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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: IX ZB 141/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 14
Soll der Insolvenzgrund allein aus der Forderung des antragstellenden Gläubigers hergeleitet werden, kann die Berechtigung einer vom Schuldner erhobenen Verjährungseinrede grundsätzlich nur im Prozesswege überprüft werden.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 141/06

vom 29. März 2007

in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 29. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 5. Juli 2006 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.

Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Am 4. Dezember 1996 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der weitere Beteiligte (fortan: Gläubiger) meldete eine Forderung von 1.667.200 DM an, die zur Tabelle festgestellt, vom Schuldner aber bestritten wurde. Am 13. September 2000 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.

Am 15. April 2003 stellte der Gläubiger den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zu eröffnen. Vor dem Landgericht klagte er außerdem einen Teilbetrag der im vorangegangenen Konkursverfahren festgestellten Forderung ein. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, weil die Forderung verjährt sei. Über die Berufung des Gläubigers war im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts noch nicht entschieden. Im Insolvenzeröffnungsverfahren erhob der Schuldner ebenfalls die Einrede der Verjährung.

Mit Beschluss vom 28. April 2006 hat das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger den Eröffnungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6, 34 Abs. 1 InsO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat der Gläubiger seine Forderung glaubhaft gemacht. Dem Schuldner sei jedoch mithilfe des Urteils, durch das die Klage in erster Instanz wegen Verjährung abgewiesen worden sei, die Gegenglaubhaftmachung gelungen. Demgegenüber meint die Rechtsbeschwerde, nach dem Sach- und Streitstand, welcher der Entscheidung der Vorinstanzen zugrunde gelegen habe, sei die Forderung nicht verjährt. Jedenfalls sei das Insolvenzgericht gemäß § 5 InsO verpflichtet gewesen, sich selbst über die Frage der Verjährung eine Meinung zu bilden und erforderlichenfalls Beweis zu erheben, statt sich nur auf das Urteil des Landgerichts zu beziehen. Es hätte das unredliche Verhalten des Schuldners in die Prüfung einbeziehen müssen, der durch Angabe einer unrichtigen Anschrift die Zustellung der rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung eingereichten Klageschrift erschwert habe.

2. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen können auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantwortet werden.

a) Nach §14 InsO ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Soll der Insolvenzgrund allein aus der Forderung des Gläubigers hergeleitet werden, reicht die Glaubhaftmachung nicht aus. Das Insolvenzverfahren wird nur dann eröffnet, wenn die Forderung zur Überzeugung des Insolvenzgerichts feststeht (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493 mit Nachweisen der früheren Rechtsprechung; v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632, 1633). Der Beweis kann durch Vorlage eines Titels über die Forderung geführt werden. In diesem Falle obliegt es dem Schuldner, etwaige Einwände gegen die Forderung in dem dafür vorgesehenen Verfahren überprüfen zu lassen. Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwänden gegen eine titulierte Forderung nachzugehen (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006, aaO; v. 27. Juli 2006 - IX ZB 12/06, ZVI 2006, 564, 565). Ist die Forderung dagegen nicht tituliert, gehen Zweifel zu Lasten des antragstellenden Gläubigers. Fällt die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung nicht eindeutig aus, ist der Gläubiger schon mit seiner Glaubhaftmachung gescheitert und auf den Prozessweg zu verweisen (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO). Ob der Schuldner Anspruchsvoraussetzungen bestreitet oder aber Gegenrechte geltend macht, ist dabei nicht von Bedeutung (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Februar 2007 - IX ZB 79/06).

b) Die Forderung des weiteren Beteiligten ist nicht tituliert. Sie ist zwar im vorangegangenen Konkursverfahren über das Vermögen des Schuldners angemeldet und vom Konkursverwalter festgestellt worden (§ 144 Abs. 1 KO). Die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hatte diese Feststellung jedoch nur gegenüber den anderen Konkursgläubigern (§ 145 Abs. 2 KO), nicht gegenüber dem Schuldner (dem damaligen Gemeinschuldner), der sie im Prüfungstermin bestritten hatte. Die Zwangsvollstreckung aus dem Tabellenauszug kann ein Gläubiger nur aus einer auch vom Gemeinschuldner nicht bestrittenen Forderung betreiben (§ 164 Abs. 2 KO). Zweifel daran, ob die den Eröffnungsgrund bildende Forderung des Gläubigers (noch) besteht, gehen deshalb zu Lasten des Gläubigers.

c) Der Bestand der Forderung des weiteren Beteiligten steht nicht außer Zweifel.

aa) Die Verjährungseinrede des Schuldners ist schon im Eröffnungsverfahren erheblich. Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Ist die Forderung verjährt und hat sich der Schuldner - wie im vorliegenden Fall - in rechtserheblicher Weise darauf berufen, ist der Insolvenzantrag folglich abzuweisen (Jaeger/Gerhardt, InsO § 14 Rn. 12; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 7.14; vgl. auch MünchKomm-InsO/Schmahl, § 14 Rn. 47).

bb) Der Gläubiger hat die Berechtigung der Einrede allerdings in Zweifel gezogen. Er meint, die Erhebung der Klage habe die Verjährung rechtzeitig gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ob eine Verjährungseinrede zu Recht erhoben wird, hat jedoch in der Regel - wenn die Einrede nicht ersichtlich unbegründet ist und außer Acht gelassen werden kann - nicht das Insolvenzgericht zu entscheiden, sondern das Prozessgericht. Das gilt insbesondere dann, wenn bereits eine Klage anhängig gemacht und in erster Instanz wegen Verjährung abgewiesen worden ist. Nur diese Aufgabenverteilung ist sinnvoll. Das Urteil des Prozessgerichts erwächst in Rechtskraft zwischen den Parteien (§ 325 Abs. 1 ZPO). Es ist damit auch im Eröffnungsverfahren bei der Beurteilung der Frage, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, zu beachten. Deshalb kann ein lediglich auf eine einzige Forderung gestützter Antrag nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen, solange die diesen Anspruch betreffenden offenen Rechts- und Tatsachenfragen nicht im Prozesswege geklärt sind.

c) Eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens für die Dauer des vorgreiflichen Zivilprozesses kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 148 ZPO ist im Insolvenzverfahren wegen dessen Eilbedürftigkeit nicht anwendbar (BGH, Beschl. v. 27. Juli 2006 - IX ZB 15/06, NZI 2006, 642).

Ende der Entscheidung

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