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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: IV ZR 151/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 141
ZPO § 445
ZPO § 448
ZPO § 544 Abs. 7
BGB § 607 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 151/05

vom 8. März 2006

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch

am 8. März 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. Juni 2005 wird zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 164.840,50 €

Gründe:

Die Beklagte rügt zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG durch rechtsfehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschriften der §§ 448, 141 ZPO. Auf dieser Verletzung kann das angefochtene Urteil beruhen.

I. Das Berufungsgericht hat im Anschluss an die Beweiswürdigung des Landgerichts, das die Klägerin - noch im Urkundsprozess - nach § 445 ZPO als Partei vernommen hat, einen Anspruch der Klägerin aus § 607 Abs. 1 BGB bejaht. Der von der Beklagten im Nachverfahren benannte Ehemann der Klägerin habe sich zu Recht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) berufen; das dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen. Das Landgericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Beklagte gemäß § 448 ZPO als Partei zu vernehmen. Die Beklagte habe in erster Instanz keine ausreichenden Umstände mitgeteilt, aus denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die innere Tatsache geschlossen werden könne, dass sie ihre Willenserklärung im Einverständnis mit der Klägerin nur zum Schein abgegeben habe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Ein Anspruch auf Rückzahlung des der Beklagten überlassenen Betrages besteht schon nach dem unstreitigen Vortrag. Die Darlehensverträge sind von der Klägerin im Original vorgelegt worden; die Echtheit der Urkunden wird von der Beklagten nicht angegriffen. Die Darlehensbeträge sind - wie vertraglich vorgesehen - auf das der Klägerin aufgegebene Konto bei der Stadtsparkasse K. überwiesen worden. Dieses Konto hatte die Beklagte auf ihren Namen zugunsten der Ku. Consult eingerichtet; sie hatte darauf unmittelbaren Zugriff unbeschadet des Umstandes, dass dem Ehemann der Klägerin Kontovollmacht erteilt war. Wenn die Beklagte sich darauf beruft, sie habe die Darlehensbeträge nicht erhalten, ist dem nicht zu folgen. Es mag sein, dass die Beklagte über die betreffenden Beträge nicht für sich persönlich verfügt hat, weil sie nicht auf ihr privates Konto gelangt sind. Das war ausweislich der Darlehensverträge auch nicht vorgesehen, weil die Darlehenssummen der Firma Ku. Consult über das für diese unterhaltene Konto zugute kommen sollten. Dass die Beträge geflossen sind, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt und zudem dadurch dokumentiert, dass sich bei den Akten Kontoauszüge im Original befinden, die entsprechende Überweisungen jeweils einen Tag nach dem Datum der Darlehensverträge belegen. Zudem behauptet die Beklagte nicht, dass die betreffenden Beträge der Firma Ku. Consult oder ihr auf Dauer - etwa schenkweise - verbleiben sollten. Es handelte sich vielmehr um eine Kapitalüberlassung auf Zeit, die der Beklagten dazu verhelfen sollte, dem Finanzamt Zinsaufwendungen vorzuspiegeln, um auf diese Weise steuerliche Vorteile zu erhalten.

2. Es kann im Ergebnis sogar dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 Abs. 1 BGB) gegeben waren. Zwar ist es richtig, dass eine bestimmte vertragliche Regelung nicht gleichzeitig als steuerrechtlich gewollt und als zivilrechtlich nicht gewollt angesehen werden kann. Das setzt indes voraus, dass die steuerlichen Vorteile auf legalem Wege erreicht werden sollen. Ist eine zivilrechtliche Regelung von den Parteien nicht ernstlich gewollt, werden aber gegenüber den Finanzbehörden dennoch entsprechende Angaben gemacht, liegt ein Scheingeschäft mit dem Ziel der Steuerhinterziehung vor (vgl. BGHZ 67, 334, 337 f.; BGH, Urteile vom 17. Dezember 2002 - XI ZR 290/01 - BGH-Report 2003, 543 unter III; vom 5. Juli 1993 - II ZR 114/92 - ZIP 1993, 1158 unter 1 a; Senatsbeschluss vom 2. November 2005 - IV ZR 57/05 unter 1). Darauf läuft der Vortrag der Beklagten hinaus, soweit es um das Vorliegen eines entgeltlichen Darlehensvertrages geht.

In diesem Fall kommt aber eine - wirksame - zinslose Darlehensabrede in Betracht (§ 117 Abs. 2 BGB). Diese ist nicht bereits deshalb verwerflich, weil sie verdeckt gewesen ist oder weil die vorgelagerte Scheinabrede eine Steuerhinterziehung ermöglichen sollte. Allerdings darf die Erlangung der Steuervorteile weder der alleinige noch der Hauptzweck der vertraglichen Vereinbarung gewesen sein (Senatsbeschluss aaO unter 2 m.w.N.). Daran wäre hier zu denken, wenn angesichts des Umstandes, dass der Ehemann der Klägerin das überlassene Kapital sofort wieder abgezogen hat und dies nach dem Vortrag der Beklagten absprachegemäß auch sollte, von einer ernsthaften Kapitalausstattung der Ku. Consult nicht ausgegangen werden könnte. Dann aber wäre eine Rückzahlung immer noch aus Bereicherungsrecht geschuldet, weil die streitbefangenen Beträge in den Verfügungsbereich der Beklagten gelangt sind. Eine nachträgliche Entreicherung scheidet schon deshalb aus, weil die bösgläubige Beklagte sich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen kann.

3. Hingegen kommt es darauf an, ob der Klägerin der unstreitige Rückfluss der Darlehensmittel an ihren Ehemann als Erfüllung der Darlehensschuld oder einer bereicherungsrechtlichen Schuld seitens der Beklagten zuzurechnen ist (§§ 362 Abs. 1, 185 BGB). Diesem Punkt hat das Berufungsgericht nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang geltend, die Klägerin habe gewusst und gebilligt, dass ihr Ehemann die der Beklagten zur Verfügung gestellten Beträge alsbald von dem für die Zwecke der Ku. Consult eingerichteten Konto wieder abziehen sollte; sie sei über den eigentlichen Zweck der Darlehensverträge und den vorgesehenen Zahlungskreislauf unterrichtet gewesen. Die Klägerin ist dazu anlässlich ihrer Parteivernehmung gehört worden. Sie hat sich darauf berufen, bereits von Barabhebungen ihres Ehemannes vom Konto der Beklagten nichts gewusst zu haben. Der Ehemann der Klägerin steht der Beklagten als Beweismittel nicht zur Verfügung, nachdem er in zulässiger Weise von seinem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Eine Parteivernehmung auch der Beklagten haben Landgericht und Berufungsgericht abgelehnt, ohne sich in diesem Zusammenhang mit dem Erfüllungseinwand der Beklagten und ihrer beweisrechtlichen Situation auseinanderzusetzen. Das wird der prozessualen Lage der Beklagten nicht gerecht.

Zwar geht das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass für eine Vernehmung nach § 448 ZPO eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache gegeben sein muss (BGH, Urteile vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - VersR 1999, 994 unter II 2 b aa; vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02 - ZIP 2003, 594 unter II 2 a und b); auch lässt sich eine vom sonstigen Beweisergebnis unabhängige Pflicht zur Parteivernehmung nicht allein aus dem Grundsatz der Waffengleichheit herleiten. Steht nur einer von zwei Prozessparteien ein unabhängiger Zeuge zur Verfügung, trägt § 448 ZPO dem dadurch ausreichend Rechnung, dass er dem Gericht dann, wenn nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlung und Beweisaufnahme eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht, ein Mittel zur Gewinnung letzter Klarheit verschafft (vgl. BGHZ 150, 334, 342). Die Beweisnot der Beklagten für sich allein - weil der einzige zur Verfügung stehende Zeuge sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft - rechtfertigt keine Verminderung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes. Sie erhöht jedoch die Anforderungen an die Begründung, mit der der Tatrichter die Wahrscheinlichkeit verneint; die Gründe seiner Entscheidung müssen erkennen lassen, dass er die Beweisnot der Partei in Erwägung gezogen hat. Mit dem Pozessstoff und bereits vorhandenen Beweisergebnissen müssen sie sich umfassend und widerspruchsfrei auseinandersetzen (BGHZ 110, 363, 366).

Daran fehlt es hier, weil das Berufungsgericht weder zum Ausdruck bringt, die Beweisnot der Beklagten überhaupt berücksichtigt und in seine Entscheidung über die Durchführung einer Parteivernehmung einbezogen zu haben, noch deutlich macht, dass es sich mit dem - entscheidungserheblichen - Erfüllungseinwand und dem Vorbringen der Beklagten dazu in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Zudem hat das Berufungsgericht keine Begründung dafür gegeben, weshalb es die Beklagte nicht zumindest nach § 141 ZPO gehört hat, um auf diese Weise ihrer beweisrechtlichen Situation Rechnung zu tragen und sodann zu entscheiden, ob bei Würdigung des gesamten Prozessstoffes der persönlichen Parteierklärung der Vorzug zu geben ist (vgl. BGH, vom 19. Dezember 2002 aaO unter II 2 b aa; BGH, Beschluss vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 - FamRZ 2004, 21 unter 2). Das wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

Ende der Entscheidung

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