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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: IX ZB 40/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 411 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,

die Richter Raebel und Vill,

die Richterin Lohmann und

den Richter Dr. Pape

am 14. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Gründe:

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ( § 219 Abs. 2 BEG) besteht nicht.

1.

Entgegen dem Standpunkt der Beschwerde bedarf es keiner Grundsatzentscheidung mehr, ob die Beweiswürdigung eines mündlich ergänzten Sachverständigengutachtens ( § 411 Abs. 3 ZPO) nur den Richtern vorbehalten ist, die an der Anhörung teilgenommen haben. Ein Richterwechsel nach der Beweisaufnahme erfordert die wiederholte Erhebung des Sachverständigenbeweises im Regelfall nicht. Die persönliche Glaubwürdigkeit oder Zuverlässigkeit des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. haben hier weder der Kläger noch das Berufungsgericht in Zweifel gezogen. Die sachliche Würdigung des Gutachtens und seiner Erläuterung durch das Berufungsgericht stand trotz des Wechsels der Richterbank mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Einklang (vgl. BGHZ 53, 245, 256 ff) . Über eine sachliche Würdigung geht die Beurteilung der Ausführungen des Sachverständigen als fundiert, gewissenhaft, gut begründet, anschaulich und detailliert nicht hinaus. Welche nicht protokollierten Äußerungen des Sachverständigen für die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichtes daneben noch ursächlich geworden sein können, führt die Beschwerde zur Begründung ihrer Rüge, die auf solche Möglichkeiten anspielt, nicht aus.

2.

Die Beschwerde rügt als Revisionszulassungsgrund ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe sein Ermessen nach § 412 ZPO durch Nichteinholung des beantragten spezielleren psychosomatischen, möglichst psychokardiologischen Fachgutachtens rechtsfehlerhaft ausgeübt. Der entsprechende Beweisantrag der Klägerin Seite 2 des Schriftsatzes vom 29. November 2006 und seine Wiederholung im Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 legen nicht dar, inwieweit die psychosomatische Fachrichtung der Medizin in den hier maßgebenden Beweisfragen über zusätzliche oder wissenschaftlich vertiefte Erkenntnismöglichkeiten gegenüber der durchgeführten psychiatrischen Fachbegutachtung verfügt. Unter solchen Umständen ist nicht ersichtlich, dass die Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts von anderen Rechtssätzen ausgegangen ist, als sie der Bundesgerichtshof zu den Grenzen des Aufklärungsermessens gemäß § 412 ZPO aufgestellt hat (vgl. etwa BGHZ aaO S. 259).

3.

Die Beschwerde beruft sich zu Unrecht auf den Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung ( § 219 Abs. 2 Nr. 3 BEG). Die insoweit angegriffene Auslegung des Prozessvergleichs vom 19. März 1996 in der Sache Landgericht Düsseldorf, 27 O (E) 30/92, nach welcher die Herz- und Kreislauferkrankung des Klägers als nicht verfolgungsbedingt anzusehen seien, ist vom Berufungsgericht mit einzelfallbezogenen Erwägungen begründet worden. Der Rechtsstreit gibt daher keinen Anlass, neue Auslegungsgrundsätze zur Ausschließungswirkung von Vergleichen in Verschlimmerungsverfahren aufzustellen, die der Verfolgte auch mit dem Auftreten neuer verfolgungsbedingter Leiden begründet hat.

Daran ändert nichts, dass die Beschwerde mit Recht geltend macht, das vom Berufungsgericht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 1990 (IX ZR 222/89, LM BEG § 206 Nr. 50) betreffe ein Erstverfahren; nach dortiger Verfahrenslage sei der Grundsatz jener Entscheidung nicht ohne weiteres auf Vergleiche über Verschlimmerungsanträge zu übertragen.

Die Auslegung des Prozessvergleichs vom 19. März 1996 ist überdies nicht entscheidungserheblich, solange eine Mitverursachung der Herz- und Kreislauferkrankung des Klägers durch das Verfolgungsschicksal - wie hier durch das Berufungsgericht im Zusammenhang mit dem gestellten Abhilfeantrag - als nicht wahrscheinlich beurteilt wird.

4.

Soweit der Kläger einen Revisionszulassungsgrund aus einem Fehlverständnis der Anhaltspunkte 1996/2004 des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, hier insbesondere Nummer 26.3 herleiten will, greift dies ebenfalls nicht durch. Die Anhaltspunkte sind fachliche Hinweise eines für das Wiedergutmachungsrecht nicht zuständigen Ressorts, denen Rechtssatzcharakter fehlt. Sie enthalten für das Wiedergutmachungsrecht insbesondere keine Richtlinien zur Ausübung eines richterlichen Beurteilungsermessens in der Feststellung des Grades verfolgungsbedingter und allgemeiner Minderung der Erwerbsfähigkeit. Sie können aber für die sachverständige Beurteilung herangezogen werden, soweit das mit den Erkenntnissen der Wissenschaft nach den fachlichen Überzeugungen des Sachverständigen vereinbar ist. Die Revision in einem Entschädigungsrechtsstreit kann deshalb nicht zur Klärung der Frage zugelassen werden , ob Nummer 26.3 der Anhaltspunkte, wie die Beschwerde meint, in der Fassung missglückt oder für Fälle posttraumatischer Belastungsstörungen nach nationalsozialistischer Verfolgung unrichtig ist.

Ende der Entscheidung

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