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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.02.1998
Aktenzeichen: IV ZR 306/96
Rechtsgebiete: BZRG, VVG


Vorschriften:

BZRG § 51
VVG § 49
BZRG § 51; WG § 49

Sind Verurteilungen des Versicherungsnehmers im Strafregister getilgt worden oder hätten sie getilgt werden müssen, so sind die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bei der Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit außer Betracht zu lassen.

BGH, Urteil. vom. 11. Februar 1998 - IV ZR 306/96 - OLG München LG München I

LG München I Entsch. v. 9.2.96 - 6 0 16009/95

OLG München Entsch. v. 19.8.96 - 19 U 2542/96 IV ZR 306/96


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 306/96

Verkündet am: 11. Februar 1998

Luttkus Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, den Richter Dr. Zopfs, die Richterin Dr. Ritter und die Richter Römer und Dr. Schlichting auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1997

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. August 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Kfz-Diebstahlversicherung. Er war Halter eines Mercedes-Benz 300 SE, der bei der Beklagten gegen Diebstahl versichert war.

Am 6. Dezember 1994 meldete der Kläger den Pkw in A. bei der belgischen Polizei als gestohlen. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren blieb erfolglos. Der Kläger hat behauptet, ihm sei der PKW am 6. Dezember 1994 in A. gestohlen worden. Er habe damals zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin L., im Hotel "A." in A. gewohnt, das Fahrzeug gegen 17.00 Uhr vor dem Hotel abgestellt und dann, gegen 19.00 Uhr am selben Abend, bei der Rückkehr ins Hotel nicht wieder vorgefunden. Er habe daraufhin zunächst gedacht, das Fahrzeug sei möglicherweise abgeschleppt worden, und sei mit der Zeugin L. fortgegangen, weil man für den Abend verabredet gewesen sei. Als er dann um 23.00 Uhr ins Hotel zurückgekommen sei, sei der PKW immer noch nicht wieder aufgefunden gewesen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68.295,65 DM nebst 12% Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es handele sich beim Kläger jedenfalls nicht um einen redlichen Versicherungsnehmer, dem ein Vertrauensvorschuß entgegengebracht werden könne. Gegen ihn sei ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig gewesen, dem der Vorwurf zugrunde gelegen habe, der Kläger habe insgesamt etwa 1400 Personen durch sogenannte Glücksbriefe bzw. fingierte Horoskope geschädigt. Außerdem sei der Kläger vorbestraft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat der Versicherungsnehmer den versicherten Entwendungsfall schon dann bewiesen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen seinen Willen schließen lassen. Das äußere Bild eines Diebstahls ist im allgemeinen bereits dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet. Dies schließt nicht aus, daß der Versicherer in angemessener Weise vor Mißbrauch geschützt wird. Er kann dem Anspruch des Versicherungsnehmers solche Tatsachen mit Erfolg entgegenhalten, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (BGHZ 130, 1, 3, 5 m.w.N.).

2. Das Urteil des Berufungsgerichts läßt nicht erkennen, daß es diese Grundsätze hinreichend beachtet hat. Das Berufungsgericht stellt fest, die Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lassen, seien dargelegt und bewiesen. Es stützt sich dabei auf das Urteil des Landgerichts. Dieses hatte ausgeführt, aufgrund der Vernehmung der Zeugin L. gehe es davon aus, daß die Darstellung des Klägers über das Verschwinden seines Fahrzeugs zumindest dem äußeren Ablauf nach zutreffe. Die Zeugin habe zwar einen etwas verschlossenen Eindruck hinterlassen. Sie habe aber die Darstellung des Klägers insgesamt in einer nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Weise bestätigt. Obwohl es sich bei der Zeugin um die Verlobte des Klägers handele, gehe es davon aus, daß der Kläger in der Tat am Abend des 6. Dezember 1994 gemeinsam mit der Zeugin den Mercedes zunächst gegen 17.00 Uhr abends vor dem Hotel "A." in A. geparkt und dann um 19.00 Uhr am selben Abend das Verschwinden des Fahrzeugs festgestellt habe.

Das Landgericht ist also bei seiner Feststellung der Tatsachen für das äußere Bild den Bekundungen der Zeugin gefolgt. Das Berufungsgericht hat die Zeugin nicht erneut vernommen. Es hat die Ausführungen des Landgerichts zur Grundlage auch seiner Beurteilung gemacht. Damit ist das äußere Bild eines Diebstahls bewiesen. Dann aber durfte das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers nicht verneinen, ohne Tatsachen festgestellt zu haben, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Kläger den Diebstahl nur vorgetäuscht hat. Seinen Ausführungen, mit denen es die Redlichkeit des Klägers in Zweifel zieht, kann nicht entnommen werden, daß es die angeführten Umstände als ausreichend ansieht, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen des Diebstahls anzunehmen.

Sollte das Berufungsgericht trotz des als bewiesen angesehenen äußeren Bildes eines Diebstahls dem Kläger diese Beweiserleichterung nicht zugute kommen lassen wollen, weil es sich nach seiner Ansicht um einen unredlichen Versicherungsnehmer handelt, wäre dies rechtsfehlerhaft. Denn auch einem unredlichen Versicherungsnehmer kann ein Fahrzeug gestohlen werden. Ihm muß deshalb die Möglichkeit eingeräumt werden, wenn ihm das Mittel des Zeugenbeweises zur Verfügung steht, die Tatsachen für das äußere Bild zu beweisen.

3. Da nicht feststeht, daß das Berufungsgericht von dieser Rechtslage ausgegangen ist, kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß es bei der Beachtung dieses Ausgangspunktes die Zeugin L. selbst vernommen hätte, um sich ein eigenes Bild von ihrer Glaubwürdigkeit zu machen. Um dem Berufungsgericht hierzu Gelegenheit zu geben, muß die Sache zurückverwiesen werden.

Sollten sich bei der Vernehmung Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Kläger die Zeugin nur als Werkzeug benutzt hat und das Fahrzeug durch Dritte während des gemeinsamen Aufenthalts in dem Hotel hat wegschaffen lassen, wären auch solche Tatsachen bei der Frage zu berücksichtigen, ob der Kläger den Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht hat. Aus dem Umstand, den das Berufungsgericht in seine Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des Klägers zusätzlich einbezogen hat, daß der Kläger das Verschwinden des Fahrzeugs zunächst mit einem Abschleppvorgang in Verbindung gebracht habe, dürfte sich allerdings nichts herleiten lassen. Wenn der Kläger zunächst nachforschen ließ, ob sein Fahrzeug abgeschleppt worden sei und das Ergebnis erst einmal abwartete, hat dies noch keine Indizwirkung für ein Vortäuschen des Diebstahls.

Soweit es um die Frage geht, ob schwerwiegende Zweifel an der Redlichkeit des Klägers gegeben sind, die - gegebenenfalls mit weiteren Umständen - den Schluß rechtfertigen, er habe den Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht, können auch Tatsachen berücksichtigt werden, die nicht zu einem Strafverfahren geführt haben. Solche Tatsachen müssen aber feststehen, d.h. unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdachtsmomente reichen nicht aus.

Insoweit gilt bei der Prüfung der erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung nichts anderes, als der Senat zur Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bei der Feststellung des äußeren Bildes ausgeführt hat (vgl. BGHZ 132, 79).

Sind Verurteilungen des Klägers im Strafregister getilgt worden oder hätten sie getilgt werden müssen, so sind die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit außer Betracht zu lassen. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Vorhaltungs- und Verwertungsverbot des § 51 BZRG. Danach dürfen bei Tilgungsreife dem Betroffenen Tat und Verurteilung im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. "Im Rechtsverkehr" erfaßt alle Rechtsverhältnisse und Rechtsbeziehungen, auch im privaten Recht, unabhängig davon, ob es sich um materiell- oder verfahrensrechtliche Vorschriften handelt (vgl. Rebmann/Uhlig, Bundeszentralregistergesetz 1985 § 51 Rdn. 26 m.w.N.). Aus § 51 Abs. 1 BZRG folgt auch ein unmittelbares Verwertungsverbot, das auch ein Beweisverbot enthält (Rebmann/Uhlig, aaO Rdn. 33 m.w.N.), so daß es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte von den Straftaten des Klägers durch die Presse erfahren hat.

Ende der Entscheidung

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