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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.09.2005
Aktenzeichen: IV ZR 153/04
Rechtsgebiete: ZPO, GG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 273 Abs. 3
ZPO § 296
GG Art. 103 Abs. 1
BGB § 2174
BGB § 2287
BGB § 2287 Abs. 1
BGB § 2288 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 153/04

vom 14. September 2005

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke

am 14. September 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. Mai 2004 wird insoweit zugelassen, als die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihrer Widerklage betreffend die Einräumung von Miteigentum an dem Grundstück Rheinstraße 120 sowie Auskunft über die Einnahme aus diesem Grundstück seit dem Erbfall zurückgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. Mai 2004 zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Streitwert bis zum 14. September 2005: 101.483,47 €, für das weitere Verfahren 52.500,00 €.

Gründe:

I. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, der Auszahlung des Guthabens eines dem Geschäftsbetrieb des Erblassers, des Vaters der Parteien, zuzuordnenden Nachlasskontos in Höhe von 12.858,45 € an den Kläger aufgrund eines Vorausvermächtnisses im Erbvertrag der Eltern der Parteien zuzustimmen. Soweit die Beklagte die Feststellung ihrer Alleinberechtigung an vier weiteren Nachlasskonten, die Übertragung eines Drittels an dem Grundstück Rheinstraße 120 sowie hinsichtlich dieses Objekts Auskunft über die seit dem Erbfall gezogenen Einkünfte begehrt, ist ihre Widerklage vom Landgericht abgewiesen worden. Ihre Berufung blieb ohne Erfolg. Die Beklagte möchte mit der Revision, die vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, ihre Schlussanträge aus zweiter Instanz in vollem Umfang weiterverfolgen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht sie zwei Zulassungsgründe geltend: Zum einen sei ihr Vortrag unter Verletzung u.a. von § 296 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG zu Unrecht zurückgewiesen worden, der Erblasser habe ihr die Nachlasskonten zu seinen Lebzeiten nicht - wie die Vorinstanzen angenommen haben - als eine diese Miterben beeinträchtigende, vom Erbvertrag der Eltern abweichende Schenkung, sondern als Entgelt dafür übertragen, dass die Beklagte ihren Brüdern auf Veranlassung des Erblassers Miteigentum an einem der Beklagten allein gehörenden Haus Talstraße 2 eingeräumt habe. Zum anderen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Auffassung der Vorinstanzen, der Erblasser habe das Grundstück Rheinstraße 120 zu seinen Lebzeiten den beiden Brüdern der Klägerin übertragen dürfen, ohne dass dies als beeinträchtigende, dem Erbvertrag widersprechende Schenkung gewertet werden könne, weil die Verfügung durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers, nämlich einen Ausgleich für Vorempfänge der Beklagten zu schaffen, gerechtfertigt sei. Insoweit hält die Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich.

II. 1. Soweit die Beklagte ihre Verurteilung im Umfang der Klageforderung mit der Revision angreifen möchte, sind die vorgetragenen Zulassungsgründe nicht erheblich. In Betracht kommen insoweit nur die Rügen der Beklagten gegen die Zurückweisung ihres Vorbringens zur Entgeltlichkeit der lebzeitigen Kontenübertragungen als verspätet. Das Berufungsgericht stützt die Klageforderung indessen auf §§ 2174, 2288 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach kommt es nicht darauf an, ob der Erblasser den erbvertraglich vermachten Gegenstand entgeltlich oder unentgeltlich weiterübertragen und damit dem Nachlass entzogen hat. Vielmehr ist die Beklagte als Miterbin unabhängig davon verpflichtet, der Erfüllung des erbvertraglichen Vermächtnisses zugunsten des Klägers zuzustimmen (§ 2058 BGB). Darauf weist das Berufungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich hin. Damit setzt sich die Beklagte in der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auseinander.

2. Soweit die Beklagte die Feststellung begehrt, dass sie an den vier weiteren Konten aus dem Nachlass des Vaters der Parteien mit einem Wert von insgesamt 67.734,41 € aufgrund lebzeitiger Übertragung des Erblassers allein berechtigt sei, haben die Vorinstanzen die Widerklage abgewiesen, weil die Beklagte, wenn ihr die Konten überhaupt wirksam übertragen worden seien, deren Gegenwert nach § 2287 Abs. 1 BGB aufgrund des Erbvertrages der Eltern der Parteien zu zwei Dritteln an ihre Brüder herauszugeben habe. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers daran, die Konten allein der Beklagten zukommen zu lassen, sei nicht erkennbar. Den Vortrag der Beklagten, der Erblasser habe ihr die Konten nicht geschenkt, sondern als Entgelt dafür übertragen, dass sie auf seine Veranlassung ihren Brüdern Miteigentum an dem der Beklagten allein gehörenden Haus Talstraße 2 eingeräumt habe, haben die Vorinstanzen als verspätet zurückgewiesen. Die insoweit in der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rügen sind unbegründet und rechtfertigen die Zulassung der Revision auch nicht wegen einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Nach Vorliegen der Klageerwiderung sowie der Stellungnahme des Klägers und des Drittwiderbeklagten zur Widerklage hat das Landgericht zur Vorbereitung des Termins zur ersten mündlichen Verhandlung am 21. August 2002 in einer Verfügung vom 4. Februar 2002 u.a. den Hinweis gegeben, in Bezug auf die streitige Abtretung der Konten sei zu klären, ob § 2287 BGB Platz greife; auch insoweit wurde den Parteien eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen gesetzt. Zu Unrecht rügt die Beschwerde, die Dauer dieser Frist sei unklar. Der vorliegende Fall unterscheidet sich vielmehr deutlich von demjenigen, der dem von der Beschwerde zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts NJW 1982, 1453, 1454 zugrunde lag. Die Frist ist auf der Grundlage der (in der Verfügung nicht ausdrücklich genannten) Vorschrift des § 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gesetzt worden; einer Belehrung über die Folgen einer Versäumnis bedurfte es daher nicht (anders als nach §§ 276 Abs. 2, 277 Abs. 2 ZPO). Inhaltlich sind die Anforderungen an die aufgegebene Stellungnahme zwar - dem Stand des Parteivortrags bis zu dieser Aufklärungsverfügung entsprechend - vom Landgericht nicht näher konkretisiert worden; damit war die Auflage aber auch nicht etwa unklar oder missverständlich (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1990 - VII ZR 61/89 - NJW-RR 1990, 856 unter II 2 a cc). Das Landgericht hat in der Verfügung vom 4. Februar 2002 auf die Darlegungs- und Beweislast zu § 2287 BGB zwar nicht ausdrücklich hingewiesen. Das entband die Beklagte jedoch nicht davon, sich gemäß § 138 Abs. 1 ZPO zu erklären, zumal sie - anders als der Kläger und der Widerbeklagte zu 2), die sich bereits mit Schriftsatz vom 18. März 2002 zu der streitigen Frage geäußert haben - an den Vereinbarungen mit dem Erblasser über dessen hier streitige Konten unmittelbar beteiligt war. Die Beklagte war daher verpflichtet, zunächst einmal die Umstände darzulegen, die den Erblasser nach ihrer Meinung bewogen haben konnten, zu ihren Gunsten zu verfügen (vgl. BGHZ 66, 8, 16 f.; 97, 188, 192 f.).

b) Erst lange nach Ablauf der gesetzten Frist und nachdem das Landgericht am Schluss seiner zweiten mündlichen Verhandlung am 12. März 2003 weiteren Termin auf den 8. Oktober 2003 bestimmt hatte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29. August 2003 erstmals vorgetragen, die Abtretung der Sparkonten sei nicht - wie § 2287 BGB voraussetzt - unentgeltlich erfolgt, sondern als Gegenleistung für die Übertragung von zwei Dritteln Miteigentumsanteilen an dem der Beklagten allein gehörenden Grundstück Talstraße 2 an die Brüder. Daraufhin hat das Landgericht der Beklagten mit Verfügung vom 9. September 2003 aufgegeben, nähere Umstände für die behauptete Vereinbarung vorzutragen und klarzustellen, ob der von ihr erwähnte, bereits vernommene Zeuge nunmehr zu deren Beweis benannt werde. Auch wenn das Landgericht in der Verfügung vom 9. September 2003 nicht auf den Ablauf der bereits gesetzten Frist hingewiesen hat, konnte die anwaltlich vertretene Beklagte angesichts dieser Verfügung nicht davon ausgehen (wie die Beschwerde meint), dass die ihr aufgegebene Substantiierung nicht mehr als verspätet angesehen, sondern in jedem Fall berücksichtigt werde. Vielmehr war das Landgericht gehalten, auch verspäteten Vortrag nach Möglichkeit noch zu berücksichtigen, soweit sich eine Verzögerung des Rechtsstreits durch vorbereitende Maßnahmen vermeiden ließ (vgl. BGHZ 75, 138, 142 f.).

c) Der Verfügung vom 9. September 2003 kam die Beklagte innerhalb der darin gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 15. September 2003 nach. Gleichwohl lud das Landgericht den Zeugen nicht schon bei Eingang dieses Schriftsatzes zu dem bereits anberaumten Verhandlungstermin am 8. Oktober 2003, sondern gab zunächst der Gegenseite Gelegenheit zur Stellungnahme, die auf eine Woche befristet, auf deren Antrag dann aber um eine weitere Woche verlängert wurde. Die Stellungnahme des Klägers und des Widerbeklagte zu 2) ging fristgerecht am 4. Oktober 2003, einem Samstag, beim Landgericht ein. Darin traten sie dem Vorbringen der Beklagten zur Entgeltlichkeit substantiiert entgegen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme des Klägers und Widerbeklagten angemessen u.a. im Hinblick darauf, dass sie an den streitigen Vorgängen anders als die Beklagte nicht unmittelbar beteiligt waren. Eine Ladung des von der Beklagten benannten Zeugen zum Verhandlungstermin am Mittwoch, dem 8. Oktober 2003, sei dem Landgericht am Montag, dem 6. Oktober 2003, als die Stellungnahme des Klägers und des Widerbeklagten zu 2) vorlag, nicht mehr zuzumuten gewesen.

Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Wie aus § 273 Abs. 3 ZPO zu entnehmen ist, besteht für das Gericht keine Verpflichtung zu vorbereitenden Maßnahmen wie der Ladung eines Zeugen, solange nicht aufgrund des Vortrags der Gegenseite im Prozess feststeht, ob und in welchem Umfang eine Beweisaufnahme erforderlich sein wird (BGH, Urteil vom 30. September 1986 - X ZR 2/86 - NJW 1987, 499 unter 3). Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, eine Verzögerung des Verfahrens infolge verspäteten Vorbringens durch besondere Eilanordnungen außerhalb des üblichen Geschäftsgangs auszugleichen (BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 - VIII ZR 61/79 - NJW 1980, 1102 unter II 3 a bb). Die Beklagte hätte den Zeugen, auf den es nach der Verfügung des Landgerichts vom 9. September 2003 ersichtlich ankam, vielmehr von sich aus zur mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2003 stellen können. Eines besonderen Hinweises darauf, der ohnehin im normalen Geschäftsgang nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen wäre, bedurfte es hier nicht (vgl. zu einem besonderen Fall BGH, Urteil vom 25. März 1980 - KZR 10/79 - NJW 1980, 1848 unter 3).

d) Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, war es grundsätzlich zwar Sache der Vertragserben und nicht der Beklagten als der Empfängerin von Zuwendungen des Erblassers, die Voraussetzungen der Vorschrift des § 2287 BGB vorzutragen und zu beweisen. Weder aus der schriftlichen Erklärung des Erblassers über die Abtretung der Konten vom 19. November 1998, die die Beklagte für echt hält, noch aus der schriftlichen Vereinbarung vom 6. Dezember 1998, worin der Erblasser der Beklagten für die Übertragung von Miteigentum zugunsten der Brüder an dem Grundstück Talstraße 2 die Zahlung von 315.000 DM bis zur Fälligkeit einer entsprechenden, als Festgeld angelegten Summe Ende Juni 1999 verspricht, noch aus dem notariellen Vertrag über die Einräumung von Miteigentum zugunsten der Brüder vom 23. Dezember 1998 ergibt sich aber ein Hinweis darauf, dass der Erblasser das Entgelt für die Übertragung des Miteigentums gerade durch Abtretung der hier streitigen Konten aufbringen wollte. Das Berufungsgericht hat das Gegenteil aus der die Frage der Gegenleistung des Erblassers regelnden Urkunde vom 6. Dezember 1998 entnommen, die die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich habe. Die insoweit erhobene Rüge der Beklagten ist nicht begründet. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich die Vertragserben, auch wenn sie an der Errichtung dieser Urkunde persönlich nicht beteiligt waren, dennoch als Rechtsnachfolger des Erblassers auf deren Vermutungswirkung berufen können. Mithin war es hier Sache der Beklagten, die von ihr behauptete Zweckbestimmung der Kontenübertragung zu beweisen.

3. Im Übrigen beansprucht die Beklagte mit ihrer Widerklage aufgrund von § 2287 BGB das Miteigentum in Höhe eines Drittels an dem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück Rheinstraße 120 sowie Auskunft über die aus diesem Objekt seit dem Erbfall gezogenen Einkünfte. Dieses Grundstück war im Erbvertrag der Eltern nach deren Tod allen drei Kindern zu gleichen Teilen als Vorerben zugedacht worden. Insoweit handelt es sich um einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des gesamten Streitstoffs, der vom rechtlichen Schicksal der unter II 1 und 2 behandelten anderen Gegenstände dieses Rechtsstreits unabhängig ist (vgl. BGHZ 153, 358, 361 f.). Bezüglich dieses Teils lässt der Senat die Revision zu.

Ende der Entscheidung

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