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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: IX ZB 147/01
Rechtsgebiete: AVAG, ZPO


Vorschriften:

AVAG § 11 Abs. 2
AVAG § 15
ZPO § 182 a.F.
ZPO § 545 a.F.
ZPO § 546 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 147/01

vom 20. Oktober 2005

in dem Anerkennungsverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 20. Oktober 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2001 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdegegenstandes wird auf 337.700,93 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wurde durch rechtskräftiges Urteil des Kantonalgerichts Jura (Schweiz) vom 14. Mai 1998 verurteilt, an die Antragstellerin 500.000 SFR nebst 5 % Zinsen sowie Kosten und Auslagen zu zahlen. Die Gläubigerin beantragte, dieses Urteil für vollstreckbar zu erklären. Dem Antrag entsprach das Landgericht mit Beschluss vom 16. November 2000.

Beglaubigte Abschriften des Beschlusses, der erteilten Vollstreckungsklausel sowie der Antragsschrift nebst Anlagen wurden dem Antragsgegner am 18. Dezember 2000 mit Rechtsmittelbelehrung durch Niederlegung zugestellt. Der Rechtsbeschwerdeführer holte die Sendung nicht ab.

Am 6. März 2001 stellte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle fest, dass dem Rechtsbeschwerdeführer versehentlich auch die für die Antragstellerin vorgesehenen Vollstreckungsunterlagen nebst Originaltitel zugestellt worden waren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle forderte deshalb die noch nicht abgeholte Sendung zurück.

Am 12. März 2001 erhielt der Rechtsbeschwerdeführer die vorgenannten Schriftstücke, nunmehr ohne die für die Antragstellerin bestimmten Unterlagen, erneut mit Rechtsmittelbelehrung durch Niederlegung zugestellt.

Diese Sendung holte der Rechtsbeschwerdeführer bis zum 15. Juni 2001 nicht ab, weshalb sie am 18. Juni 2001 an das Landgericht zurückgelangte.

Ende Juni 2001 ging dem Beschwerdeführer eine Kostenanforderung der Gerichtskasse des Landgerichts über 4.430 DM zu. Mit bei Gericht am 20. September 2001 eingegangenem Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 11 Abs. 2 AVAG und legte gleichzeitig sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 29. November 2001 (gemeint: 16. November 2000) ein, welche er zugleich begründete.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 15 AVAG 2001, §§ 545, 546 ZPO a.F. statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat dem Rechtsbeschwerdeführer die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde gemäß § 11 Abs. 2 AVAG 1988 (in der bis 28. Februar 2001 geltenden Fassung) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise versagt und die Beschwerde zutreffend als unzulässig verworfen.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass der Beschwerdeführer die Monatsfrist des § 11 Abs. 2 AVAG 1988 schon deshalb nicht unverschuldet versäumt habe, weil ihm bereits am 18. Dezember 2000 die erforderlichen Unterlagen wirksam zugestellt worden seien. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde sei deshalb gemäß § 11 Abs. 2 AVAG 1988 am 18. Januar 2001 abgelaufen. Die am 6. März 2001 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle veranlasste Rücksendung der Postsendung sei ohne Einfluss auf die bereits abgelaufene Beschwerdefrist geblieben. Der Beschwerdeführer habe auch keine Gründe vorgetragen, welche die Versäumung dieser Beschwerdefrist als unverschuldet erscheinen ließen. Die nochmalige Zustellung der ergangenen Entscheidung zur Vollstreckbarkeit des Schuldtitels am 12. März 2001 habe die abgelaufene Rechtsmittelfrist nicht wieder in Lauf gesetzt, auch nicht die mit der Zustellung erneut erteilte Rechtsmittelbelehrung.

Der Rechtsbeschwerdeführer wendet hiergegen ein, das Landgericht habe selbst die erste Zustellung als unwirksam angesehen, anderenfalls hätte es einer zweiten Zustellung mit Rechtsmittelbelehrung nicht bedurft. Insoweit könne er Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen. Außerdem sei der erste Zustellungsversuch noch nicht abgeschlossen gewesen. Dem Rechtsbeschwerdeführer sei vor Ablauf der Lagerfrist die Möglichkeit genommen worden, in den Besitz der niedergelegten Sendung zu gelangen.

Diese Einwendungen greifen nicht durch.

1. Gemäß § 182 ZPO a.F. konnte die Ersatzzustellung - wie im vorliegenden Fall - unter anderem dadurch erfolgen, dass das zu übergebende Schriftstück bei der Postanstalt niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgelegt wird. Dies ist hier am 18. Dezember 2000 geschehen. Damit war die Wirkung der Zustellung eingetreten (BGHZ 28, 30, 31; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 182 Rn. 2; Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. § 182 Rn. 7). Es kommt folglich nicht mehr darauf an, ob und wann die Sendung abgeholt wurde (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991 - VII ZB 9/91, NJW-RR 1992, 315; BVerwG NJW 1991, 1904; Stein/Jonas/Roth, ZPO 21. Aufl. § 182 Rn. 7), ob die Post die Sendung auftragsgemäß zurückgehen ließ (BayObLG NJW 1957, 33; MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO § 182 Rn. 2) oder ob die Abholungsfrist abgelaufen war (BVerwG NJW 1991, 1904).

Das Postunternehmen ist zwar verpflichtet, ein bei ihm niedergelegtes Schriftstück ordnungsgemäß zu verwahren. Die Verwahrung dient dem Zweck, dass der Adressat mit Hilfe der Mitteilung über die Niederlegung die Möglichkeit erhalten soll, in den Besitz des Schriftstückes zu gelangen (BGHZ 28, 30, 33). Für die Wirksamkeit der Zustellung ist der Ablauf der Abholungsfrist aber unerheblich (BVerwG NJW 1991, 1904).

Die Rechtsmittelfrist begann demgemäß mit der Zustellung am 18. Dezember 2000 zu laufen (§ 11 Abs. 3 AVAG 1988) und endete gemäß § 222 ZPO a.F., § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am 18. Januar 2001. Diese Frist hat der Beschwerdeführer versäumt.

Dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts diese Zustellung als unwirksam angesehen hat, kann aus der neuerlichen Zustellung nicht abgeleitet werden. Nachdem die Sendung vor Ablauf der Lagerzeit zurückgefordert wurde, sollte dem Beschwerdeführer ersichtlich nur weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, vom Inhalt der Sendung Kenntnis zu nehmen.

Jedenfalls bleibt die gesetzliche Regelung zum Beginn und zum Ablauf einer Rechtsmittelfrist auch dann maßgebend, wenn erneut zugestellt und dabei falsch belehrt worden ist (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03, ZIP 2003, 2382).

2. Der Rechtsbeschwerdeführer hat gemäß § 234 ZPO a.F. rechtzeitig nach Akteneinsicht Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist beantragt. Er hat jedoch lediglich dargelegt, dass er den Benachrichtigungsschein der erneuten Zustellung am 12. März 2001 nicht erhalten hat. Hierauf kommt es nicht an. Maßgebend war die Zustellung am 18. Dezember 2000. Auch von dieser Zustellung hat der Beschwerdeführer spätestens mit der Akteneinsicht Kenntnis erhalten. Er hätte deshalb gemäß § 236 Abs. 2 ZPO innerhalb der Frist des § 234 ZPO zumindest darlegen müssen, warum er ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Beschwerde, die am 18. Januar 2001 ablief, einzuhalten. Hierzu fehlt jeder Vortrag.

Die neuerliche Zustellung am 12. März 2001 mit erneuter Rechtsbehelfsbelehrung hat keinen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass erst an diesem Tag wirksam zugestellt worden ist.

Der Beschwerdeführer hat nach seinem Vortrag von dieser Zustellung erst mit Akteneinsicht erfahren. Spätestens gleichzeitig hat er aus den Akten entnehmen können, dass bereits am 18. Dezember 2000 zugestellt worden war. Die erteilte Belehrung bezog sich nicht auf eine bestimmte Zustellung, sondern führte lediglich generell abstrakt aus, dass gegen den Beschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde innerhalb eines Monats ab Zustellung zulässig ist. Welche Zustellung maßgebend ist, wird nicht erläutert.

Da der Beschwerdeführer von der ersten wirksamen Zustellung nach seinem eigenen Vortrag spätestens in dem Zeitpunkt erfahren hat, in dem ihm auch die zweite Zustellung bekannt wurde, bestand für ihn kein unvermeidbarer oder zumindest entschuldbarer Rechtsirrtum über den Fristbeginn (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03, ZIP 2003, 2382).

3. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO hat das Beschwerdegericht nicht geprüft. Das ist indessen unschädlich. Denn die Wiedereinsetzung von Amts wegen setzt voraus, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung offenkundig oder aktenkundig sind (BGH, Beschl. v. 24. März 2000 - III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03 aaO S. 2384). Beides ist nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, weshalb er gehindert gewesen sein soll, nach der Zustellung am 18. Dezember 2000 fristgemäß sofortige Beschwerde einzulegen. Er hat insbesondere nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er bereits die Benachrichtigung hinsichtlich dieser Zustellung nicht erhalten hat.

Ende der Entscheidung

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