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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: IX ZB 37/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 5
InsO § 5 Abs. 1
InsO § 6 Abs. 1
InsO § 7
InsO § 21
InsO § 21 Abs. 1 Satz 2
InsO § 98
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 37/07

vom 20. September 2007

in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

am 20. September 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 30. Januar 2007 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 22. September 2006 beantragte die weitere Beteiligte zu 1. (fortan: Gläubigerin) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens "über das Vermögen des/der F. ... als Geschäftsführer der LCU Ltd.". Mit Beschluss vom 21. November 2006 ordnete das Insolvenzgericht "in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des F. " die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. In dem Beschluss heißt es wörtlich:

"Der Schuldner hat der Sachverständigen Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und sie ihr auf Verlangen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens herauszugeben. Er hat alle Auskünfte zu erteilen, die zur Aufklärung der schuldnerischen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sind. Bei Missachtung dieser Pflicht kann das Gericht den Schuldner oder seine organschaftlichen Vertreter zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung laden, zwangsweise vorführen lassen oder in Haft nehmen (§§ 22 Abs. 3, 97, 98, 101 InsO)."

Mit Schreiben vom 29. November 2006 erklärte die Gläubigerin, ihr Antrag gelte der Schuldnerin, vertreten durch den Geschäftsführer; sie bitte um Rubrumsberichtigung. Das Insolvenzgericht beschloss am 12. Dezember 2006, das Verfahren nunmehr gegen die Schuldnerin zu führen. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss vom 12. Dezember 2006 in Verbindung mit dem Beschluss vom 21. November 2006 ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung der Bestellung der Sachverständigen. Am 9. Mai 2007 hat die Gläubigerin ihren Antrag für erledigt erklärt. Die Sachverständige hat mitgeteilt, sie sei am selben Tag von ihren Aufgaben entbunden worden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1. Die Befugnis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde setzt die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde voraus (BGHZ 144, 78, 82; BGH, Beschl. v. 11. Januar 2007 - IX ZB 10/05, WM 2007, 511). Gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Die Entscheidung des Insolvenzgerichts, gemäß § 5 Abs. 1 InsO ein Gutachten über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners einzuholen, ist unanfechtbar (BGHZ 158, 212, 216).

2. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus § 7 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO analog.

a) Der Beschluss vom 21. November 2006 gab dem Schuldner auf, der Sachverständigen Einsicht in Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten und ihr die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Für den Fall der Zuwiderhandlung verwies der Beschluss auf die Zwangsmittel des § 98 InsO, also die eidesstattliche Versicherung, die zwangsweise Vorführung und die Inhaftierung.

b) Der Sache nach hat das Insolvenzgericht der Sachverständigen damit Befugnisse verliehen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes (nur) dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen (§ 22 Abs. 3 InsO). Ob dies zulässig war, kann jedoch ebenso offen bleiben wie die weitergehende Frage, ob gegen eine derartige Anordnung die sofortige Beschwerde analog § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO eröffnet ist. Das Insolvenzgericht hat die Sachverständige mittlerweile von ihren Aufgaben entbunden. Die angefochtene Beweisanordnung hat sich damit erledigt. Anordnungen nach § 21 InsO erlöschen zwar nicht einfach dadurch, dass der Eröffnungsantrag zurückgenommen oder für erledigt erklärt wird (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 21 Rn. 56). Im vorliegenden Fall hat das Insolvenzgericht jedoch nicht einen Beschluss nach § 21 InsO erlassen, sondern eine schlichte Beweisanordnung nach § 5 InsO getroffen, die - unabhängig von der Frage, ob ein Beweisbeschluss erforderlich oder jedenfalls angebracht gewesen wäre - ebenso formlos aufgehoben werden kann, wie sie erlassen worden ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts besteht damit nicht mehr.

c) Ein Verfahren, in dem die Rechtswidrigkeit einer bereits erledigten Sicherungsmaßnahme im Sinne von § 21 InsO festgestellt werden kann, sehen weder die Zivilprozessordnung noch die Insolvenzordnung vor. Auch verfassungsrechtlich ist die Zulassung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags in einem solchen Fall nicht geboten (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Januar 2007 - IX ZB 271/04, WM 2007, 456). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z.B. BVerfGE 104, 220, 221 f; 110, 77, 85) widerspricht es nicht dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Eine tief greifende Grundrechtsverletzung zum Nachteil der Schuldnerin oder eine fortwirkende Beeinträchtigung, welche eine gerichtliche Entscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels erfordern könnten (vgl. BGH, Beschl. v. 11. Januar 2007, aaO S. 456 f), werden von der Schuldnerin nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

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