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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: IX ZB 310/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 767
Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich grundsätzlich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren (Haupt-)Anspruchs, sofern sich nicht aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teilbetrags für unzulässig erklärt werden soll.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 310/04

vom 9. Februar 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Dr. Ganter, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 9. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 12.640,16 €.

Gründe:

In einem Vorprozess verurteilte das Landgericht H. die Klägerin, an die Beklagte 12.640,16 € nebst Zinsen zu zahlen; das Urteil wurde durch Zurückweisung der Berufung rechtskräftig. Später wandte sich die Klägerin gegen die zwangsweise Beitreibung der titulierten Forderung nebst Kosten mit der Vollstreckungsabwehrklage. Nach Einreichung, aber vor Zustellung dieser Klage ging bei der Beklagten die von der Klägerin nach dem erstinstanzlichen Unterliegen im Vorprozess hinterlegte Hauptsumme (nebst Hinterlegungszinsen) sowie ein vom Gerichtsvollzieher beigetriebener Teilbetrag ein.

Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

1. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat für die Frage, ob die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten ist, darauf abgestellt, ob und inwieweit der Klägerin im Zeitpunkt der Berufungseinlegung eine Vollstreckung drohte. Damit ist es von der nachfolgend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere von dem Beschluss vom 2. Februar 1962 (V ZR 70/60, NJW 1962, 806), abgewichen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 €.

a) Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für eine Wertberufung erforderlichen Betrag von 600 € übersteigt, ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (BGH, Beschl. v. 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219).

b) Der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet die in § 511 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgesehene Grenze von 600 €; er beträgt 12.640,16 €.

aa) Der Wert der Vollstreckungsabwehrklage war vom Berufungsgericht gemäß §§ 3, 4 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Eine solche Festsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschl. v. 9. Juli 2004, aaO, S. 220).

bb) Die Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht überschreitet die Grenzen des ihm in § 3 ZPO eingeräumten Ermessens.

Der Wert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung (BGH, Beschl. v. 20. September 1995 - XII ZR 220/94, NJW 1995, 3318). In diesem Umfang entscheidet der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs einschließlich etwaiger Rückstände ohne Zinsen und ohne Kosten des Vorprozesses (BGH, Beschl. v. 18. März 1981 - IVb ZR 585/80, KostRsp GKG § 17 Nr. 31; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort "Vollstreckungsabwehrklage"). Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen (BGH, Beschl. v. 23. September 1987 - III ZR 96/87, KostRsp ZPO § 3 Nr. 890; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1226 f). Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Kläger der Vollstreckungsgegenklage bestimmt wird, kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird (OLG Bamberg JurBüro 1984, 1398; OLG Hamm RPfleger 1991, 387; OLG Frankfurt am Main OLGR 2003, 172, 173). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zugrunde zu legen (BGH, Beschl. v. 2. Februar 1962, aaO).

cc) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Aus seinen Feststellungen (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO) ergibt sich nicht, dass die Klägerin - spätestens im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 4 Abs. 1 ZPO) - ihren Antrag auf einen Teil des zu vollstreckenden Anspruchs beschränkt hat. Im Gegenteil nimmt die Klagebegründung auf den von der Beklagten erteilten Vollstreckungsauftrag über 14.740 € Bezug. Auch mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihren uneingeschränkten Klageantrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts H. für unzulässig zu erklären, weiterverfolgt, wie sich - neben dem Berufungsantrag - nicht zuletzt aus der Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 23. Februar 2004 ergibt. Dort hat sie ausgeführt, die Vollstreckung sei jedenfalls in Höhe des hinterlegten Betrages (12.640,16 €) unzulässig. Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Januar 2004 mitgeteilt, dass die von der Klägerin hinterlegte Hauptsumme (nebst Zinsen) und der vom Gerichtsvollzieher beigetriebene Teilbetrag bei ihr eingegangen seien; durch die zugleich vorgelegte Neuberechnung der zu vollstreckenden Forderung hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nur noch wegen ihrer restlichen Forderung die Vollstreckung betreiben wolle. Dies reicht aber zu einer Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstandes auf diesen Betrag nicht aus, weil die Vollstreckbarkeit des Titels hinsichtlich des ganzen Anspruchs bestehen geblieben ist (BGH, Beschl. v. 2. Februar 1962, aaO; OLG Hamm aaO S. 388).

dd) Auf die Frage, ob die Klage in dem von der Klägerin erhobenen Umfang zulässig ist, kommt es für die Wertbestimmung nicht an.

Ende der Entscheidung

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