 - V ZR 195/01 - unter II 1 m.w.N.).

2. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt richtig geprüft, ob zwischen den Parteien ein schriftlicher Sicherungsvertrag zustande gekommen ist, der den Rechtsgrund für die der Beklagten bestellte Grundschuld darstellt. Es hat weiter zutreffend erkannt, dass eine empfangsbedürftige schriftliche Willenserklärung - hier das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines solchen Vertrages - zu ihrer Wirksamkeit nicht nur der Niederschrift bedarf, sondern darüber hinaus willentlich in den Verkehr gebracht werden muss; anderenfalls braucht der Erklärende sie nicht gegen sich gelten zu lassen, weil sie mangels Begebung noch nicht als solche existent geworden ist (BGHZ 65, 13, 14 f.). In diesem Zusammenhang begründet die von der Klägerin unterschriebene Zweckerklärung gemäß § 416 ZPO den vollen Beweis dafür, dass die darin enthaltenen Erklärungen von ihr als Ausstellerin abgegeben worden sind. Darüber hinaus schließt die formelle Beweiskraft der Urkunde den Begebungsakt ein (Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 - IV ZR 39/02 - VersR 2003, 229). Die Beklagte kann sich daher auch insoweit auf die in ihren Besitz gelangte Urkunde berufen.

3. Nicht zuzustimmen ist jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe der Gegenbeweis nicht offen, dass die nur als Entwurf gedachte und im Hinblick darauf zurückgehaltene Urkunde ihr aufgrund eigenmächtigen Handelns des Ehemannes abhanden gekommen sei.

Allerdings ist streitig, ob der Beweis gegen die formelle Beweiskraft von Privaturkunden im Sinne des § 416 ZPO zuzulassen ist (bejahend Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 416 Rdn. 11; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 27. Aufl. § 416 Rdn. 4; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 416 Anm. C I; Musielak/Huber, ZPO 4. Aufl. § 416 Rdn. 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO 16. Aufl. § 118 Rdn. 29; Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. § 440 Rdn. 3; verneinend MünchKomm-ZPO/Schreiber, 2. Aufl. § 416 Rdn. 10; Hk-ZPO/Eichele, § 416 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 64. Aufl. § 416 Rdn. 7).

a) Der Senat folgt der Auffassung, wonach der Aussteller den Gegenbeweis führen kann, dass ihm die Urkunde entzogen worden ist. Die dagegen vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Sie beruhen im Wesentlichen auf einer Gegenüberstellung des § 416 ZPO einerseits mit den §§ 415 Abs. 2, 418 Abs. 2 ZPO andererseits. Die zuletzt genannten Bestimmungen, die dem Aussteller den Gegenbeweis ausdrücklich eröffnen, sind auf die Besonderheiten öffentlicher Urkunden zugeschnitten, die bei privaten Urkunden nicht bestehen. Bei öffentlichen Beurkundungsvorgängen ist typischerweise eine Urkundsperson zwischengeschaltet, so dass sich die Gefahr zusätzlicher (formeller) Fehler erhöht. Die Beweiskraft öffentlicher Urkunden reicht zudem weiter als die privater Urkunden, was die §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO verdeutlichen. Es geht nicht nur um die Urheberschaft der Erklärung, sondern überdies darum, ob der Vorgang insgesamt - etwa hinsichtlich des Datums und des Ausstellungsortes - richtig beurkundet ist. Der in §§ 415 Abs. 2, 418 Abs. 2 ZPO vorgesehene Gegenbeweis trägt diesen Besonderheiten Rechnung, indem er den Nachweis ermöglicht, die formell vermutete Richtigkeit des Beurkundungsvorgangs sei nicht gegeben. Daraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, § 292 ZPO gelange bei privaten Urkunden von vornherein nicht zur Anwendung, zumal sich die - hier entscheidende - Frage des Abhandenkommens bei öffentlichen Urkunden, die sich üblicherweise in amtlicher Verwahrung befinden, regelmäßig nicht stellt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1979 - V ZR 93/77 - NJW 1980, 1047 unter I).

b) Auch den Motiven zur Zivilprozessordnung (Hahn, Materialien zur Zivilprozessordnung 2. Aufl., Abteilung 1 S. 322) kann nicht entnommen werden, dass der Gegenbeweis bei privaten Urkunden nicht zugelassen werden soll; insbesondere hat der Gesetzgeber eine Erweiterung des Gegenbeweises auf private Urkunden nicht ausdrücklich abgelehnt. Die Einfügung des Absatzes 2 in den damaligen § 367 ZPO (heute § 415 ZPO) sollte vielmehr klarstellende Bedeutung dahin haben, dass auch bei öffentlichen Urkunden der Gegenbeweis statthaft ist. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise Zweifel ausräumen, welche damals hinsichtlich der Zulässigkeit des Beweises gegen den Inhalt einer öffentlichen Urkunde bestanden, nicht aber die Beweisführung des Ausstellers einer privaten Urkunde gegen deren formelle Richtigkeit beschränken.

c) Hinzu tritt: Die formelle Beweiskraft gemäß § 416 ZPO bezieht ihre Berechtigung daraus, dass es sich um eine echte Urkunde handelt. Der (vermeintliche) Aussteller kann der Urheberschaft entgegentreten und die Echtheit der ihm zugeschriebenen Unterschrift bestreiten (§§ 440, 439 ZPO); wird die Echtheit bestritten, trägt die gegnerische Partei, die sich auf die private Urkunde stützt, die Beweislast, dass die Unterschrift vom behaupteten Aussteller stammt (§ 440 Abs. 1 ZPO). Erst wenn der Beweis für die Echtheit der Unterschrift geführt ist, hat die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (§ 440 Abs. 2 ZPO), wobei dem Aussteller der Beweis gegen die vermutete Übereinstimmung des Urkundeninhalts mit seinem Willen freisteht (§ 292 ZPO). Das gilt sogar dann, wenn er sich darauf beruft, eine von ihm unterzeichnete Blanketterklärung sei im Nachhinein abredewidrig ausgefüllt worden (BGHZ 104, 172, 175 f.). Ist die Echtheit der Unterschrift hingegen nicht bewiesen oder der Gegenbeweis geführt, kommt auch die formelle Beweisregel des § 416 ZPO nicht mehr zum Tragen (BGHZ aaO).

Der Aussteller, dem eine echte Urkunde abhanden gekommen ist, sieht sich hingegen ohne weiteres der formellen Beweiskraft des § 416 ZPO ausgesetzt, da die §§ 439, 440 ZPO den Begebungsakt nicht erfassen (MünchKomm-ZPO/Schreiber aaO § 440 Rdn. 5). Es ist jedoch kein sachlicher Grund zu erkennen, weshalb er nach anderen Beweisgrundsätzen zu behandeln sein sollte, als eine Partei, die die Übereinstimmung des Urkundeninhalts mit ihrem tatsächlichen Willen bestreitet. Insbesondere ist, worauf auch die Revision zu Recht verweist, zwischen dem abredewidrigen Ausfüllen eines vom Aussteller unterschriebenen Blanketts und dem abredewidrigen Begeben einer vom Aussteller stammenden Erklärung kein prinzipieller Unterschied zu erkennen, der den Ausschluss des Gegenbeweises rechtfertigen könnte.

4. Das angefochtene Urteil beruht auf diesem rechtsfehlerhaften Verständnis des § 416 ZPO. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, steht der Klägerin der Gegenbeweis offen, dass ihr die nur als Entwurf gedachte Zweckerklärung gegen ihren Willen entzogen worden ist. Das Berufungsgericht wird der Richtigkeit ihrer Behauptungen durch Beweisaufnahme nachzugehen und den von der Klägerin benannten Ehemann als Zeugen zu hören haben.

III. Die Klage kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch aus anderen Gründen keinen Erfolg haben.

1. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass der Urkundsbeweis grundsätzlich nur durch Vorlage des Originals angetreten werden kann (§ 420 ZPO; vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1986 - II ZR 56/85 - WM 1986, 400 unter II 2; vom 21. Januar 1992 - XI ZR 71/91 - ZIP 1992, 253 unter III 2), woran es für die streitbefangene Zweckerklärung fehlt. Dennoch hindert dies die Beklagte nicht, sich auf die formelle Beweiskraft des § 416 ZPO zu berufen. Die Vorlage des Originals dient dazu, Echtheit und (äußere) Fehlerfreiheit der Urkunde hinreichend sicher festzustellen (BGH, Urteil vom 16. November 1979 aaO). Diese werden von der Klägerin indes nicht angegriffen. Sie hat auch in den Vorinstanzen nicht gerügt, dass die Beklagte lediglich eine Kopie der Zweckerklärung vorgelegt hat. Das Berufungsgericht durfte daher von der Übereinstimmung der Ablichtung mit der Originalurkunde und von der Existenz der Originalurkunde ausgehen (BGH, Urteil vom 28. September 1989 - VII ZR 298/88 - WM 1990, 73 unter 2 c). Überdies ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Beklagte die Originalurkunde in ihrem Besitz hat. Es geht ausschließlich um die Frage, ob die Originalurkunde gegen oder mit dem Willen der Klägerin in den Besitz der Beklagten gelangt ist. Das wird das Berufungsgericht - wie ausgeführt - aufzuklären haben.

2. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob zwischen den Parteien eine stillschweigende Sicherungsvereinbarung zustande gekommen ist, die es entbehrlich machen könnte, auf die spätere schriftliche - möglicherweise gegen den Willen der Klägerin begebene - Willenserklärung abzustellen. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht mit Recht auf die Bestimmung des § 154 Abs. 2 BGB hingewiesen. Für eine Beurkundungsvereinbarung im Sinne der genannten Vorschrift spricht insbesondere, dass der zwischen der Gesellschaft und der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag eine Begebung der Sicherheit "gemäß Zweckerklärung" ausdrücklich vorsieht und die Klägerin als (künftige) Sicherungsgeberin benennt. Folgerichtig hat die Beklagte nach Abschluss des Darlehensvertrages der Klägerin die von ihr vorbereitete Zweckerklärung zur Unterschrift übersandt; letztere ist ebenfalls ersichtlich von dem Erfordernis eines schriftlichen Sicherungsvertrages ausgegangen.

In einem solchen Fall ist der Sicherungsvertrag im Zweifel erst mit der Beurkundung und nicht bereits durch vorherige (konkludente) Absprache geschlossen. Selbst eine Einigung über alle wesentlichen Punkte bedeutet noch keine Abstandnahme von der - gerade bei Bankgeschäften üblichen - konstitutiven Beurkundung (BGHZ 109, 197, 200; BGH, Urteil vom 16. Juni 1981 - V ZR 114/80 - WM 1982, 443 unter II 1).

3. Das Vorbringen der Klägerin lässt weiter nicht die Annahme zu, sie habe gegen die Beklagte einen auf Freistellung von der Sicherungsvereinbarung gerichteten Anspruch aus culpa in contrahendo, so dass es deshalb auf abschließende Feststellungen zum wirksamen Zustandekommen der Zweckabrede nicht ankäme.

Es bestand für die Beklagte grundsätzlich keine Pflicht zur Aufklärung über das Sicherheitenrisiko. Solange sich der Sicherungsgeber nicht ausdrücklich danach erkundigt, darf der Sicherungsnehmer davon ausgehen, dass ersterer sich ausreichend über das von ihm eingegangene Risiko unterrichtet hat. Der Sicherungsnehmer muss die eigene Einschätzung des Risikos nicht ungefragt offenbaren und sich auch nicht über den Wissensstand des Sicherungsgebers unterrichten, sofern nicht bei diesem für ihn erkennbar ein Irrtum über ein erhöhtes Risiko besteht (BGH, Urteile vom 15. April 1997 - IX ZR 112/96 - VersR 1997, 1011 unter I 4; vom 16. Januar 1996 - XI ZR 151/95 - NJW 1996, 1206 unter II 2). Dazu hat die Klägerin nicht genügend vorgetragen. Das gleiche gilt für ihren Standpunkt, die Beklagte müsse sich etwaiges unredliches Verhalten des Mitgesellschafters A. zurechnen lassen. Auch die Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO durch das Berufungsgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Aus den gleichen Gründen fehlt es für eine erfolgreiche Anfechtung nach § 123 BGB an einem Anfechtungsgrund, so dass dahingestellt bleiben kann, ob die Anfechtung durch die Klägerin rechtzeitig erklärt worden ist.

IV. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht zu beachten haben:

1. Gelingt der Klägerin der Gegenbeweis, dass ihr Ehemann die Zweckerklärung gegen ihren Willen an sich gebracht und der Beklagten übersandt hat, fehlt es an einem Begebungsakt und damit an einer wirksamen Willenserklärung. Diese wäre als solche rechtlich nicht existent, weil sich die Klägerin ihrer nicht aus eigener Veranlassung entäußert hätte. Der Klägerin als Ausstellerin darf dann das Risiko des Abhandenkommens der von ihr unterzeichneten Urkunde nicht allein aufgebürdet werden, weil eine allgemein gesteigerte Vertrauenshaftung für Urkunden dem geltenden Recht fremd ist. Es wäre vielmehr zu prüfen, ob die Klägerin die Verwendung der Urkunde durch nicht sorgfältige Verwahrung ermöglicht hat. Dann käme ein Anspruch der Beklagten aus culpa in contrahendo in Betracht; dazu bedürfte es eines der Klägerin zurechenbaren Verschuldens (BGHZ 65, 13, 14 f.; BGH, Urteil vom 20. März 1986 - III ZR 236/84 - NJW 1986, 2104 unter II 6 a und b; zur Zurechenbarkeit einer Willenserklärung bei fehlendem Erklärungsbewusstsein vgl. BGHZ 91, 324, 330). Das wird das Berufungsgericht zu prüfen und dabei zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag die Urkunde in ihrem privaten Bereich verwahrt hat und ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgehen musste, ihr Ehemann werde diese gegen ihren - ihm zuvor offenbarten - Willen an sich nehmen.

2. Hat die Klägerin nicht generell das Risiko eines Abhandenkommens von ihr vorbereiteter, aber nicht begebener Willenserklärungen zu tragen, wird sich das Berufungsgericht ggf. weiter mit der Frage zu befassen haben, ob dann eine verschuldensunabhängige Haftung in entsprechender Anwendung des § 122 BGB überhaupt in Betracht kommen kann (bejahend Staudinger/Singer, BGB [2004] Vorbem. zu §§ 116 bis 144 Rdn. 49, § 122 Rdn. 10; enger Soergel/Hefermehl, BGB 13. Aufl. § 130 Rdn. 5: nur wenn der Rechtsschein in zurechenbarer Weise herbeigeführt worden ist; im Ergebnis offen BGH, Urteil vom 20. März 1986 aaO; MünchKomm-BGB/Einsele, 4. Aufl. § 130 Rdn. 14). In diesem Zusammenhang ist zu bedenken: Die Vorschrift des § 122 BGB beruht darauf, dass es eine wirksame Willenserklärung gibt, die lediglich aus den in den §§ 119, 120 BGB zugelassenen Gründen der Anfechtbarkeit unterliegt. Macht der Erklärende davon Gebrauch, hat er dem auf die zunächst wirksame und lediglich vernichtbare Willenserklärung vertrauenden Erklärungsempfänger das negative Interesse zu ersetzen. Das ist zu unterscheiden von einer Willenserklärung, die von Anbeginn unwirksam ist und dies auch bleibt, weil sie nicht mit dem Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gelangt ist.

Ende der Entscheidung

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