Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.10.2000
Aktenzeichen: IV ZR 177/00
Rechtsgebiete: KfzPflVV


Vorschriften:

KfzPflVV § 5 Abs. 1 Nr. 1
KfzPflVV § 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IV ZR 177/00

vom

11. Oktober 2000

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Prof. Römer, Dr. Schlichting, Seiffert und die Richterin Ambrosius

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag der Beklagten, ihre Beschwer auf mehr als 60.000 DM festzusetzen, wird abgelehnt.

2. Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt 22.374,54 DM.

Gründe:

I. Das klagende Autohaus, das bei dem beklagten Versicherungsunternehmen eine kombinierte Kraftfahrzeughaftpflicht- und Fahrzeugvollversicherung unterhielt, hat wegen eines schweren Verkehrsunfalls, an dem ein bei der Beklagten versichertes Fahrzeug der Klägerin beteiligt war, die Beklagte auf Ersatz des Fahrzeugschadens (10.700 DM) und auf die Feststellung in Anspruch genommen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin über die nach dem Unfall ausgesprochene Kündigung vom 19. Februar 1999 hinaus Versicherungsschutz zu gewähren. Das Berufungsgericht hat durch das angefochtene Grund- und Teilurteil vom 26. Mai 2000 den Zahlungsanspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil erst nach Ablauf der hierfür vorgeschriebenen Frist Revision eingelegt. Sie beantragt, ihr wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und den Wert ihrer Beschwer durch das angefochtene Urteil, den das Berufungsgericht auf nicht mehr als 60.000 DM angesetzt hat, auf über 60.000 DM zu erhöhen.

II. Der Beschwererhöhungsantrag ist nicht gerechtfertigt.

1. Die Beklagte trägt zur Begründung vor, daß der Feststellungsantrag die gegen die Klägerin als Kraftfahrzeughalterin gerichteten Ansprüche des bei dem Unfall geschädigten Herrn B. betreffe, der Klage auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld erhoben habe und für den die Berufsgenossenschaft Ersatz ihrer bisherigen Aufwendungen in Höhe von 132.389,09 DM verlange.

Diesem Ansatz der Beklagten kann nicht gefolgt werden. Der Streitwert des Feststellungsantrags hat mit dem Schaden des Herrn B. nichts zu tun. Streitgegenstand der Feststellungsklage ist allein die Frage, ob der Versicherungsvertrag durch die Kündigung der Beklagten beendet worden ist oder aber, weil die Kündigung unwirksam war, noch andauert. Daß die Feststellungsklage auf diesen Gegenstand beschränkt ist, ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Klageantrags - dem der Tenor des Berufungsurteils entspricht -, der auf die Verpflichtung der Beklagten gerichtet ist, der Klägerin "über die Kündigung vom 19.02.99 hinaus" Versicherungsschutz aus der Kraftfahrtversicherung zu gewähren. Die Klagebegründung enthält keinen Anhaltspunkt, der eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des Klageantrags dahin gebieten könnte, daß die Klägerin in Wirklichkeit die Verpflichtung der Beklagten zur Deckung des Haftpflichtschadens aus dem vor der Kündigung geschehenen Unfall festgestellt haben wollte. Denn in der Klageschrift wird der Feststellungsantrag allein damit begründet, daß die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung mangels einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin nicht gerechtfertigt und die Beklagte deshalb "weiterhin" verpflichtet sei, der Klägerin Versicherungsschutz zu gewähren. Zu Recht haben deshalb auch Landgericht und Berufungsgericht den Feststellungsantrag seinem Wortlaut entsprechend verstanden. In dem - klageabweisenden - Urteil des Landgerichts zeigt sich dies an dem Begründungssatz, daß mit Zugang der Kündigung das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien erloschen sei, so daß auch der Feststellungsantrag unbegründet sei. Das Verständnis des Berufungsgerichts geht aus seiner Streitwertfestsetzung hervor, die sich nicht am Haftpflichtschaden, sondern am 3 1/2fachen Jahresbetrag der Versicherungsprämie orientiert. Der Feststellungsausspruch des Berufungsurteils betrifft also nur den Versicherungsschutz für den nach der Kündigung liegenden Zeitraum. Der Unfall geschah hingegen vor der Kündigung, also unstreitig in versicherter Zeit. Den Unfallschaden muß die Beklagte deshalb - sofern die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen - auf jeden Fall decken, auch falls die Kündigung wirksam war und der Versicherungsvertrag infolgedessen inzwischen beendet ist.

Im übrigen würden sich selbst dann, wenn die Pflicht der Beklagten zur Deckung des Haftpflichtschadens Streitgegenstand des Feststellungsausspruchs wäre, der Streitwert und damit die Beschwer der Beklagten nicht um den Schaden des unfallverletzten Herrn B., sondern nur um 10.000 DM erhöhen. Wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit vor Eintritt des Versicherungsfalls verletzt, so ist die Leistungsfreiheit des Kfz-Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auf den Betrag von 10.000 DM beschränkt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 KfzPflVV).

Streitgegenstand der Feststellungsklage war also nur das Fortbestehen des Versicherungsvertrages für die Zeit nach der Kündigung. Der Wert eines solchen Feststellungsstreits wird nach der Rechtsprechung des Senats, wenn die Höhe der Versicherungsleistung nicht summenmäßig feststeht, durch die Höhe der Versicherungsprämie bestimmt. Bei einer längeren Vertragsdauer ist die 3 1/2fache Jahresprämie maßgebend (Beschluß vom 17. Mai 2000 - IV ZR 4/00 - unter II für die Krankenversicherung). Die Jahresprämie betrug hier 11.817,40 DM zuzüglich 1.772,61 DM Versicherungssteuer, insgesamt also 13.690,01 DM. Im vorliegenden Fall kann jedoch dem Streitwert nicht der 3 1/2fache Betrag zugrunde gelegt werden, weil nach dem Versicherungsvertrag der Versicherer ohnehin, d.h. auch ohne eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, das Recht hatte, den Vertrag zum Jahresende zu kündigen. Das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Feststellung, daß der Vertrag nicht durch die Kündigung wegen der angeblichen Obliegenheitsverletzung beendet worden sei, beschränkte sich deshalb auf die Zeitspanne vom Eingang der Kündigung, dem 23. Februar 1999, bis zum 31. Dezember 1999. Der Streitwert ist insoweit mit 307/360 der Jahresprämie anzusetzen. Das sind 11.674,54 DM. Unter Hinzurechnung des Zahlungsantrags (10.700 DM) ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 22.374,54 DM. Dies ist zugleich der Wert der Beschwer der Beklagten.

2. Da nach alledem die Revision mangels einer 60.000 DM übersteigenden Beschwer unzulässig ist, erübrigt sich eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag.

Ende der Entscheidung

Zurück