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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.05.2004
Aktenzeichen: IX ZB 231/03
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 231/03

vom

18. Mai 2004

in dem Insolvenzeröffnungsverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Neskovic und Vill

am 18. Mai 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Schuldnerin wird wegen der Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 5. September 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Aufgrund eines Eigenantrags der Schuldnerin wurde mit Beschluß des Insolvenzgerichts vom 21. August 2002 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet; der Antragsteller wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 1. Oktober 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; der Antragsteller wurde zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt. Die Vergütung des Antragstellers als vorläufiger Verwalter nebst Auslagen wurde mit Beschluß vom 24. Februar 2003 auf insgesamt 31.549,18 € festgesetzt.

Gegen diesen ihr am 26. Februar 2003 zugestellten Beschluß hat die Schuldnerin am 7. März 2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Ihr erscheint die festgesetzte Vergütung zu hoch. Mit Beschluß vom 5. September 2003 hat das Beschwerdegericht die Beschwerde zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, die Schuldnerin habe "trotz mehrfacher Aufforderung durch das Insolvenzgericht ... keine Beschwerdebegründung abgegeben" und "sie habe auch keine Gründe für eine Fehlerhaftigkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung vorgetragen". Daher habe das "Rechtsmittel ... keinen Erfolg haben" können.

Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde. Innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist hat sie um Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Diese ist ihr mit Beschluß vom 22. Januar 2004, ihr zugestellt am 29. Januar 2004, bewilligt worden. Daraufhin hat die Schuldnerin am 9. Februar 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Rechtsbeschwerde begründet.

II.

Der Schuldnerin ist wegen der Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie war an der rechtzeitigen Einreichung der Begründung schuldlos verhindert, weil ihr vor der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe die zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens erforderlichen finanziellen Mittel fehlten.

III.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung.

1. Das Beschwerdegericht hat das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 GG (rechtliches Gehör) verletzt. Die sofortige Beschwerde war von der Schuldnerin umfangreich begründet worden (Schriftsatz vom 25. März 2003, GA 906 ff). Der nunmehrige Rechtsbeschwerdegegner hatte ähnlich umfangreich darauf erwidert (Schriftsatz vom 7. Juli 2003, GA 1063 ff). Obwohl das Insolvenzgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 28. Juli 2003 (GA 1132) auf diese Schriftsätze hingewiesen hatte, hat das Beschwerdegericht den darin enthaltenen Verfahrensstoff nicht zur Kenntnis genommen.

2. Die Beschwerdeentscheidung kann auf diesem Verfahrensverstoß beruhen. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist jedenfalls zum Teil entscheidungserheblich.

a) Die Vorinstanzen haben, entsprechend den Angaben des Antragstellers in seinem Vergütungsfeststellungsantrag, den Wert des verwalteten Vermögens zum Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit als vorläufiger Verwalter mit 1.282.256,26 € veranschlagt. Dabei wurden Grundvermögen in Höhe von 150.002 €, Altforderungen in Höhe von 102.200 € und sonstige Vermögensgegenstände im Wert von 173.603 € berücksichtigt. Nach Darstellung des Antragstellers handelte es sich bei den angegebenen Beträgen jeweils um Zerschlagungswerte. Diese drei Positionen hat die Schuldnerin in ihrer Beschwerdebegründung konkret angegriffen. Sie hat geltend gemacht, bei der Immobilie handele es sich um ein "gefangenes" Grundstück, das nur nach einem Teilabriß der maroden Bausubstanz verwertet werden könne. Die in Ansatz gebrachten Altforderungen hätten nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie uneinbringlich und somit wertlos seien. Bei den sonstigen Vermögensgegenständen handele es sich um Kapitallebensversicherungen, bei denen zur Berechnung des Massewertes die Kapitalertragsteuer abgezogen werden müsse. Dies habe der Antragsteller unterlassen.

b) Die Vorinstanzen haben, wiederum antragsgemäß, 50 % der fiktiven Verwaltervergütung als angemessenen Bruchteil in Ansatz gebracht. Es habe sich insgesamt um ein überdurchschnittliches Verfahren gehandelt. Der Geschäftsbetrieb sei während der Dauer der vorläufigen Verwaltung in erheblichem Umfang fortgeführt worden. Die Schuldnerin habe zuletzt noch 85 Arbeitnehmer beschäftigt. Es seien Insolvenzgelder vorfinanziert und Möglichkeiten der übertragenden Sanierung erörtert worden. Alldem ist die Schuldnerin in ihrer Beschwerdebegründung substantiiert entgegengetreten. Sie hat Gespräche des Antragstellers mit Erwerbsinteressenten bestritten. Mit den Arbeitnehmern habe der Antragsteller praktisch nichts zu tun gehabt; vielmehr habe sich die Geschäftsführung der Schuldnerin um diese gekümmert. Sie - die Schuldnerin - habe das Verfahren auch sonst so intensiv vorbereitet und begleitet, daß die Tätigkeit des Antragstellers wesentlich erleichtert worden sei.

c) Dieses Vorbringen erfordert eine tatrichterliche Würdigung, an der es bisher fehlt.

Ende der Entscheidung

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