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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: IX ZB 205/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 4d Abs. 1
InsO § 6
InsO § 7
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 5
InsO § 305 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 205/07

vom 12. Juni 2008

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape

am 12. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Schuldnerin wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K Prozesskostenhilfe bewilligt. Ratenzahlungen oder Zahlungen aus dem Vermögen werden nicht festgesetzt.

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 3. September 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10. April 2007 hat die Schuldnerin beantragt, das Regelinsolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen und ihr die Verfahrenskosten zu stunden. Zur Begründung dieses Antrags hat sie ein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis vorgelegt, in dem sie die Forderungen mehrerer Gläubiger mit "0 €" angegeben hat. Nachdem die Schuldnerin auf eine Aufforderung des Insolvenzgerichts vom 25. April 2007, dem Gericht zu erläutern, welches Geschehen den mit 0 € angegebenen Forderungen zugrunde liegt, zunächst nicht reagiert hatte, hat das Insolvenzgericht ihr mit Beschluss vom 3. Juli 2007 die Stundung der Verfahrenskosten versagt. In der Begründung ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin zu zwei Forderungen erklärt, dass sie nicht mehr genau wisse, in welcher Höhe die Forderungen noch offen seien und sie diese deshalb zunächst mit 0 € bewertet habe. Bei der Forderung der Gläubigerin Nr. 9 handele es sich um eine Vermittlungsgebühr, die nach ihrer Erinnerung 197,28 € betragen habe, die Forderung der Gläubigerin Nr. 13 könne etwa noch in Höhe von 3.500 € offen sein. Die Gläubigerin Nr. 16 habe zwischenzeitlich erklärt, auf ihre Forderung zu verzichten, sie könne deshalb aus dem Gläubigerverzeichnis gestrichen werden. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. 1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, wegen der nicht erfolgten Beantwortung der Fragen des Insolvenzgerichts liege eine Verletzung von Mitwirkungspflichten gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor, welche die Versagung der Stundung rechtfertige. Die nachträglichen Angaben der Schuldnerin in der Beschwerdebegründung könnten hieran nichts mehr ändern. Die Schuldnerin sei verpflichtet gewesen, zur Höhe der Forderungen zumindest ungefähre Angaben zu machen, bevor sie diese einfach mit 0 bewertete. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. a) Nach dem Beschluss des Senats vom 27. Januar 2005 (IX ZB 270/03, NZI 2005, 273) ist der Stundungsantrag des Schuldners zwar zurückzuweisen, wenn dessen Angaben nicht ausreichen, um über den Stundungsantrag zu entscheiden, und der Schuldner die vom Insolvenzgericht konkret bezeichneten Mängel (vgl. BGHZ 156, 92, 94 f) nicht beseitigt. Reichen die Angaben des Schuldners aber aus, um über den Stundungsantrag zu entscheiden, so kann ihm ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nicht schon deshalb vorgeworfen werden, weil er eine gerichtliche Anordnung in einer ergänzenden Stellungnahme nicht befolgt hat. Vielmehr kommt eine Stundungsversagung in einem solchen Fall nur in Betracht, wenn die Voraussetzung für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zweifelsfrei vorliegen (BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 72/03, ZInsO 2005, 207, 208; Beschl. v. 27. Januar 2005, aaO). b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte das Insolvenzgericht der Schuldnerin vorliegend die Stundung der Verfahrenskosten mit der gegebenen Begründung nicht versagen dürfen. Das Insolvenzgericht war auch ohne die fehlenden Angaben der Schuldnerin zur Höhe der mit "0 €" angegebenen Forderungen ohne weiteres in der Lage, über den Stundungsantrag zu entscheiden. Auch bei der vom Landgericht geforderten geschätzten Angabe der Höhe der Forderungen der Gläubiger durch die Schuldnerin hätte sich nichts an der fehlenden Deckung der Verfahrenskosten geändert. Der Schuldenstand von 46.210,61 € hätte sich weiter erhöht, freie Masse, die zur Aufbringung der Verfahrenskosten eingesetzt werden konnte, hätte sich nicht ergeben. Die Rechtsbeschwerde macht deshalb insoweit zutreffend geltend, das Landgericht hätte auch ohne die geforderten Angaben des Schuldners über die Stundung der Verfahrenskosten entscheiden können. 3. Soweit das Beschwerdegericht an die Rechtsprechung des Senats zur Versagung der Stundung bei zweifelsfreiem Vorliegen von Versagungsgründen schon im Eröffnungsverfahren anknüpft (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004, aaO S. 208; Beschl. v. 27. Januar 2005, aaO), weicht seine Entscheidung ebenfalls von der Rechtsprechung des Senats ab. a) Das Landgericht hat sich mit den Voraussetzungen für ein zweifelsfreies Vorliegen des Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht auseinandergesetzt. Zur Frage der groben Fahrlässigkeit des Handelns des Schuldners bei der Angabe der Gläubigerforderungen mit "0 €" hat es keine Feststellungen getroffen, obwohl es nicht als gesichert angesehen werden kann, dass der Schuldner im Fall der Unkenntnis der tatsächlichen Forderungshöhe oder aber bei bestrittenen Forderungen verpflichtet ist, die Höhe der Forderung zu schätzen, oder ob er berechtigt ist, diese mit "0 €" anzugeben, um zwar die Existenz der Forderung kenntlich zu machen und den Gläubiger am Verfahren zu beteiligen, zugleich aber zum Ausdruck zu bringen, dass er die Forderung bestreitet oder die exakte Höhe der Forderung nicht angeben kann. b) So wird zu § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Auffassung vertreten, der Schuldner sei berechtigt, eine Forderung mit "0 €" anzugeben, wenn er ihren Bestand bestreitet (siehe FK-InsO/Grote, 4. Aufl. § 305 Rn. 24; HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl. § 305 Rn. 34; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 305 Rn. 39; Smid/Haarmeyer, InsO, 2. Aufl., § 305 Rn. 43). In jedem Fall soll es dem Schuldner unbenommen bleiben, die Forderung im Verzeichnis mit einem Hinweis zu versehen, mit dem er seine abweichende Auffassung bezüglich der Berechtigung der Forderung zum Ausdruck bringt (HmbK-InsO/Streck, 2. Aufl. § 305 Rn. 24). Die Angabe der exakten Höhe der Forderung, die möglicherweise ohnehin erst im insolvenzrechtlichen Prüfungs- und Feststellungsverfahren oder mittels Tabellenfeststellungsklage rechtsgültig bestimmt werden kann, ist mithin kein so wesentlicher Umstand, dass bei fehlender exakter Bezifferung der Forderung von einem Fall ausgegangen werden kann, in dem die Restschuldbefreiung zweifelsfrei zu versagen ist. Anders könnte die Situation zu beurteilen sein, wenn der Schuldner Gläubiger streitiger Forderung oder Gläubiger, deren Ansprüche er nicht exakt beziffern kann, in seinen Verzeichnissen gar nicht angibt. Von einem solchen Fall ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.

III.

Der Beschluss des Beschwerdegerichts kann damit keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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