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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: IX ZB 220/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 78 Abs. 1
Ermächtigt die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter zur Erfüllung eines Anspruchs, hat das Insolvenzgericht auf Antrag eines anderen Gläubigers diesen Beschluss aufzuheben, wenn triftige Gründe für die Anfechtbarkeit dieses Anspruchs vorliegen.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 220/07

vom 12. Juni 2008

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, Dr. Fischer und Dr. Pape

am 12. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 16. Oktober 2007 und der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - Offenbach am Main vom 20. Dezember 2005 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 8. November 2005 wird aufgehoben, soweit der Insolvenzverwalter ermächtigt wird, den nach dem Erbbauvertrag vorgesehenen Heimfallanspruch zu erfüllen und die sich daraus ergebenden Ansprüche geltend zu machen.

Von den Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde haben 4/5 die weitere Beteiligte zu 3 und 1/5 der weitere Beteiligte zu 1 zu tragen; die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen den weiteren Beteiligten zu 2 und 3 je zur Hälfte zur Last.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.800 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin betrieb aufgrund eines Erbbaurechts an einem der weiteren Beteiligten zu 3 gehörenden Grundstück ein von ihr errichtetes Erlebnisbad mit Hallenbadbereich, Außenschwimmbecken und Saunalandschaft. Finanziert wurde die Errichtung dieser Anlage von der L. (fortan: Bank), die grundbuchrechtlich abgesichert ist. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. Oktober 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Erbbaurecht ist der wesentliche Bestandteil der Masse.

Der Erbbaurechtsvertrag sieht in § 12 ein Heimfallrecht für den Fall der Insolvenz der Erbbauberechtigten vor. In § 13 ist bestimmt, dass der Grundstückseigentümer bei dem Heimfall für das Erbbaurecht und die von dem Erbbauberechtigten errichteten Gebäude und Anlagen keine Entschädigung zu leisten hat. Nach § 18 des Vertrages ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, bei Vorliegen der Heimfallvoraussetzungen auf Verlangen der - an dem Vertrag mitbeteiligten - Bank den Heimfall gegenüber der Erbbauberechtigten zu erklären.

Entsprechend einer Aufforderung der Bank - der bei weitem größten Insolvenzgläubigerin - hat die weitere Beteiligte zu 3 den Heimfall geltend gemacht. Durch Beschluss der Gläubigerversammlung vom 8. November 2005 wurde - mit den Stimmen der Bank und gegen diejenigen des weiteren Beteiligten zu 1 - der Insolvenzverwalter ermächtigt, den Heimfallanspruch zu erfüllen und die sich daraus ergebenden Ansprüche geltend zu machen; den Antrag des Insolvenzverwalters, einer anderweitigen Verwertung des Erbbaurechts zuzustimmen, lehnte die Gläubigerversammlung ab.

Der weitere Beteiligte zu 1 hat noch in der Gläubigerversammlung beantragt, den Beschluss aufzuheben (§ 78 Abs. 1 InsO) und die Bank vom Stimmrecht auszuschließen (§ 77 InsO analog). Mit richterlichem Beschluss vom 20. Dezember 2005 hat das Insolvenzgericht diese Anträge zurückgewiesen. Die hiergegen von dem weiteren Beteiligten zu 1 erhobene sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Soweit der Stimmrechtsauschluss abgelehnt worden ist, nimmt der weitere Beteiligte zu 1 dies hin. Im Übrigen verfolgt er seinen Antrag mit der Rechtsbeschwerde weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 78 Abs. 2 Satz 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie hat überdies Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, der Beschluss der Gläubigerversammlung widerspreche nicht dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger (§ 78 Abs. 1 InsO). Da der Insolvenzverwalter aufgrund der klaren und rechtlich unbedenklichen Regelung des Erbbaurechtsvertrages verpflichtet sei, das Erbbaurecht auf die von der weiteren Beteiligten zu 3 als Berechtige benannte Bank zu übertragen, habe es nicht einmal einer Beschlussfassung der Gläubigerversammlung bedurft.

2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Recht.

a) Die Auffassung des Beschwerdegerichts steht im Widerspruch zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 19. April 2007 (IX ZR 59/06, ZIP 2007, 1120 ff). Darin hat der Senat entschieden, die Bestimmung eines Erbbaurechtsvertrages, wonach der Grundstückseigentümer bereits aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erbbauberechtigten den Heimfall des Erbbaurechts verlangen dürfe, benachteilige die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger jedenfalls dann, wenn der Heimfall nicht zu vergüten sei. Der Vertrag unterliege der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, weil die Heimfallregelung gezielt für den Insolvenzfall getroffen worden sei und dem Grundstückseigentümer einen Sondervorteil eingeräumt habe, der zwangsläufig die Rechte der anderen Gläubiger schmälere. Dies trage nach allgemeiner Erfahrung den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und eine entsprechende Kenntnis des Grundstückseigentümers. Aufgrund der Anfechtung könne der Insolvenzverwalter verlangen, dass die Heimfallklausel entfalle; diesen Anspruch könne er dem Heimfallanspruch entgegenhalten. An dieser Auffassung, die im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (Kirchhof WuB VI A. § 129 InsO 4.07; Kesseler ZNotP 2007, 303 f; Reul DNotZ 2007, 649, 653 f; kritisch hinsichtlich der Unbeachtlichkeit des hypothetischen Geschehensablaufs Heinze DZWIR 2007, 407, 408 f), hält der Senat fest.

b) Die hier vereinbarte Heimfallklausel dürfte ebenso der Insolvenzanfechtung unterliegen wie diejenige der Senatsentscheidung vom 19. April 2007. Gegebenenfalls bedeutete das Bestehenbleiben des Beschlusses der Gläubigerversammlung einen Wertungswiderspruch. Das Interesse der Gläubigergesamtheit an der Anreicherung der Masse, dem die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff InsO dient, unterscheidet sich allenfalls unwesentlich von dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger im Sinne des § 78 Abs. 1 InsO. Dieses ist auf die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger - nicht nur der Mehrheit - gerichtet (vgl. die Begründung des Rechtsausschusses zu § 89 RegE, BT-Drucks. 12/7302 S. 164; ferner KG NZI 2001, 310, 311; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. § 78 Rn. 17; Jaeger/Gerhardt, InsO 2. Aufl. § 78 Rn. 13; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 78 Rn. 8; HmbK-InsO/Preß, 2. Aufl. § 78 Rn. 7; Pape ZInsO 2000, 469, 475).

Der hier in Rede stehende Beschluss läuft darauf hinaus, dass ein wesentlicher Vermögenswert der Schuldnerin, die durch das Erbbaurecht vermittelte Nutzungsmöglichkeit, nicht im Interesse der Gläubigergesamtheit realisiert wird. Zwar wäre der Insolvenzverwalter durch die bloße Ermächtigung zur Erfüllung des Heimfallanspruchs nicht gehindert, von der Erfüllung abzusehen. Die Gläubigerversammlung hat es jedoch zugleich mehrheitlich abgelehnt, dem Insolvenzverwalter gemäß § 160 InsO die anderweitige Verwertung des Erbbaurechts zu genehmigen. Lehnt der Insolvenzverwalter bei der gegenwärtigen Beschlusslage die Erfüllung des Heimfallanspruchs ab, setzt er sich dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs (§ 60 InsO) aus. Hingegen verringert sich seine Haftungsgefahr, wenn er auf der Grundlage des bestandskräftigen Mehrheitsbeschlusses handelt und den Heimfallanspruch erfüllt. Diese Wirkungen des Beschlusses können die Rechte der Gläubigergesamtheit gefährden und reichen aus, um ein rechtliches Interesse an der Aufhebung des Beschlusses zu begründen. c) Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht festgestellt, wie sich die Beteiligte zu 3 und die hinter dieser stehende Bank zu einem Anfechtungsbegehren des Insolvenzverwalters verhalten. Stellen sie sich streitig, ist es Aufgabe des Prozessgerichts und nicht des Insolvenzgerichts, über die Anfechtbarkeit rechtsverbindlich zu entscheiden. Gegen diese Kompetenzverteilung verstößt das Insolvenzgericht jedoch nicht, wenn es einen Beschluss der Gläubigerversammlung aufhebt, weil dieser die voreilige Erfüllung von wahrscheinlich anfechtbar begründeten Ansprüchen einzelner Gläubiger nahelegt. Hat der Insolvenzverwalter triftige Gründe für die anfechtbare Begründung dieser Ansprüche, darf er sie nur erfüllen, nachdem er im Anfechtungsprozess unterlegen oder mit seiner Anfechtungseinrede nicht durchgedrungen ist. Vorher hat auch die Gläubigerversammlung keinen rechtlich zureichenden Grund, den Insolvenzverwalter durch Mehrheitsbeschluss zur Erfüllung anzuhalten oder ihn auch nur dazu zu ermächtigen. Beschlüsse der Gläubigerversammlung, die dagegen verstoßen, hat das Insolvenzgericht auf Antrag eines der in § 78 Abs. 1 InsO Genannten aufzuheben, um den bestehenden Zustand zu sichern.

III.

Der Senat kann dem Antrag des weiteren Beteiligten zu 1, soweit dieser noch weiter verfolgt wird, selbst stattgeben, mithin in diesem Umfang den angefochtenen Beschluss der Gläubigerversammlung aufheben, weil das Sachverhältnis hinreichend festgestellt ist (§ 577 Abs. 5 ZPO).

Bei der Kostenentscheidung für die Vorinstanz ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsbeschwerde nur gegen einen Teil der Entscheidungsgegenstände der für den weiteren Beteiligten zu 1 ungünstigen landgerichtlichen Entscheidung gerichtet ist.

Ende der Entscheidung

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