Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: IV ZR 4/04
Rechtsgebiete: GG, EinigungsV


Vorschriften:

GG Art. 135a
EinigungsV Art. 22 Abs. 1 Satz 1
1. Die Bundesrepublik Deutschland haftet nicht im Wege der Universalsukzession für Verbindlichkeiten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

2. Im Einigungsvertrag und auch sonst nicht besonders geregelte Verbindlichkeiten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die nicht mit übernommenen Gegenständen des Aktivvermögens zusammenhängen (sog. isolierte Verbindlichkeiten), sind ersatzlos weggefallen.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 4/04

Verkündet am: 30. November 2005

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt (§§ 233, 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Erstattung von 22.281,36 € aus einer Erbschaft, die dem Staatsfiskus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zugute gekommen ist.

Am 4. Mai 1986 starb der Bruder des Klägers in C. . Als dessen Alleinerbin wies das zuständige staatliche Notariat in einem Erbschein die Deutsche Demokratische Republik aus. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Sparguthaben; Grundvermögen gehörte nicht dazu. Ein Nachlasspfleger zahlte den nach Abzug von Verbindlichkeiten verbleibenden Restbetrag, der der Klageforderung entspricht, im Oktober 1986 auf ein Konto ein, dessen Guthaben dem Staatsfiskus der DDR zufloss. Nach der Wende wurde der Erbschein zugunsten der DDR für kraftlos erklärt; das Amtsgericht Cottbus bezeugte in einem neuen Erbschein, dass die in Westdeutschland lebende und dort am 27. Juni 1987 nachverstorbene Mutter des Erblassers dessen Alleinerbin war. Deren Alleinerbe ist der Kläger.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt den Anspruch mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. 1. Das Berufungsgericht geht gemäß Art. 235 § 1 EGBGB zutreffend davon aus, dass für die Erbfolge hier das Zivilgesetzbuch der DDR maßgebend ist. Dieses kennt Ansprüche des Erben gegen den vermeintlichen Erben, wie sie in §§ 2018 ff. BGB geregelt sind, nicht; vielmehr bleibt der Erbe auf Einzelansprüche angewiesen, wie sie ihm als Rechtsinhaber nach allgemeinen Regeln zustehen (MünchKomm-BGB/Frank, 3. Aufl. § 2018 Rdn. 38). Das Berufungsgericht zieht insoweit mit Recht einen Anspruch des Klägers als Erbeserben aus § 356 ZGB in Betracht, wonach ein Bürger oder Betrieb, der zum Nachteil eines anderen einen materiellen Vorteil erlangt hat, ohne darauf einen Anspruch zu haben, zur Herausgabe des Erlangten oder aber, wenn dies nicht möglich ist, zum Wertersatz verpflichtet ist. Der Anspruch aus § 356 ZGB entfällt gemäß § 357 Abs. 1 ZGB, wenn der Empfänger selbst keine Vorteile mehr hat, worauf sich die Beklagte aber nicht beruft. Umgekehrt trägt der Kläger nicht vor, der Empfänger habe seinerzeit gewusst oder wissen müssen, dass er die Leistung ohne Anspruch erlangt habe (vgl. § 357 Abs. 2 ZGB). Auch für die Tatbestände des Vermögensgesetzes, etwa unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3, finden sich keine Anhaltspunkte im Vortrag der Parteien.

2. Die Vorinstanzen sehen indessen keine Rechtsgrundlage dafür, dass die Beklagte verpflichtet sein könnte, einen Anspruch aus § 356 ZGB zu erfüllen, der sich ursprünglich gegen die DDR gerichtet hat. Eine Gesamtrechtsnachfolge zugunsten und zulasten der Beklagten habe nicht stattgefunden. Es fehle auch an einer Vorschrift, in der für die hier streitige Verbindlichkeit eine Einzelrechtsnachfolge vorgesehen sei. Eine solche Regelung lasse sich nicht aus Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages (im Folgenden EinigVtr) herleiten. Zwar stehe hinter bestimmten Vorschriften des Einigungsvertrages der Rechtsgedanke, dass Vermögenswerte der ehemaligen DDR nicht ohne die mit diesen zusammenhängenden Verbindlichkeiten von neuen Rechtsträgern hätten übernommen werden sollen. Isolierte Verbindlichkeiten fielen dagegen nicht unter den Begriff des Vermögens in Art. 22 Abs. 1 EinigVtr; andernfalls käme man im Ergebnis zu einer Gesamtrechtsnachfolge, die nicht beabsichtigt gewesen sei. Im vorliegenden Fall gehe es nicht etwa um eine mit aktiven Nachlasswerten zusammenhängende Verbindlichkeit, sondern darum, dass die DDR den Nettonachlass zu Unrecht vereinnahmt habe und insoweit nichts anderes als eine schuldrechtliche Verpflichtung zum Ersatz bestehe. Ergebe sich mithin aus Art. 22 EinigVtr keine Haftung der Beklagten, sei auch unerheblich, dass der Gesetzgeber bisher keinen Gebrauch von der Ermächtigung in Art. 135a Abs. 2 GG gemacht habe, die Haftung für Verbindlichkeiten auszuschließen oder einzuschränken, die auf neue Rechtsträger übergegangen sind.

II. Diese Rechtsauffassung hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

1. Allerdings geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 2. März 2005 (NJW 2005, 2530 unter Textziffer 77, 81) davon aus, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin der DDR geworden sei. Er hat daraus aber gerade nicht die Folgerung gezogen, dass die Beklagte für alle Verbindlichkeiten der DDR hafte. Im Gegenteil stellt der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf Art. 1 Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich fest, die Beklagte sei nicht verpflichtet, Unrecht und Schäden wieder gutzumachen, zu denen es auf Veranlassung der DDR als eines anderen Staates gekommen ist. Soweit sich die Beklagte gleichwohl entschlossen habe, die Folgen bestimmter Handlungen der DDR zu beseitigen, stehe der Beklagten bei der Umsetzung dieser Politik ein weiter Beurteilungsspielraum zu (Textziffer 111).

Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus dem Einigungsvertrag, dass Verbindlichkeiten der DDR nicht generell auf neue Rechtsträger übergehen; jedenfalls ist ein Übergang von Schulden der hier in Rede stehenden Art auf die Beklagte nicht vorgesehen. Dementsprechend ist anerkannt, dass die DDR als Rechtssubjekt mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages untergegangen ist, ohne dass eine Universalsukzession insbesondere zulasten der Beklagten vereinbart oder angeordnet worden wäre (BGHZ 127, 297, 301; OLG Dresden VIZ 2001, 575; KG DtZ 1996, 148, 150; Brdbg.OLG OLG-NL 1994, 130, 132; OLG Rostock OLG-NL 1994, 12, 14; vgl. auch BVerfG DÖV 1991, 603). § 419 BGB a.F., der gemäß Art. 223a EGBGB für Vermögensübernahmen bis zum 31. Dezember 1998 maßgebend bleibt, ist weder unmittelbar noch analog auf öffentlichrechtliche Vorgänge der hier in Rede stehenden Art anwendbar. Auch das in Sonderfällen zur Durchsetzung dringlicher öffentlichrechtlicher Ansprüche entwickelte Institut der Funktionsnachfolge kommt hier nicht in Betracht (vgl. BGHZ aaO 304; BGH, Urteile vom 28. Juni 1995 - VIII ZR 250/94 - VIZ 1995, 599 unter II 2 f; vom 25. Oktober 2005 - XI ZR 353/04 - Rdn. 38, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

2. Näheres zum Übergang von öffentlichem Vermögen und Schulden sowie deren Zuordnung zu bestimmten Rechtsträgern regelt der Einigungsvertrag in Kapitel VI (Art. 21 ff.). Art. 21 EinigVtr betrifft Verwaltungsvermögen, das nach seiner Zweckbestimmung und seinem Gebrauch unmittelbar der öffentlichen Verwaltung dient (BGHZ 128, 393, 396 f.). Darum handelt es sich bei dem hier streitigen, von der DDR vereinnahmten Nachlass nicht. Er fällt unter das in Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr geregelte Finanzvermögen.

a) Die Beklagte weist mit Recht darauf hin, dass - soweit Schulden aufgrund des Einigungsvertrages von neuen Rechtsträgern zu übernehmen sind - dazu jeweils besondere Regelungen getroffen werden: In Art. 22 Abs. 4 Satz 3 EinigVtr ist der Übergang von Schulden im Zusammenhang mit dem zur Wohnungsversorgung genutzten ehemals volkseigenen Vermögen auf die Kommunen vorgesehen. Art. 23 EinigVtr regelt den Übergang von Schuldendienstverpflichtungen der DDR. Art. 24 EinigVtr betrifft u.a. die Abwicklung von Verbindlichkeiten, die im Rahmen des Außenhandels- und Valutamonopols oder in Wahrnehmung anderer staatlicher Aufgaben der DDR bis zum 1. Juli 1990 gegenüber dem Ausland und der BRD begründet worden sind. Art. 26 Abs. 2 EinigVtr regelt Verbindlichkeiten, die mit dem Vermögen der Reichsbahn in Zusammenhang stehen. Ähnlich sieht Art. 27 Abs. 1 Satz 3 EinigVtr einen Übergang der zum Sondervermögen Deutsche Post gehörenden Verbindlichkeiten vor. Aus dieser Regelungstechnik des Einigungsvertrages ist der Schluss zu ziehen, dass mit dem Vermögen, dessen Übergang auf neue Rechtsträger Art. 22 EinigVtr vorsieht, grundsätzlich nur Aktiva gemeint sind, der Übergang von Verbindlichkeiten dagegen einer besonderen Anordnung bedarf. Eine universelle Rechtsnachfolge der Beklagten in jede wie auch immer geartete Verbindlichkeit der DDR ist damit gerade ausgeschlossen worden.

b) Allerdings ist in der Rechtsprechung zu Art. 21 EinigVtr anerkannt, dass zum Vermögen im Sinne dieser Vorschrift auch Passiva gehören, die mit dem übergegangenen Aktivvermögen in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen (BGHZ 128, 393, 399 f.; 145, 145, 148; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 aaO Rdn. 35). Auch im Hinblick auf das in Art. 22 EinigVtr geregelte Finanzvermögen wird für grundstücksbezogene Verbindlichkeiten angenommen, dass derjenige für sie hafte, dem das Grundstück zugeordnet wird (BGH, Urteil vom 19. März 2004 - V ZR 214/03 - VIZ 2004, 374 unter II 1 a bb bzgl. der Erstattung des Kaufpreises für ein Grundstück der öffentlichen Hand). Auch diese Rechtsprechung geht nicht von einer Universalsukzession aus, sondern leitet aus einem näher umschriebenen Zusammenhang bestimmter Verbindlichkeiten mit den vom Einigungsvertrag übergeleiteten Aktiva einen Übergang auch solcher Passiva her.

c) Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. März 1994 (BGBl. I S. 709, im Folgenden: VZOG). Unter den Begriff des Vermögens, das einer Zuordnung u.a. nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr unterliegt, fallen gemäß § 1 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG zwar auch Verbindlichkeiten, Ansprüche sowie Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen, aber nur, soweit sie Gegenstand der Zuteilung nach den Regeln des Einigungsvertrages sind. Das mag u.a. für Schuldverhältnisse anzunehmen sein, die mit Gegenständen des in Art. 22 EinigVtr verteilten Aktivvermögens näher zusammenhängen, nicht aber für "isolierte" Verbindlichkeiten der hier in Betracht kommenden Art, die im Einigungsvertrag nicht ausdrücklich angesprochen werden (a.A. Schmidt-Räntsch/Hiestand, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR Bd. III VZOG § 1a Rdn. 8).

3. Auch Art. 135a Abs. 2 GG ordnet nicht - wie die Revision meint - einen Übergang jeder beliebigen Verbindlichkeit der DDR auf die BRD an. Die Vorschrift ermächtigt den Gesetzgeber vielmehr zum Ausschluss und zur Beschränkung u.a. auch von Verbindlichkeiten der DDR oder ihrer Rechtsträger sowie von Verbindlichkeiten, die auf Maßnahmen der DDR oder ihrer Rechtsträger beruhen. Damit knüpft Art. 135a Abs. 2 GG an den anderweit geregelten Übergang von Verbindlichkeiten auf heute noch bestehende Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts an. Im Hinblick auf Art. 135a Abs. 2 GG ist in der Denkschrift zum Einigungsvertrag unter B. Besonderer Teil, Kapitel II zu Art. 4 B Nr. 4 (BT-Drucks.11/7760 S. 359) von Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Übergang von Verbindlichkeiten die Rede, die "auch" auf die Beklagte übergehen. Um welche Verbindlichkeiten es sich im Einzelnen handelt, insbesondere ob alle denkbaren Verbindlichkeiten der DDR übergehen, und unter welchen Voraussetzungen bestimmte Verbindlichkeiten gerade auf die Beklagte oder aber auf andere Rechtsträger übergehen, bleibt in der Denkschrift und auch im Wortlaut des Art. 135a Abs. 2 GG offen. Das Grundgesetz schafft mit dieser Bestimmung vorsorglich eine Grundlage zur Einschränkung von Verbindlichkeiten, deren Übergang sich aus anderen Vorschriften, nämlich im Einigungsvertrag, ergibt.

Eine konstitutive Regelung des Übergangs aller Verbindlichkeiten der DDR auf neue Rechtsträger, wie sie dem Art. 135a Abs. 2 GG teilweise zugeschrieben wird (Bernsdorff, NJW 1997, 2712, 2714, 2718; Gruber, VIZ 2001, 528, 529 f.; a.A. Rädler, DtZ 1993, 296, 297), hätte sich sinnvoll nicht ohne eine nähere Bestimmung des jeweiligen Rechtsträgers treffen lassen, der für eine bestimmte Verbindlichkeit in Zukunft einstehen soll. Eine solche Regelung wird aber gerade nicht in Art. 135a Abs. 2 GG, sondern durch die Vorschriften des Einigungsvertrages (Art. 21 ff.) getroffen.

4. Im vorliegenden Fall ist schon fraglich, vom Berufungsgericht aber offen gelassen worden, ob der im Jahre 1986 vom Nachlasspfleger eingezahlte Betrag nicht bereits vor der Wende verbraucht worden war. Er hat sich jedenfalls ununterscheidbar mit dem sonstigen Finanzvermögen der DDR vermischt. In rechtlicher Hinsicht war die DDR gemäß § 356 ZGB verpflichtet, dem wahren Erben den Wert des Nachlasses zu erstatten. Diese Verpflichtung ist vor dem Untergang der DDR als Rechtssubjekt allerdings nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sie schon vor der Wende bestand, kommt mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages allenfalls die Übernahme einer solchen Verbindlichkeit aus § 356 ZGB in Betracht, also von vornherein eines Passivums, dem sich kein bestimmtes, vom sonstigen Vermögen der ehemaligen DDR unterscheidbares Aktivum zuordnen lässt, mithin einer "isolierten" Verbindlichkeit. Diese Verbindlichkeit steht auch in keinem näher bestimmbaren Zusammenhang mit den nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr von der Beklagten übernommenen Werten des Finanzvermögens. Insofern sind die Ausführungen der Revision zum Nachlass als einer Summe aller im Erbwege übergegangenen Rechte und Pflichten, zu dem - ins Zivilgesetzbuch der DDR nicht übernommenen - Erbschaftsanspruch (§§ 2018 ff. BGB) als eines einheitlichen Gesamtanspruchs sowie zu einem Prinzip der Ersetzung und des Wertersatzes, das auch in § 356 ZGB Ausdruck gefunden habe und den Empfang aktiver Nachlasswerte voraussetze, ohne Bedeutung für die Frage, um welchen Gegenstand es hier hinsichtlich der Frage einer eventuellen Haftungsübernahme aufgrund des Einigungsvertrages überhaupt geht.

Für eine Erstreckung des Begriffs des öffentlichen Vermögens, das die Beklagte nach Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr übernommen hat, auf "isolierte" Verbindlichkeiten, wie sie hier in Betracht kommen, fehlt jeder Anhalt. Eine Auslegung, nach der jede beliebige Verbindlichkeit der DDR über die Vorschrift des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr von der Beklagten übernommen worden sei, liefe auf eine Universalsukzession der Beklagten hinaus, die der Regelungstechnik des Einigungsvertrages widerspricht und nicht im Wege erweiternder Auslegung unterstellt werden kann.

5. a) Danach sind Verbindlichkeiten, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit übernommenen Gegenständen des Aktivvermögens zusammenhängen ("isolierte" Verbindlichkeiten) und auch sonst keine besondere Regelung gefunden haben, anders als viele andere Verbindlichkeiten mit dem Untergang der früheren Schuldner ersatzlos weggefallen. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass eine zu Unrecht angenommene Fiskuserbschaft der DDR, wenn es um ein noch vorhandenes Nachlassgrundstück geht, andere als die hier für das Geldvermögen von den Vorinstanzen angenommenen Rechtsfolgen haben kann (trotz Art. 237 § 1 EGBGB i.d.R. kein Bestandsschutz, vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2000 - V ZR 489/99 - VIZ 2001, 213 unter III 4; vom 19. Juni 1998 - V ZR 356/96 - ZIP 1998, 1324 unter IV). Auch Art. 135a Abs. 2 GG hat den Gesetzgeber nicht von der Bindung an den Gleichheitssatz befreit (BVerfGE 84, 90, 128 f., 131 f.; BVerfG NJW 2000, 421).

Mit der Nichtübernahme nicht ausdrücklich geregelter, "isolierter" Verbindlichkeiten, wie sie hier in Rede stehen, auf neue Rechtsträger hat der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum aber nicht in einer Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden Weise überschritten. Der Gleichheitssatz wäre nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden ließe, die Regelung also als willkürlich bezeichnet werden müsste. Im vorliegenden Fall liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber für die Überleitung von Verbindlichkeiten, die mit aktiven, von neuen Rechtsträgern übernommenen Vermögenswerten in einem näheren Zusammenhang stehen, sachliche Gründe sehen konnte. Das nötigte aber nicht zu einer generellen Übernahme sämtlicher Schulden der DDR. Dass hierzu gerade keine Verpflichtung bestehen sollte, steht auch hinter der Regelung des Art. 135a Abs. 2 GG (vgl. BGHZ 139, 152, 160 f.).

b) Die Übernahme sämtlicher Schulden der DDR ist auch nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geboten. Dessen Schutz erstreckte sich vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht auf das Gebiet der DDR. Das Grundgesetz trat dort auch nicht rückwirkend in Kraft. Nur soweit der Einigungsvertrag vermögenswerte Rechte anerkannt hat, standen diese auch unter dem Schutz des Grundgesetzes (BVerfG NJW 1999, 2493 unter C I 1 b aa = BVerfGE 100, 1, 33 f.). Das ist bezüglich der hier geltend gemachten "isolierten" Verbindlichkeit aber gerade nicht der Fall.

Ende der Entscheidung

Zurück