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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: IX ZB 44/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2
Die Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht stellt in der Regel keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar. Weder die Kosten eines Unterbevollmächtigten noch fiktive Reisekosten des Insolvenzverwalters sind unter diesen Umständen zu erstatten.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

IX ZB 44/04

vom 13. Juni 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Detlev Fischer am 13. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Februar 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.346,60 €.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Mitglied einer Anwaltssozietät in der Rechtsform einer eingetragenen Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in Dresden und zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH in Dresden bestellt. Er erteilte einem Mitglied seiner Sozietät den Auftrag, die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 26.857,18 € vor dem Landgericht München I zu verklagen. Der beauftragte Rechtsanwalt betraute sodann mit der Terminswahrnehmung einen in München ansässigen Rechtsanwalt. Die Beklagten wurden kostenpflichtig verurteilt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger neben den Kosten für den Prozessbevollmächtigten auch Kosten für den in München tätigen Unterbevollmächtigten geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat nur die Anwaltskosten berücksichtigt, die bei Beauftragung eines Münchner Prozessbevollmächtigten angefallen wären. Den weitergehenden Antrag hat sie zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht durch den angefochtenen Beschluss - veröffentlicht u.a. in NZI 2004, 279, Anm. Henssler EWiR 2004, 1199 - zurückgewiesen. Mit seiner - von dem Beschwerdegericht - zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, eine Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten komme nicht in Betracht, weil ein zum Insolvenzverwalter bestellter Rechtsanwalt einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt unmittelbar beauftragen und fernmündlich oder schriftlich informieren könne. Die Prüfung und gegebenenfalls gerichtliche Geltendmachung von Rückgewähransprüchen im Wege der Insolvenzanfechtung gehöre zu den kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters und damit zu seinen üblichen Tätigkeiten. Der Streitstoff des Rechtsstreits sei auch keineswegs besonders umfangreich gewesen.

III.

Die dagegen gerichteten Angriffe der gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten im Streitfall zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen ist. Auch die Erstattung fiktiver Reisekosten kommt nicht in Betracht.

1. Die Erstattung von Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts, der anstelle des Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, entstanden sind, beurteilt sich nach der allgemeinen Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für die Erstattungsfähigkeit der durch Zuziehung des Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten kommt es deshalb allein darauf an, ob dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 899; Beschl. v. 13. Juli 2004 - X ZB 40/03, NZI 2004, 597, 598).

2. Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt nur im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar.

a) Eine Notwendigkeit im Sinne von § 91 ZPO besteht dagegen nicht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. Eine derartige Partei ist in der Lage, einen am Sitz des Prozessgerichtes ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, aaO; v. 10. April 2004 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027, 2028; v. 13. Juli 2004 - X ZB 40/03, aaO).

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass diese für ein Gewerbeunternehmen entwickelten Grundsätze auch auf einen Insolvenzverwalter übertragen werden können.

Ein als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter ist ohne weiteres imstande, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten (BGH, Beschl. v. 13. Juli 2004 - X ZB 40/03, aaO; v. 4. Juli 2005 - II ZB 14/04, NZI 2006, 183, 184). Dies gilt jedenfalls für einen Rechtsstreit, der nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht besonders umfangreich und schwierig gewesen ist. Unter diesen Umständen war ein eingehendes persönliches Mandantengespräch weder zur Ermittlung des Sachverhalts noch zur Rechtsberatung erforderlich. Im Anschluss an eine schriftliche Informationserteilung hätten Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens schriftlich, fernmündlich oder mit Hilfe anderer moderner Kommunikationsformen erfolgen können. Die Beauftragung des am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten stellt demnach keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO dar. Der Kläger hätte sich zur Kostenersparnis eines in der Nähe des Prozessgerichts residierenden Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten bedienen müssen. Auch die fiktiven Reisekosten des Klägers zu einem am Sitz des Prozessgerichts tätigen Rechtsanwalt sind unter diesen Umständen nicht erstattungsfähig.



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