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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: IX ZB 232/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 240
Wird nach Einreichung der Klage bei Gericht, aber noch vor Zustellung an den Beklagten das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet, findet eine Unterbrechung des Rechtsstreits nicht statt.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp

am 11. Dezember 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. Dezember 2007 und der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 4. Februar 2005 aufgehoben.

Der Antrag des Beklagten, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Streitwert wird auf 6.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger hat am 6. Oktober 2003 bei dem Landgericht eine auf Amtspflichtverletzung gestützte Schadensersatzklage gegen den Beklagten, einen ehemaligen Notar, eingereicht. Über das Vermögen des Beklagten ist am 17. Oktober 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. A. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Klageschrift ist dem Beklagten am 24. Oktober 2003 unter seiner ehemaligen Kanzleianschrift durch Einlegen in den Briefkasten übermittelt worden. Durch Schriftsatz vom 10. November 2003 haben die von dem Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwälte für diesen Verteidigungsbereitschaft angezeigt; ihnen ist die Klageschrift am 13. November 2003 zugestellt worden. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 10. November 2003 hat sich der Insolvenzverwalter gemeldet und unter Hinweis auf die Insolvenzeröffnung die Auffassung vertreten, dass der Rechtsstreit unterbrochen sei. Die Bevollmächtigten des Beklagten sind in der Folgezeit der Klageforderung entgegengetreten und haben einen Klageabweisungsantrag angekündigt.

Der Kläger hat sich mit dem Insolvenzverwalter außergerichtlich dahin verständigt, dass er die Klage unter Verzicht auf die Geltendmachung einer etwaigen aus dem Rechtsstreit resultierenden Masseforderung zurücknimmt und der Insolvenzverwalter im Gegenzug keinen Kostenantrag stellt. Am 16. Januar 2004 hat der Kläger die Klage unter Hinweis auf das Insolvenzverfahren zurückgenommen und erklärt, der Insolvenzverwalter werde einen Kostenantrag nicht stellen. Auf Antrag des Beklagten hat das Landgericht dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger, die vordergerichtlichen Entscheidungen aufzuheben und den Kostenantrag des Beklagten abzuweisen.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei jedenfalls durch die Zustellung der Klageschrift an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden. Der Beklagte habe seinen Anwälten nach Insolvenzeröffnung und darum ohne Verstoß gegen § 117 InsO Prozessvollmacht erteilt. Eine Unterbrechung des Verfahrens sei nicht eingetreten, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten noch vor Klagezustellung eröffnet worden sei. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Klägers auf der Grundlage des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO komme nicht in Betracht, weil die Klageforderung in ihrem Bestand durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt werde und darum weder eine Erledigung der Hauptsache eingetreten noch der Anlass zur Klageerhebung entfallen sei.

2.

Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht Stand. Der Beklagte kann nicht zu seinen Gunsten den Erlass einer Kostenentscheidung beantragen, weil der auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO beruhende prozessuale Kostenerstattungsanspruch Bestandteil der Insolvenzmasse ist und darum der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO) unterliegt. Daraus folgt zugleich, dass der Kostenerstattungsanspruch nach Maßgabe des von dem Insolvenzverwalter mit dem Kläger vereinbarten Vergleichs untergegangen ist.

a)

Die Klage ist dem Beklagten - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat - nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wirksam zugestellt worden. Der Mangel einer Zustellung unter der nicht mehr bestehenden Kanzleianschrift wurde geheilt, weil der Beklagte die Klageschrift tatsächlich erhalten hat (§ 189 ZPO).

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO). Eine gleichwohl gegen den Schuldner erhobene Klage ist unzulässig, weil ihm die passive Prozessführungsbefugnis und dem Gläubiger, der seine Forderung nur noch durch Anmeldung im Insolvenzverfahren realisieren kann (§ 87 InsO), das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 10 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl. Rn. 42 vor §§ 85 bis 87; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 10.40). Die Partei- und Prozessfähigkeit des Schuldners (§§ 50, 51 ZPO) wird jedoch durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt (BGH, Urt. v. 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260). Mithin ist die der Wirksamkeit einer Zustellung an Prozessunfähige entgegenstehende Vorschrift des § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unanwendbar und auch eine nach Insolvenzeröffnung gegenüber dem Schuldner bewirkte Zustellung gültig (KG ZIP 1990, 1092, 1093; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 80 Rn. 77; Grunsky EWiR 1990, 917, 918; K. Schmidt, NJW 1995, 911, 912; im Ergebnis ebenso BGHZ 127, 156, 163) .

b)

Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners am 17. Oktober 2003 und damit bereits vor der frühestens am 24. Oktober 2003 erfolgten Zustellung der Klageschrift eröffnet wurde, ist der Rechtsstreit in Übereinstimmung mit der rechtlichen Würdigung des Beschwerdegerichts nicht nach § 240 ZPO unterbrochen worden. Folglich hatte der Erlass der isolierten Kostenentscheidung (§ 269 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO) nicht wegen einer Verfahrensunterbrechung zu unterbleiben (BGH, Beschl. v. 2. Februar 2005 - XII ZR 233/02, ZInsO 2005, 372, 373).

aa)

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird gemäß § 240 Satz 1 ZPO das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird. Schon dem Wortsinn des § 240 ZPO ist zu entnehmen, dass die Unterbrechung ein rechtshängiges Verfahren voraussetzt, weil nur ein bereits durch Zustellung an den Gegner in Gang gesetzter zweiseitiger prozessualer Vorgang unterbrochen werden kann. Unter "Verfahren" ist mithin ein durch Klagezustellung rechtshängig gewordener Prozess (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO) zu verstehen. Allein diese Auslegung entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers: Danach muss der "anhängig gewordene Prozess" grundsätzlich ohne Stillstand zu Ende geführt werden (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Zweiter Band, Erste Abteilung, 2. Auflage herausgegeben von Stegmann S. 248), es sei denn, dass vom Willen der Parteien unabhängige Umstände wie die "Konkurseröffnung" einen "vollständigen Stillstand des Prozesses" fordern (Hahn, aaO S. 249). Da von einem Rechtsstreit und damit einem Prozess nur nach Zustellung der Klage gesprochen werden kann (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO), kommt folgerichtig eine Unterbrechung des Verfahrens ebenfalls erst nach Zustellung der Klage in Betracht. Dementsprechend ist bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Zivilprozessordnung - soweit ersichtlich einhellig - die Auffassung vertreten worden, dass eine Verfahrensunterbrechung die Zustellung der Klage erfordert (Frank ZZP 13 (1889), 184, 215). "Anhängigkeit" des Prozesses wurde sowohl im Rahmen des § 240 ZPO als auch der darauf bezogenen konkursrechtlichen Vorschriften als "Rechtshängigkeit" gedeutet (Voigt, Der Einfluss des Konkurses auf die schwebenden Prozesse des Gemeinschuldners, 1903 S. 8; Lothar Seuffert, Deutsches Konkursprozessrecht 1899 S. 179 f; LAG Berlin LAG-E § 146 KO Nr. 1 Satz 2 f; vgl. auch RGZ 32, 354, 356; RG Gruchot 39, 1138, 1139) und folglich angenommen, dass eine Unterbrechung nicht stattfindet, wenn über das Vermögen einer der Parteien vor Klagezustellung das Konkursverfahren eröffnet wurde (Voigt, aaO S. 9 m.w.N.; Frank, aaO).

bb)

Diese Würdigung liegt ebenso dem Verständnis des Gesetzgebers der Insolvenzordnung zugrunde, wonach durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein "Rechtsstreit" unterbrochen wird (BT-Drucks. 12/2443, S. 136). Die Unterbrechung eines Verfahrens infolge einer Insolvenzeröffnung setzt also ein durch Zustellung der Klageschrift begründetes rechtshängiges zivilrechtliches Streitverfahren voraus (BGH, Beschl. v. 14. August 2008 - VII ZB 3/08, ZIP 2008, 1941, 1942 Rn. 10). Damit übereinstimmend wird von der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum für die Unterbrechung des Verfahrens die Zustellung der Klage und damit Rechtshängigkeit verlangt (KG aaO S. 1093; OLG Frankfurt OLGR 2006, 935 (LS), Rn. 22 ([...]); OLG München ZIP 2007, 2052; LAG Berlin, aaO; MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO; Braun/Kroth, InsO 3. Aufl. Rn. 6 vor § 85 bis 87; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 85 Rn. 4; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 85 Rn. 21; HmbKomm/Kuleisa, InsO 2. Aufl. Rn. 9 vor §§ 85 bis 87; Gottwald/Gerhardt, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 32 Rn. 2; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 85 Rn. 10; Lattka ZInsO 2007 1034 ff; Wiecorek/Schütze/Gerken, ZPO 3. Aufl. § 240 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 240 Rn. 6 i.V.m. Rn. 1 vor § 239; Musielak/Stadler, ZPO 6. Aufl. § 240 Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl. § 240 Rn. 6; Hk-ZPO/Wöstmann, 2. Aufl. § 240 Rn. 2; Thomas/ Putzo/Hüßtege, ZPO 29. Aufl. § 240 Rn. 3; a.A. OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1428, 1429; Huber, AnfG 10. Aufl. § 17 Rn. 3; Kübler/Prütting/Paulus, § 17 AnfG Rn. 2).

cc)

Diese an die Zustellung der Klageschrift als unabdingbare Voraussetzung einer Unterbrechung anknüpfende Rechtsauffassung steht mit allgemeinen prozessualen Grundsätzen in Einklang. Eine Klageänderung (§ 263 ZPO), die Erhebung einer Widerklage (§ 33 ZPO) wie auch einer Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) setzt Rechtshängigkeit und damit die Zustellung der Klage voraus. Eine Erledigung der Hauptsache kann erst nach Rechtshängigkeit eintreten (BGHZ 83, 12, 13 f ; 127, 156, 163 ; BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 - IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134; Urt. v. 19. Juni 2008 - IX ZR 84/07, ZIP 2008, 1736 f Rn. 10). Auch die Entstehung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs erfordert - abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - ein Prozessrechtsverhältnis, also die Rechtshängigkeit eines prozessualen Anspruchs einer Partei gegen die andere (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1974 - V ZR 86/73, WM 1975, 97, 98; v. 21. April 1988 - IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, 3205; Musielak/Wolst, aaO Rn. 14 vor § 91; Ganter FS Merz, S. 105, 106 f.). In Anknüpfung an diese prozessualen Gegebenheiten ist eine Unterbrechung des Verfahrens ebenfalls nur bei einer nach Klagezustellung erfolgten Insolvenzeröffnung gerechtfertigt (Lattka ZInsO 2007, 1034, 1035).

dd)

Überdies scheidet eine Unterbrechung stets aus, wenn das Insolvenzverfahren schon vor Klageeinreichung und damit vor Anhängigkeit eröffnet wurde (RG Gruchot aaO; OLG Frankfurt ZIP 1980, 629; MünchKomm-InsO/Schumacher aaO; Jaeger/Henckel, aaO; Pape ZInsO 2002, 917, 918) . Dies wird auch von den Vertretern der Gegenauffassung anerkannt (vgl. nur Jaeger/Windel aaO § 85 Rn. 8). Da mithin trotz Insolvenzeröffnung Raum für gegen den Schuldner geführte - höchstpersönliche - Rechtsstreitigkeiten bleibt, erscheint es im Interesse der Rechtsklarheit geboten, für die Frage einer Unterbrechung allein auf den Zeitpunkt der Klagezustellung abzustellen.

c)

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat infolge der ihm erteilten Vollmacht - wie auch das Beschwerdegericht annimmt - wirksam einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO gestellt.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt zwar gemäß § 117 Abs. 1 InsO eine von dem Schuldner seinem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 1988 - X ZB 16/88, ZIP 1988, 1584, 1585). Die durch § 240 ZPO angeordnete Verfahrensunterbrechung ist notwendige Folge des auf § 117 InsO beruhenden Wegfalls der Prozessvollmacht (MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO § 240 Rn. 5). Im Streitfall ist § 117 InsO jedoch schon tatbestandlich nicht einschlägig, weil der Beklagte seine Rechtsanwälte erst nach Insolvenzeröffnung mandatiert hat. Der Schuldner ist sogar berechtigt, einen Prozessvertreter, dessen Vollmacht kraft § 117 InsO erloschen war, nach Insolvenzeröffnung zur weiteren Wahrnehmung seiner verfahrensmäßigen Rechte erneut zu bevollmächtigen (BGH, Beschl. v. 14. Juli 1982 - VIII ZB 18/82, VersR 1982, 1054; v. 14. Mai 1998 - IX ZR 256/96, NJW 1998, 2364, 2365).

d)

Der Kostenantrag des Beklagten ist jedoch - wie die Rechtsbeschwerde mit Erfolg rügt - unbeachtlich, weil der Kostenerstattungsanspruch als Neuerwerb (§ 35 InsO) zur Insolvenzmasse gehört und gemäß § 80 Abs. 1 InsO allein von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Überdies ist der aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgende Kostenerstattungsanspruch entfallen, weil der Insolvenzverwalter im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Vergleichs - auch mit Wirkung für den Beklagten - darauf verzichtet hat (BGH, Beschl. v. 24. Juni 2004 - VII ZB 4/04, NJW-RR 2004, 1506, 1507 m.w.N.).

aa)

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über prozessuale Ansprüche des Schuldners unabhängig davon auf den Insolvenzverwalter über, ob dieser in den Rechtsstreit eintritt (BGH, Urt. v. 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, ZIP 1997, 473). Deswegen kann der Schuldner als Partei eines Rechtsstreits nur noch die Rechte geltend machen, die einem Schuldner nach Insolvenzeröffnung verbleiben (vgl. BGHZ 155, 87, 91) .

bb)

Unter der Geltung der Konkursordnung ist die Auffassung vertreten worden, dass dem verklagten Schuldner nach Rücknahme der Klage ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger zusteht, wenn die Klage nach Konkurseröffnung zugestellt wurde und der Konkursverwalter mangels einer Verfahrensunterbrechung nicht in den Rechtsstreit eingetreten ist (KG, aaO; OLG Frankfurt, aaO S. 630; Grunsky, aaO). Dieser Rechtsmeinung kann jedenfalls nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht mehr gefolgt werden, weil § 35 InsO im Gegensatz zur Konkursordnung auch das von dem Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangte Vermögen ("Neuerwerb") der Insolvenzmasse und damit dem Insolvenzbeschlag unterwirft. Da der Kostenerstattungsanspruch mit der Rechtshängigkeit und folglich der Zustellung der Klage aufschiebend bedingt durch eine mindestens vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung entsteht (BGH, Urt. v. 22. Mai 1992 - V ZR 108/91, NJW 1992, 2575; Ganter, aaO), handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch des Beklagten aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO wegen der erst nach Insolvenzeröffnung bewirkten Klagezustellung um einen Neuerwerb (vgl. Stein/Jonas/Bork, aaO Rn. 15 Fn. 34 vor § 91).

cc)

Dieser Kostenerstattungsanspruch ist Bestandteil der Insolvenzmasse (§ 35 InsO), die sich auf alle pfändbaren Forderungen des Schuldners erstreckt (MünchKomm-InsO/Lwowski/Peters, aaO § 35 Rn. 383; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 35 Rn. 81).

Eine Forderung ist nach § 851 Abs. 1 ZPO insoweit der Pfändung unterworfen, als sie übertragbar ist. Aus dieser Regelung ergibt sich im Streitfall kein Pfändungsverbot, weil der prozessuale Kostenerstattungsanspruch uneingeschränkt abtretbar ist (BGH, Urt. v. 21. April 1988, aaO; Ganter, aaO S. 108). Über den Wortlaut des § 851 ZPO hinaus sind auch zweckgebundene Forderungen der Pfändung entzogen, weil eine - im Rahmen einer Insolvenz nicht zu vermeidende (Uhlenbruck, aaO § 36 Rn. 3) - zweckwidrige Verwendung zu einer Veränderung ihres Leistungsinhalts und damit zur Unpfändbarkeit führt. Während dem Prozesskostenvorschuss aus § 1360a Abs. 4 BGB wegen eines aus diesen Mitteln zu bestreitenden künftigen Rechtsstreits eine Zweckbindung innewohnt (BGHZ 94, 316, 322), ist dem mit der vorläufig vollstreckbaren Kostengrundentscheidung auflösend bedingt und fällig werdenden (BGH, Urt. v. 8. Januar 1976 - III ZR 146/73, WM 1976, 460, 461; Urt. v. 21. April 1988, aaO; Stein/Jonas/Bork, aaO vor § 91 Rn. 13; MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO Rn. 15 vor §§ 91 ff; Zöller/Herget, ZPO Rn. 10 vor § 91; Musielak/Wolst, aaO vor § 91 Rn. 14; Ganter, aaO S. 107) prozessualen Kostenerstattungsanspruch eine derartige Zweckbindung im allgemeinen fremd. Anderes könnte allenfalls gelten, sofern der durch den Kostenerstattungsanspruch begünstigte Anwalt noch nicht befriedigt ist. Entsprechendes ist freilich nicht vorgetragen.

Aus diesen Erwägungen wird der prozessuale Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich als pfändbar erachtet (RGZ 145, 13, 15; Musielak/Wolst, aaO Rn. 14 vor § 91; Musielak/Becker, aaO § 829 Rn. 37; MünchKomm-ZPO/Giebel, aaO; Zöller/Herget, aaO; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 4. Aufl. § 829 Rn. 7; Stein/Jonas/Bork, aaO Rn. 15 vor § 91; Stein/Jonas/Brehm, aaO § 829 Rn. 6; Hk-ZPO/Gierl, aaO Rn. 12 vor §§ 91 bis 107; Thomas/Putzo/Hüßtege, aaO Rn. 9 vor § 91; Ganter, aaO S. 108; ebenso im Ergebnis BGH, Urt. v. 21. April 1988, aaO), so dass er in die Insolvenzmasse fällt (KG ZInsO 2003, 802; OLG Zweibrücken ZInsO 2005, 383 ). Mithin ist der Beklagte nicht zur Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs berechtigt, der überdies durch den von dem Insolvenzverwalter mit dem Kläger geschlossenen Vergleich entfallen ist.

Ende der Entscheidung

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