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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: IX ZB 28/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, InsVV


Vorschriften:

InsO § 7
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2
InsVV § 1
InsVV § 11 Abs. 1
InsVV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 28/03

vom 18. Dezember 2003

in dem Insolvenzeröffnungsverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak am 18. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 30. Dezember 2002, berichtigt durch Beschluß vom 21. Februar 2003, wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 285.543,53 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde durch Beschluß des Insolvenzgerichts vom 15. Januar 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der W. GmbH & Co. KG i.L. (nachfolgend: Schuldnerin) bestellt. Das Insolvenzeröffnungsverfahren endete am 22. Januar 2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Antragsteller wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.

Für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter berechnete der Antragsteller eine Vergütung (incl. Auslagenersatz) von 738.757,14 €. Das Insolvenzgericht hat die Vergütung auf insgesamt 241.522,60 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht die Festsetzung auf 280.904,61 € erhöht. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsteller die Festsetzung einer weiteren Vergütung von 285.543,53 €.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.

1. Der Antragsteller hat seiner Berechnung einen Wert der verwalteten künftigen Masse von 19.832.820 € zugrundegelegt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV). Dabei hat er den Wert des - bereits vor der Stellung des Insolvenzantrags verkauften und an den Käufer übergebenen - Betriebsgrundstücks mit 4.651.200 € und den von ihm eingezogenen Kaufpreis mit noch einmal demselben Betrag in Ansatz gebracht. Gegen die Auffassung des Landgerichts, der Betrag dürfe nur einmal, aber nicht doppelt, berücksichtigt werden, bringt die Rechtsbeschwerde vor, eine Verrechnung des Grundstückswerts mit dem Wert des Kaufpreisanspruchs sehe § 1 InsVV nicht vor. Der Antragsteller habe sowohl eine Verantwortung für das noch nicht übereignete, also noch im Schuldnervermögen befindliche Grundstück gehabt als auch die restliche Vertragserfüllung überwachen müssen.

Einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es nicht. Der Standpunkt des Landgerichts ist offensichtlich zutreffend. Andernfalls würde jede Verwertungsmaßnahme des vorläufigen wie auch des endgültigen Verwalters die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung betragsmäßig verdoppeln. Im übrigen ist auch sein Rechenwerk falsch. Die Kaufpreisforderung war am Ende des Abrechnungszeitraums nicht mehr vorhanden, weil der Antragsteller sie eingezogen hat. Entsprechende Massezuflüsse wurden nach seinen eigenen Angaben nur in Höhe von rd. 1,344 Mio. € erzielt.

2. Bei der Bestimmung des angemessenen Vergütungsbruchteils nach § 11 Abs. 1 InsVV hat der Antragsteller als erhöhenden Faktor die außergewöhnliche Höhe des Umsatzes des Schuldnerunternehmens berücksichtigt wissen wollen. Das Landgericht hat dies unter Hinweis darauf abgelehnt, daß der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin schon Ende des Jahres 2000 eingestellt worden sei und danach nur noch Liquidationsmaßnahmen stattgefunden hätten. Daß die Arbeit des Antragstellers durch das früher erzielte Umsatzvolumen besonders erschwert worden sei, sei nicht ersichtlich. Nach Ansicht der Rechtsbeschwerde werfen diese Erwägungen einmal die Frage auf, ob ein besonders hoher Umsatz des verwalteten Unternehmens sich nicht auch ohne entsprechende Darlegungen des Verwalters gebührenerhöhend auswirke. Zum anderen stelle sich die Frage, ob dies auch dann zutreffe, wenn sich das Schuldner-Unternehmen schon vor Beginn der Verwaltung in Liquidation befunden habe.

Die erste Frage stellt sich nicht, weil das Schuldner-Unternehmen unter der Verantwortung des Antragstellers überhaupt nicht mehr werbend tätig war. Die zweite Frage ist ohne weiteres zu verneinen. Im Liquidationsstadium können die früher erzielten überdurchschnittlichen Umsätze gebührenerhöhend nur wirken, wenn daraus typischerweise eine aktuelle Arbeitserschwernis folgt. Einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht.

3. Eine weitere Erhöhung hat der Antragsteller wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten geltend gemacht. Dies hat das Landgericht abgelehnt mit der Begründung, es seien "nur maßvolle Erhöhungen vorzunehmen, wenn, wie hier, in die Berechnungsgrundlage auch mit Aus- und Absonderungsrechten belastete Vermögensgegenstände einbezogen ... (seien), die konkrete Besonderheit des Verfahrens aber keinen Bezug zu Aus- und Absonderungsrechten" habe.

Daß das Landgericht damit, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, von dem - vom Landgericht zitierten - Senatsbeschluß vom 14. Dezember 2000 (IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165, 171) abweichende Bewertungsmaßstäbe formuliert habe, ist nicht erkennbar. Offensichtlich hat es zum Ausdruck bringen wollen, der Antragsteller habe die in dem erwähnten Senatsbeschluß aufgestellten Voraussetzungen für die begehrte Erhöhung nicht erfüllt. Diese Einschätzung ist zutreffend. Die von Aus- und Absonderungsrechten betroffenen Gegenstände haben in die Berechnungsgrundlage nach § 1 InsVV Eingang gefunden. Davon ist auch der von dem Antragsteller eingeschaltete Privatgutachter ausgegangen (vgl. S. 13 des Gutachtens: "Aktivvermögen einschließlich der Fremdrechte"), dessen Ausführungen sich der Antragsteller zu eigen gemacht hat.

4. Weil zur Verwaltung der Vermögensmasse insgesamt sieben Betriebsstätten hätten gesichert werden müssen, wobei in D. eine Komplettinventarisierung des Tochterunternehmens W. GmbH erforderlich gewesen sei und ein betriebliches "Controlling" habe eingesetzt werden müssen, hat der Antragsteller ursprünglich eine Erhöhung um insgesamt 25 % geltend gemacht. In der Beschwerdeinstanz hat er, dem Privatgutachter folgend, noch eine Erhöhung "um mindestens 15 %" für gerechtfertigt gehalten. Das Landgericht hat wegen des Vorhandenseins mehrerer Betriebsstätten eine Erhöhung um 4 % und wegen der Komplettinventarisierung des Tochterunternehmens eine solche um 2,5 % für angemessen gehalten. Der Antragsteller vermißt zum letzten Punkt die Angabe konkreter Gründe und hält die Ansätze für willkürlich.

Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt. Gewiß kann eine tatrichterliche Ermessensentscheidung nur nachvollzogen werden, wenn die ihr zugrundeliegenden Faktoren benannt sind. Wenn dagegen im Einzelfall verstoßen wird, verschafft dies der Sache aber noch keine grundsätzliche Bedeutung. Im übrigen hat auch der Antragsteller selbst seinen Erhöhungsfaktor nicht näher aufgeschlüsselt. Mit welchem Anteil das Vorhandensein von sieben Betriebsstätten und mit welchem die Komplettinventarisierung zu Buche schlagen sollte, hat er nicht dargelegt.

5. Weil der Antragsteller auf Umsatzsteuerguthaben im europäischen Ausland bezogene Erstattungsansprüche zu prüfen hatte, hat das Landgericht eine Erhöhung der Bruchteilsvergütung um 10 % bewilligt. Damit sei dann aber auch der Umstand abgegolten, daß der Antragsteller sich bei Prüfung der Werthaltigkeit der Forderungen mit internationalem Steuerrecht auseinandergesetzt habe.

Dies, so rügt die Rechtsbeschwerde, vermische die vom Gesetz vorgegebene Differenzierung zwischen Erhöhungsfaktoren und Zuschlägen. Indes scheidet eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt schon deshalb aus, weil nicht deutlich gemacht worden ist, daß das Ergebnis für den Antragsteller günstiger wäre, wenn das Landgericht so verfahren wäre, wie es die Rechtsbeschwerde für richtig hält. Möglicherweise hätte es dann einen niedrigeren Erhöhungsfaktor als 10 % gewählt.

6. Eine bei der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigende Erschwernis hat das Landgericht darin gesehen, daß dem Antragsteller keine kenntnisreichen Auskunftspersonen zur Verfügung gestanden hätten und daß in R. Belege nicht hinreichend geordnet gewesen seien. Beides habe sich aber im wesentlichen nur bei der Erfassung der Umsatzsteuerforderung des niederländischen Fiskus ausgewirkt, weshalb eine Erhöhung der Vergütung um 2 % ausreichend erscheine.

Falls, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, nicht nur die Umsatzsteuerforderung des niederländischen Fiskus betroffen gewesen ist, stellt sich damit noch keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

7. Wegen der Bearbeitung einer "legal watch list" hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren eine Erhöhung der Vergütung um 5 % geltend gemacht. Das Landgericht hat dies abgelehnt, weil die Entscheidung über die Aufnahme von Rechtsstreitigkeiten zum Normalfall der vorläufigen Insolvenzverwaltung gehöre. Diese Ansicht hat der Privatgutachter des Antragstellers im Ansatz geteilt. Im vorliegenden Fall ist während der Dauer der vorläufigen Insolvenzverwaltung noch nicht einmal eine Entscheidung getroffen worden; vielmehr hat sich der Antragsteller lediglich bemüht, "die später zu treffende Entscheidung über die Aufnahme der Prozesse vorzuklären" (Gutachten S. 19). Der Ausgangspunkt des Landgerichts, der Antragsteller habe es im wesentlichen nur mit einem einzigen Verfahren zu tun gehabt, wird nicht angegriffen. Unter diesen Umständen ist eine rechtsgrundsätzliche Entscheidung des Senats zu der Frage, ob die Bearbeitung einer "legal watch list" die Erhöhung der Bruchteilsvergütung wegen quantitativer Abweichung vom Normalverfahren rechtfertige, nicht veranlaßt.

8. Für die Lösung komplexer Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Handelsgeschäfts hat der Antragsteller einen Zuschlag nach § 3 InsVV in Höhe von 5 % und für die Lösung arbeitsrechtlicher Fragen in Höhe von 3 % berechnet. Das Landgericht hat im ersten Punkt 2 % bewilligt; im zweiten Punkt hat es einen Zuschlag abgelehnt. Auch insoweit vermißt die Rechtsbeschwerde eine nachvollziehbare Begründung. Dazu kann auf die Ausführungen oben zu 4. verwiesen werden.

9. Für die Einziehung der Kaufpreisforderung bei der Erwerberin des Betriebsgrundstücks hat der Antragsteller einen Zuschlag von 2 % geltend gemacht. Es habe sich um eine Verwertungsmaßnahme gehandelt, die grundsätzlich nicht zum Aufgabengebiet eines vorläufigen Insolvenzverwalters gehöre und deshalb einen Zuschlag rechtfertige. Das Landgericht hat darin keine Verwertungsmaßnahme gesehen, sondern die schlichte Einziehung einer Forderung, die "im Rahmen der Sicherung des Vermögens von der Normaltätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters umfaßt" sei.

Insofern ist der Rechtsbeschwerde darin zuzustimmen, daß die Einziehung einer Forderung insolvenzrechtlich betrachtet eine Verwertungsmaßnahme darstellen kann. Das rechtfertigt jedoch nicht die daraus gezogene Folgerung, daß sie dann dem vorläufigen Insolvenzverwalter besonders zu vergüten sei. Etwas derartiges kommt nur in Betracht, wenn die Einziehung schon im Insolvenzeröffnungsverfahren notwendig war (vgl. Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren Rn. 188). Fällige Forderungen des Schuldners gegen Drittschuldner darf der vorläufige Insolvenzverwalter außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs jedoch nur einziehen, um drohender Verjährung oder Uneinbringlichkeit vorzubeugen, nicht aber allgemein zur Masseanreicherung (Kirchhof, in: HK-InsO, 3. Aufl. § 22 Rn. 14; vgl. auch BGHZ 146, 165, 176). Zu diesen Voraussetzungen ist hier nichts vorgetragen.



Ende der Entscheidung

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