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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: IX ZB 413/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 580 Nr. 2
ZPO § 580 Nr. 7 Buchst. b)
Ist ein Rückerstattungsverfahren rechtskräftig wieder aufgenommen worden, trägt für die im Rechtszug der weiteren Beschwerde dagegen zugelassene Behauptung von Restitutionsgründen der Verfahrensteil die Feststellungslast, der sich auf diese Gründe beruft (Ergänzung zu BGH LM ÜberlG Nr. 1).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 413/02

vom

15. Januar 2004

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Raebel, Neskovic und Vill

am 15. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden die Beschlüsse des 3. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. Juli 2002 und der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 10. Oktober 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1934 aus Deutschland ausgewanderte Antragstellerin hat als Alleinerbin ihrer am 10. April 1935 in Berlin als Witwe verstorbenen Mutter B. M. geb. Ma. rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen Entziehung von Schmuck, Hausratssilber und einer Münzsammlung im Wiederbeschaffungswert von insgesamt 234.778,40 DM begehrt. Die Anspruchsanmeldung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13. April 1960 zurückgenommen, "da anzunehmen ist, dass seitens der oder des Testamentsvollstreckers eine Regelung durchgeführt wurde". Mit Schriftsatz vom 8. August 1960 hat die Antragstellerin beantragt, den Schriftsatz vom 13. April 1960 als unwirksam anzusehen, hilfsweise, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr sei zur Zeit der Rücknahme nicht bekannt gewesen, daß tatsächlich noch Beweisunterlagen existiert hätten. Im Sommer dieses Jahres (1960) habe sie unter ihren vielen Papieren zufällig einen Brief ihres Onkels - des am 10. Januar 1941 verstorbenen Justizrats S. Ma. , eines Bruders ihrer Mutter - vom 15. November 1938 gefunden. Danach stehe fest, daß die Schmucksachen zugunsten des Deutschen Reiches hätten abgeliefert werden müssen. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1960 hat die Antragstellerin weiter hilfsweise beantragt, das Verfahren mit Rücksicht auf die Urkunde vom 15. November 1938 wieder aufzunehmen. Der vorgedruckte Briefkopf weist unter anderem den Namen "Justizrat S. Ma. " auf. Der mit Schreibmaschine geschriebene Text hat folgenden Wortlaut:

"Liebe T. ,

Du musst die Anträge bei der Devisenstelle dringend stellen, da mir Israel wieder eine Rechnung geschickt hat. Ich glaube, dass die Wohnungseinrichtung Deiner lieben Mutter dort noch am sichersten untergebracht ist, wenn man in Betracht zieht, unter welch schwierigen Umständen ich und Onkel W. die Sachen zu Israel transportieren liessen.

Wie ich Dir schon beschrieb, musste ich die Schmucksachen Deiner lieben Eltern bei einer dafür besonders eingerichteten amtlichen Stelle abliefern. Das ist eine allgemeine Bestimmung und kann mann nur hoffen, dass Du sie zurück erhältst, wenn erst wieder normale Zeiten sind.

Lass bald wieder von Dir hören und sei herzlichst gegrüsst von Deinem"

Danach folgt in Handschrift das Wort "S. ".

Die Antragstellerin hat behauptet, ihre Mutter habe vor ihrem Tode ihren Schmuck und die Münzsammlung dem Justizrat Ma. zur Aufbewahrung übergeben. Dieser habe die Sachen im Jahre 1938 an eine amtliche Stelle abliefern müssen. Dazu hat die Antragstellerin ein undatiertes, auf einem Blatt mit dem Briefkopf "Justizrat S. Ma. " gefertigtes und ebenfalls mit "S. " unterzeichnetes Schreiben sowie eine elfseitige Wertsachenaufstellung vorgelegt. Der maschinengeschriebene Text dieses Schreibens lautet:

"Liebe T. ,

Mein Mandant, Herr Sch. , hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, Dir die Aufstellung der abgelieferten Wertsachen zu übergeben und Dir die diesbezüglichen näheren Umstände zu schildern. Entgelt wurde nicht gezahlt, da die Konfiszierung nur eine vorübergehende Sicherheitsmassnahme darstellt.

Auf baldiges Wiedersehen, Dein".

Am Ende der Wertsachenaufstellung heißt es:

"Abgeliefert nach amtlicher Aufforderung November 1938."

Danach folgt die Unterschrift "S. Ma. ".

Das Landgericht hat den Rückerstattungsanspruch mit Beschluß vom 13. Februar 1969 zurückgewiesen, weil das Verfahren durch die Rücknahme des Antrags beendet worden sei. Die sofortige Beschwerde hat das Kammergericht zurückgewiesen. Diese Entscheidungen wurden durch Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 mit der Begründung aufgehoben, eine an sich unwiderrufliche Prozeßhandlung wie die Rücknahme des Rückerstattungsantrags könne bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes widerrufen werden. Ein solcher Wiederaufnahmegrund sei hier in Gestalt des Schreibens des Justizrats Ma. gegeben (§ 580 Nr. 7 b) ZPO). Die Existenz des Schreibens sei der Antragstellerin bis zum Sommer 1960 unbekannt gewesen, und es könne festgestellt werden, daß die auf diese Unkenntnis zurückzuführende Unmöglichkeit, das Schreiben schon früher vorzulegen, nicht auf Verschulden beruhe.

Mit Beschluß vom 4. September 1980 hat das Landgericht den Rückerstattungsanspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe die Ablieferung von Wertgegenständen im Jahre 1938 durch Justizrat Ma. - dieser hatte aus rassischen Gründen im Jahre 1933 sein Notariat und im Jahre 1937 seine Anwaltspraxis verloren und sich von da an im Jüdischen Altersheim aufgehalten - nicht beweisen können. Das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung seien nicht vor 1950 gefertigt und schieden deshalb als Entziehungsnachweis aus.

Diesen Spruch hat das Kammergericht mit Beschluß vom 15. April 1985 aufgehoben, weil das Landgericht nicht alle Möglichkeiten zur Aufklärung erschöpft habe. Insbesondere müsse ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt werden, ob ausgeschlossen werden könne, daß das undatierte, mit "S. " unterzeichnete Schreiben und die Wertsachenaufstellung bereits um die Jahreswende 1938/39 angefertigt worden seien. Bejahendenfalls hätte sich die Antragstellerin mit Hilfe des Zeugen Sh. (früher: Sch. ) unlauterer Mittel zur Durchsetzung eines im Rückerstattungsverfahren geltend gemachten Anspruchs bedient und damit einer Versagung ihres Anspruchs nach § 6a BRüG ausgesetzt.

Mit Beschluß vom 11. Juli 1990 hat das Landgericht den Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Rückerstattungsantrags verurteilt, an die Antragstellerin 43.310 DM nach Maßgabe der §§ 34 ff BRüG zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Entziehung der in der Wertsachenaufstellung aufgelisteten Gegenstände könne - soweit nicht entsprechende Zeugenaussagen vorlägen - weder ihrem Umfang noch den darin näher bezeichneten Wertmaßstäben nach als glaubhaft gemacht angesehen werden. Auch nach dem ergänzend eingeholten Gutachten des FBI-Laboratoriums seien das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung mit einer Schreibmaschine beschriftet worden, deren Schrifttypen erst 1950 in den Handel gekommen seien. Gleichwohl sei der Antragstellerin der Anspruch nicht gemäß § 6a BRüG zu versagen, weil ihr der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden könne. Es sei nicht auszuschließen, daß die Antragstellerin in dem guten Glauben gewesen sei, die von dem Zeugen Sh. gefertigte Aufstellung sei diesem von ihrem Onkel übergeben worden. Die Antragstellerin selbst habe sich bei der Beschreibung des Schmucks ihrer Mutter deutlich zurückgehalten und erklärt, ihn nicht näher beschreiben zu können. Abgesehen von drei Skizzen habe die Antragstellerin sich nur auf die überreichte Aufstellung und die im Hausratsverfahren eingereichten eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen K. , E. , F. und Schl. berufen. Übertriebene Wertangaben allein seien kein Versagungsgrund. Über den Rückerstattungsanspruch sei daher unter Außerachtlassung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Schreibens, aber unter Zugrundelegung des Schreibens des Onkels der Antragstellerin vom 15. November 1938 zu entscheiden. Danach sei der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin rückerstattungsrechtlichen Schadensersatz wegen der Entziehung bestimmter, im Gutachten des Sachverständigen C. vom 27. Oktober 1964 aufgeführter Edelmetall- und Schmuckgegenstände, ferner wegen zwei viereckiger Goldmünzen zu leisten. Bei diesen Gegenständen handele es sich um solche, die auf den Fotografien, vornehmlich von der Mutter der Antragstellerin, erkennbar seien, und um solche, deren Existenz die Zeugen K. , E. und Schl. in ihren eidesstattlichen Versicherungen vom 3. Juli 1962, 8. Juni 1962 und 22. Dezember 1961 bekundet hätten. Es könne durchaus sein, daß der Justizrat Ma. entsprechend seinem Schreiben vom 15. November 1938 schon zu dieser Zeit zur Ablieferung der Edelmetallgegenstände aufgefordert worden sei. Es sei anzunehmen, daß er sie abgeliefert habe und daß die Einziehung und Verwertung nach der Ablieferungsverordnung vom 21. März 1939 erfolgt sei.

Mit seiner gegen diesen Beschluß eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, das Landgericht habe sich über die rechtliche Bindung an den Beschluß des Kammergerichts vom 15. April 1985 hinweggesetzt. Das Kammergericht habe festgestellt, daß im Falle einer nachgewiesenen Fälschung der Wertsachenaufstellung und des undatierten Begleitschreibens die Versagungsgründe nach § 6a BRüG gegeben seien. Da eine Fälschung nach dem Gutachten des FBI vom 26. August 1988 zu bejahen sei, hätte das Landgericht die Ansprüche nach dieser Vorschrift versagen müssen.

Mit Beschluß vom 1. Dezember 1998 hat das Kammergericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einem Rechtsfehler beruhe. Die Rücknahme der Anmeldung mit Schriftsatz vom 8. August 1960 stehe der Durchführung des Rückerstattungsverfahrens nicht entgegen, weil die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, daß das nachträglich aufgefundene Schreiben vom 15. November 1938 später angefertigt worden sei. Nach dem Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 23. September 1976 sei dieses Schreiben mit einer Adler-Schreibmaschine gefertigt worden, die am 15. November 1938 bereits im Handel gewesen sei. Die Untersuchungen des FBI hätten zum selben Ergebnis geführt. Allein deshalb, weil das undatierte Schreiben und die Wertsachenaufstellung nicht schon 1938/39, sondern erst 1950 oder danach gefertigt worden seien, habe das Landgericht nicht nach § 6a BRüG den Anspruch versagen müssen. Die Bindungswirkung des Beschlusses des Kammergerichts vom 15. April 1985 stehe dem nicht entgegen. Die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses vom 4. September 1980 durch diese Entscheidung beruhe allein auf einer angenommenen Verletzung von § 12 FGG, nicht aber auf Ausführungen zu § 6a BRüG. Das Landgericht habe daher in eigener Verantwortung prüfen müssen, ob die Voraussetzungen dieser Norm vorgelegen hätten. Die Annahme des Landgerichts, in der Person der Antragstellerin seien die subjektiven Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschrift nicht feststellbar, sei zumindest vertretbar. Daß der Mutter der Antragstellerin Wertsachen entzogen worden seien, habe das Landgericht zutreffend aufgrund des Schreibens des Justizrats Ma. vom 15. November 1938 festgestellt. Die Schadenshöhe habe das Landgericht im Wege der Schätzung bestimmt. Insoweit seien Rechtsfehler nicht zu erkennen und mit der sofortigen Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden.

Mit der dagegen gerichteten weiteren Beschwerde hat der Antragsgegner unter anderem geltend gemacht, daß (auch) die Urkunde vom 15. November 1938 nicht echt sei, wie sich aus den zwischenzeitlich aufgefundenen, mit Unterschriften des Justizrats S. Ma. versehenen Unterlagen ergebe. Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluß vom 13. Januar 2000 (IX ZB 3/99, LM ÜberlG Nr. 1) die Entscheidungen des Landgerichts vom 11. Juli 1990 und des Kammergerichts vom 1. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Hierbei hat er das im Verfahren der weiteren Beschwerde erfolgte tatsächliche Vorbringen des Antragsgegners als zulässige Geltendmachung von Restitutionsgründen angesehen und dazu weiter ausgeführt:

Mit seinem Vorbringen zu den Urkunden vom 24. Juni 1940 trage der Antragsgegner Restitutionsgründe i.S. von § 580 Nr. 2, 4 und 7 Buchst. b) ZPO vor. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO werde zwar durch § 43a BRüG verdrängt. Das Vorbringen zu dieser Norm sei im Verfahren der weiteren Beschwerde aber unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Vorbringen zu § 580 ZPO zu berücksichtigen. Die Berufung des Antragsgegners auf die Restitutionsgründe des § 580 Nr. 2 und 4 ZPO sei hier nicht gehindert, da ein Fall des § 581 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorliege; ein Strafverfahren gegen die Antragstellerin könne angesichts ihres Alters und ständigen Aufenthalts im Ausland nicht durchgeführt werden.

Lasse sich - was aufgrund der eingehenden Ausführungen des Antragsgegners möglich erscheine - anhand eines Schriftvergleichs nachweisen, daß die Urkunde vom 15. November 1938 gefälscht und in Wahrheit nicht von S. Ma. unterschrieben worden sei, läge darin nicht nur ein erhebliches Beweisanzeichen dafür, daß die Antragstellerin sich zur Durchsetzung eines rückerstattungsrechtlichen Anspruchs vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unlauterer Mittel bedient hätte. Vielmehr würde darüber hinaus die Zulässigkeit des vorliegenden Rückerstattungsverfahrens in Frage gestellt. Das Oberste Rückerstattungsgericht für Berlin habe in seinem Beschluß vom 24. Februar 1972 den Widerruf der Rücknahme des Rückerstattungsantrags nur mit Rücksicht auf die von der Antragstellerin vorgelegte Urkunde vom 15. November 1938 unter dem Gesichtspunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens für zulässig gehalten. Wäre die Urkunde gefälscht, fehle es insoweit an einem Wiederaufnahmegrund; denn dann würde die Urkunde schwerlich zu einer der Antragstellerin günstigen Entscheidung geführt haben (§ 580 Nr. 7 Buchst. b) ZPO). Dies könne ungeachtet der dem Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin zukommenden Bindungswirkung berücksichtigt werden, weil ein anderer Sachverhalt zugrunde zu legen wäre, für den die bisherige rechtliche Beurteilung nicht zuträfe. Sollte sich erweisen, daß die Unterschrift unter der Urkunde vom 15. November 1938 nicht von S. Ma. stamme, sondern daß diese Urkunde gefälscht sei, dürfte sich der Vortrag der Antragstellerin, mit der sie den Widerruf der Rücknahme des Rückerstattungsanspruchs begründet habe, in einem entscheidenden Punkt als unrichtig darstellen.

Nach Zurückverweisung hat das Landgericht über die Echtheit der Unterschriften unter der Urkunde vom 15. November 1938, der Wertsachenaufstellung vom November 1938 des so unterzeichneten S. Ma. und dem undatierten Begleitschreiben mit der Unterschrift "S. " Beweis erhoben durch Einholung eines schriftvergleichenden Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H. H. vom 5. Januar 2001. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei allen drei Unterschriften um keine sekundären Schreibleistungen handele und ferner, daß es sich bei den Unterschriften unter der Wertsachenaufstellung vom November 1938 und dem undatierten Begleitschreiben wahrscheinlich nicht um Unterschriften des Justizrats S. Ma. handele. Darüber hinaus hat der Sachverständige nicht ausgeschlossen, daß auch die Unterschrift auf dem Schreiben vom 15. November 1938 nicht von Justizrat S. Ma. geleistet worden sei.

Durch Beschluß vom 10. Oktober 2001 hat das Landgericht danach den Rückerstattungsantrag zurückgewiesen, weil das Verfahren durch die mit Schreiben vom 13. April 1960 erklärte Antragsrücknahme abgeschlossen sei. Gründe, die einen Widerruf der Rücknahmeerklärung rechtfertigen könnten, seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gegeben. Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, bei deren Vorliegen ein Wiederaufnahmegrund anzunehmen sei, trage die Antragstellerin. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestünden aber nicht nur erhebliche Zweifel an der Echtheit der auf den 15. November 1938 datierten Urkunde; es stehe sogar zur Überzeugung der Kammer fest, daß das fragliche Schreiben nicht von dem Justizrat S. Ma. unterschrieben sei. Vielmehr deute alles darauf hin, daß dieses Schreiben von derselben Person unterzeichnet sei, die auch die beiden anderen - nach dem Vergleich der Schreibmaschinentypen nicht vor 1950 und somit nach dem Tode des Justizrats S. Ma. entstandenen - Schreiben unterzeichnet habe.

Gegen diesen Beschluß hat sich die Antragstellerin mit der fristgerecht eingegangenen sofortigen Beschwerde gewendet. Sie ist der Auffassung, daß - unabhängig von der Echtheit der Urkunde vom 15. November 1938 - der Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts vom 24. Februar 1972 wirksam bleiben müsse. Das Landgericht habe im übrigen auch die Darlegungs- und Beweislast in diesem Punkte verkannt. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergebe sich, daß sich der Antragsgegner auf einen Wiederaufnahmegrund berufe, so daß eine Unaufklärbarkeit zu seinen Lasten gehe. Der Sachverständige habe aber nur festgestellt, daß nicht ausgeschlossen werden könne, die Urkunde mit Datum des 15. November 1938 stamme nicht von S. Ma. . Dies sei die geringste Form des Zweifels an der Echtheit. Der Beschluß des Landgerichts sei widersprüchlich, da das Gericht sich einerseits dem Gutachten anschließe, dann aber ausführe, es sei überzeugt, daß die Unterschrift gefälscht sei. Selbst wenn die Antragstellerin aber darlegungs- und beweisbelastet sei, komme ihr die Beweiserleichterung des Art. 42 Abs. 2 BerlREAO zugute.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Kammergericht hat angenommen, die landgerichtliche Entscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, daß das Rückerstattungsverfahren durch die mit Schriftsatz vom 13. April 1960 erklärte Rücknahme der Anmeldung vom 25. Januar 1958 wirksam beendet worden sei. Gründe, die ausnahmsweise einen Widerruf dieser Rücknahmeerklärung rechtfertigen könnten, seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gegeben. Für die Frage, ob das Rückerstattungsverfahren durch die Antragsrücknahme beendet sei oder ob noch eine Sachentscheidung zu ergehen habe, komme es darauf an, ob die mit dem Datum vom 15. November 1938 versehene Urkunde, die die Antragstellerin vorgelegt hat, echt sei. Denn nur in diesem Fall sei sie geeignet, zu einer der Antragstellerin günstigen Entscheidung zu führen. Die Darlegungslast für diesen Wiederaufnahmegrund treffe die Antragstellerin. Denn im Wiederaufnahmeverfahren nach den §§ 578 ff ZPO trage derjenige die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines behaupteten Wiederaufnahmegrundes, der sich auf diesen Grund berufe.

Mit den im Laufe des bisherigen Verfahrens angestellten Ermittlungen sei kein Beweis dafür erbracht, daß es sich bei dem von der Antragstellerin vorgelegten Schriftstück mit dem Datum vom 15. November 1938 um eine echte Urkunde handele, also um eine von dem Justizrat S. Ma. herrührende Erklärung. Richtig sei, daß der Sachverständige in seinem Gutachten angegeben habe, daß - insofern vom Landgericht nicht zutreffend zitiert - nicht ausgeschlossen werden könne, die Unterschrift unter dem vom 15. November 1938 datierenden Schriftstück sei nicht von S. Ma. (dem Urheber der Vergleichsunterschriften) geleistet worden. Dies sei, wie die Beschwerde zutreffend ausführe, nach der vom Sachverständigen in seinem Gutachten vorgestellten Wahrscheinlichkeitsskala die unterste Stufe des Zweifels an der Urheberschaft vor dem non liquet. Ob nach dem Gutachten der nur vom Landgericht gezogene Schluß gerechtfertigt sei, daß beide Unterschriften - die unter dem nach 1949 gefertigten Begleitschreiben und die auf der Urkunde mit Datum vom 15. November 1938 - von derselben Person gefertigt worden seien, sei nicht mehr entscheidend. Jedenfalls verblieben so erhebliche Zweifel an der Echtheit der Unterschrift auf der vom 15. November 1938 datierenden Urkunde, daß die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis auf keiner Verletzung des Gesetzes beruhe.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 1 des Gesetzes zur Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den Bundesgerichtshof (Art. 9 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. I S. 2847, 2862; fortan: Überleitungsgesetz - ÜberlG) i.V.m. § 11 Nr. 1 Buchst. d) BRüG, Art. 62 Abs. 2 BerlREAO statthaft und nach den §§ 2 ff ÜberlG auch im übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung der Beschlüsse vom 10. Oktober 2001 und 26. Juli 2002 und zur abermaligen Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Auch nach Neugestaltung der Rechtsmittel durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) finden auf das Verfahren über die Revision und die weitere Beschwerde in Rückerstattungsverfahren nach § 2 ÜberlG die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Dritten Buches der Zivilprozeßordnung in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung weiterhin entsprechende Anwendung (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2004 - IX ZB 87/03, z.V.b.).

2. Das Kammergericht hat rechtsfehlerhaft die Feststellungslast für die Echtheit der Beweisurkunde vom 15. November 1938 der Antragstellerin aufgebürdet. Dabei ist es zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß in Wiederaufnahmeverfahren diejenige Partei den Restitutionsgrund beweisen muß, die sich auf einen solchen Grund beruft (vgl. BGHZ 30, 60, 62; 85, 32, 39 = NJW 1983, 230 = LM ZPO § 580 Ziff. 3 Anm. Zysk).

Dieser auch hier anzuwendende Rechtsgrundsatz belastet im derzeitigen Verfahrensstand jedoch entgegen der Absicht des Kammergerichts den Antragsgegner. Zugunsten der Antragstellerin wirkt die Rechtskraft des Beschlusses des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972. Dieses iudicium rescindens wird im Streit um die wiedereröffnete Hauptsache nunmehr von dem Antragsgegner mit gegenläufigen Restitutionsgründen bekämpft, welche die Echtheit der urkundlichen Wiederaufnahmegrundlage angreifen. Ein solcher Angriff ist - wie der Senat in seinem Beschluß vom 13. Januar 2000 in dieser Sache (aaO) entschieden hat - nicht durch die Bindung an den Wiederaufnahmegrund des Beschlusses des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 gehindert. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Antragsgegner für die nunmehr von seiner Seite zulässigerweise geltend gemachten Restitutionsgründe die Feststellungslast trägt.

3. Hiernach ist - gleichfalls entgegen der Ansicht des Kammergerichts - für das weitere Verfahren entscheidend, ob nach dem Gutachten des Schriftsachverständigen Prof. Dr. H. vom 5. Januar 2001 - hier insbesondere Seite 9 - der nur vom Landgericht gezogene Schluß gerechtfertigt ist, daß das undatierte Begleitschreiben zu der Wertsachenaufstellung mit Namensunterschrift "S. " und die vom 15. November 1938 datierende Urkunde mit gleichlautender Namensunterschrift von derselben Person gefertigt wurden.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 286 ZPO), daß nach den verwendeten Schreibmaschinentypen die Wertsachenaufstellung und das undatierte Begleitschreiben hierzu nicht vor 1950 entstanden sind und damit nicht von dem bereits 1941 verstorbenen Justizrat S. Ma. stammen können.

Die weitere Beschwerde rügt dagegen zu Recht als mit § 286 ZPO unvereinbare Verletzung der Denkgesetze, daß das Landgericht seine vorher ausgesprochene Überzeugung, die Urkunde vom 15. November 1938 stamme nicht von S. Ma. und sei daher unecht (LGU S. 5 a.E.), im weiteren nur mit der "Möglichkeit" begründet, daß die Urkunde vom 15. November 1938 und das undatierte Begleitschreiben zur Wertsachenaufstellung vom selben Urheber unterzeichnet seien (LGU S. 8 Mitte). Denn die bloße Möglichkeit kann den nach § 286 ZPO erforderlichen Grad der tatrichterlichen Überzeugung nicht vermitteln.

Die Annahme des Landgerichts, die Unterschriften unter der Urkunde vom 15. November 1938 und unter dem undatierten Begleitschreiben zur Wertsachenaufstellung seien in der Urheberschaft identisch, läßt sich auch nicht aus dem eingeholten Schriftvergleichsgutachten schöpfen. Entgegen der Empfehlung des Kammergerichts in dem Beschluß vom 15. April 1985 (Beschlußausfertigung S. 11 unten) hat das Landgericht dem Sachverständigen in seinem Beweisbeschluß vom 20. Juli 2000 nicht die Frage vorgelegt, ob die Unterschrift "S. " unter der Urkunde vom 15. November 1938 von derselben Person herrührt, die 1950 oder später das Begleitschreiben in gleichlautender Weise unterzeichnet hat und nach der Entstehungszeit nicht Justizrat S. Ma. gewesen sein kann.

Wenn das Landgericht einen solchen Beweisschluß ziehen wollte, so hätte es dafür die erforderliche Aufklärung mit Hilfe des Schriftsachverständigen oder durch andere Ermittlungen schaffen müssen. Dies hat es versäumt und damit die Amtsprüfung der Wiederaufnahmegründe, welche der Antragsgegner geltend macht, verfahrensfehlerhaft durchgeführt. Dieser Verfahrensfehler ist um so deutlicher, als der Sachverständige Prof. Dr. H. auf Seite 9 seines Gutachtens vom 5. Januar 2001 zwar Übereinstimmungen zwischen den Unterschriften X 2 (das undatierte Begleitschreiben) und X 3 (die Urkunde vom 15. November 1938) feststellt, nach denen sie wahrscheinlich nicht von dem Urheber der Vergleichsunterschriften - Justizrat S. Ma. - herrühren. Anschließend hat der Sachverständige aber weiter ausgeführt: "Allerdings unterscheidet sich X 2 in einigen wesentlichen Merkmalen von X 3 und zwar in der nur in X 2 vorhandenen Anbindung des "a" an das "S", in der schon erwähnten zweizügigen Schreibweise des "a", in der Gestaltung der Majuskel "S", die der Schreibweise in X 1 und X 1 R nähersteht als die Schreibweise dieses Schriftzeichens in X 3; in der Unterstreichung des Namens. Deshalb wird in der Gesamtbewertung eine weitere Differenzierung erforderlich sein." Diese hat der Sachverständige in seiner Schlußbewertung (Gutachten S. 11) vorgenommen und den Unterzeichner des undatierten Begleitschreibens mit dem Urheber der Vergleichsunterschriften als "wahrscheinlich nicht identisch" bezeichnet, während er zu der Urkunde mit Datum vom 15. November 1938 nur die Möglichkeit (daß nicht ausgeschlossen werden kann) bejaht hat, daß der Urheber der Vergleichsunterschriften auch die Unterschrift unter der vom 15. November 1938 datierenden Urkunde, die der rechtskräftigen Wiederaufnahme zugrunde lag, nicht geleistet habe.

Für den Beweisschluß, daß die Unterzeichner beider genannten Schriftstücke identisch gewesen sind, geben diese Ausführungen des Sachverständigen keine hinreichende Grundlage. Das Landgericht durfte sich über die aufgezeigten Merkmalsunterschiede nicht hinwegsetzen, ohne über ihre Aussagekraft eine Ergänzung des Schriftsachverständigengutachtens in dem vorbezeichneten Sinne zu veranlassen.

Das landgerichtliche Urteil kann wegen dieses Verfahrensfehlers keinen Bestand haben (§ 564 ZPO a.F.).

4. Über die Begründetheit der mit dem Senatsbeschluß vom 13. Januar 2000 zugelassenen Wiederaufnahme des Verfahrens durch den Antragsgegner hat das Landgericht nach der Zurückverweisung erneut zu befinden. Es kommt hierfür nach wie vor darauf an, ob der Antragsgegner anhand eines ergänzten Schriftvergleichs oder auf anderem Wege nachweisen kann, daß die vom 15. November 1938 datierende Urkunde gefälscht ist und in Wahrheit nicht von Justizrat S. Ma. stammt. Dabei ist auch der Umstand zu würdigen, daß das nicht datierte Begleitschreiben mit der Unterschrift X 2, welches nach den tatrichterlichen Feststellungen erst nach 1949 entstanden sein kann, zu dieser Zeit auf einen Kopfbogen des 1941 verstorbenen Justizrats S. Ma. gesetzt worden ist. Wenn dieses Schriftstück nicht bereits 1938 in Berlin von Hand des Justizrats S. Ma. entstanden sein kann, wie der Zeuge Sh. hat glauben machen wollen, fragt sich, woher nach 1949 der benutzte Kopfbogen gekommen sein kann.

Gelingt der Fälschungsnachweis, ist nach § 590 ZPO über die Hauptsache neu zu verhandeln. In diesem Verfahrensabschnitt würde sich mit dem Wiederaufnahmegrund des Antragsgegners zugleich die Unzulässigkeit der ersten Wiederaufnahme durch den Beschluß des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 ergeben, weil dann der damals zugunsten der Antragstellerin angenommene Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b) ZPO nach neuerer Erkenntnis nicht bestand. Für eine sachliche Prüfung des Rückerstattungsanspruchs ist dann kein Raum mehr. Kann der Antragsgegner nicht den Beweis erbringen, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens entgegen dem Spruch des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin vom 24. Februar 1972 objektiv grundlos erfolgte, wird das Landgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners in der sofortigen weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Kammergerichts vom 1. Dezember 1998 erneut in der Sache zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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