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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: IX ZB 48/04
Rechtsgebiete: InsO, InsVV


Vorschriften:

InsO § 63
InsVV § 4 Abs. 1 Satz 3
InsVV § 5
a) Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen seines Vergütungsfestsetzungsantrags aufzuführen, für welche von ihm beauftragten Fachleute er das an diese entrichtete Entgelt aus der Masse entnommen hat, und das Insolvenzgericht ist berechtigt und verpflichtet zu überprüfen, ob die Beauftragung Externer gerechtfertigt war.

b) Ein Insolvenzverwalter darf, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen aus der Masse entnehmen (Fortführung von BGHZ 139, 309).


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 48/04

vom 11. November 2004

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Dr. Ganter, Kayser, Vill und die Richterin Lohmann am 11. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden - unter Zurückweisung im übrigen - der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Memmingen vom 4. Februar 2004 und der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen vom 6. Oktober 2003 insoweit aufgehoben, als von der festgesetzten Vergütung "Rechtsanwaltskosten" von 6.365,17 € und "Kosten Führung Treuhandkonto, Kontieren der Belege etc." von 3.612,51 € abgezogen worden sind.

Die Kosten des Verfahrens fallen der Masse zu 97 % und dem Rechtsbeschwerdeführer zu 3 % zur Last.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 10.335,58 €.

Gründe:

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. (fortan: Schuldnerin). Er hat die Festsetzung seiner Vergütung auf 36.388,94 € beantragt. Mit Beschluß vom 6. Oktober 2003 hat das Insolvenzgericht die Vergütung auf 26.053,36 € festgesetzt. Es hat von der beantragten Vergütung abgezogen die Kosten der von dem Rechtsbeschwerdeführer beauftragten Rechtsanwälte D. und G. in Höhe von insgesamt 6.723,07 € sowie der ebenfalls von dem Rechtsbeschwerdeführer beauftragten Steuerberatungsgesellschaft M. in Höhe von 3.612,51 €, die jener jeweils aus der Masse bezahlt hatte.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluß vom 4. Februar 2004 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Insolvenzverwalter mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 7 InsO), zulässig (§ 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und begründet.

1. Die Frage, ob das Insolvenzgericht die aus der Masse entnommene Vergütung eines vom Verwalter beauftragten Rechtsanwalts/Steuerberaters bei der Festsetzung der Verwaltervergütung abziehen kann, wenn es der Meinung ist, die Beauftragung dieser Fachleute sei nicht notwendig gewesen, ist umstritten. Nach der einen Auffassung kann das Insolvenzgericht, falls es die Erstattungspflicht der Masse verneint, den Insolvenzverwalter anweisen, den entnommenen Betrag in die Masse zurückzuzahlen, oder es kann die festzusetzende Vergütung entsprechend kürzen (OLG Köln KTS 1977, 56, 61; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 5 InsVV Rn. 21; Eickmann, Vergütungsrecht 2. Aufl. § 5 InsVV Rn. 22 ; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 3. Aufl. § 5 InsVV Rn. 34; Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 5 InsVV Rn. 26). Nach anderer Auffassung wird im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht geprüft, ob das Verwalterhandeln notwendig und angemessen war; die Berechtigung von Entnahmen sei vielmehr im ordentlichen Rechtsweg zu klären (LG Gießen ZIP 1986, 1210, 1211 mit zustimmender Anm. Eickmann EWiR 1986, 1013; MünchKomm-InsO/Nowak, § 5 Rn. 4, § 8 InsVV Rn. 7; zu Rückzahlungsanordnungen außerhalb eines Vergütungsfestsetzungsverfahrens vgl. LG Freiburg ZIP 1980, 438 f).

Insoweit lag eine höchstrichterliche Entscheidung bislang nicht vor (zum Anspruch des Insolvenzverwalters auf Gewährung eines Vorschusses für die Beauftragung eines Steuerberaters vgl. BGH, Beschl. v. 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717, 1720).

Nach Auffassung des Senats ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, im Rahmen seines Vergütungsfestsetzungsantrags aufzuführen, für welche von ihm beauftragten Fachleute er das an diese entrichtete Entgelt aus der Masse entnommen hat, und das Insolvenzgericht ist berechtigt und verpflichtet zu überprüfen, ob die Beauftragung Externer gerechtfertigt war. Mit der Vergütung sind die "allgemeinen Geschäftskosten" abgegolten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 InsVV). Zur Erledigung "besonderer Aufgaben" darf der Verwalter für die Masse Dienst- oder Werkverträge abschließen und die angemessene Vergütung aus der Masse zahlen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV). Nach § 5 Abs. 1 InsVV kann ein Insolvenzverwalter, der als Rechtsanwalt zugelassen ist, für solche Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. Nach § 5 Abs. 2 InsVV gilt Entsprechendes, wenn der Insolvenzverwalter eine andere besondere Qualifikation - etwa als Steuerberater - aufweist. Die Tätigkeiten im Sinne von § 5 InsVV entsprechen den "besonderen Aufgaben" gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV. Damit überprüft werden kann, ob die "besonderen Aufgaben" in Wahrheit nicht "allgemeine Geschäfte" betrafen und die gesondert aus der Masse entnommenen Beträge somit eine zusätzliche, nicht gerechtfertigte Vergütung des Verwalters darstellen, muß der Vergütungsfestsetzungsantrag die zur Überprüfung erforderlichen Angaben enthalten (§ 8 Abs. 2 InsVV). Kommt das Insolvenzgericht zu dem Ergebnis, daß keine "besonderen Aufgaben" vorlagen, daß insbesondere die kostenträchtige Einschaltung Externer nicht erforderlich war, kann es die festzusetzende Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag kürzen.

2. In den Vorinstanzen sind bei der Prüfung, inwieweit der Insolvenzverwalter bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu Lasten der Masse Rechtsanwälte und Steuerberater beauftragen darf, allerdings zu strenge Maßstäbe angelegt worden.

a) Die Vorschriften des § 5 Abs. 1 und 2 InsVV stimmen im wesentlichen mit den Grundsätzen überein, die der Senat im Urteil vom 17. September 1998 (IX ZR 237/97, BGHZ 139, 309) zum früheren Recht aufgestellt hat. In der genannten Entscheidung hat der Senat ausgeführt (aaO, S. 312), ein Konkursverwalter, der zugleich Rechtsanwalt sei, könne (über die Verwaltervergütung hinaus) zusätzliche Gebühren nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung in Rechnung stellen, wenn er in seiner amtlichen Tätigkeit eine Aufgabe wahrgenommen habe, die besonderer rechtlicher Fähigkeiten bedurft habe und daher von einem Verwalter, der nicht selbst Volljurist sei, bei sachgerechter Arbeitsweise in der Regel einem Rechtsanwalt hätte übertragen werden müssen. Dabei mache es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um eine gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit gehandelt habe.

Wenn ein Insolvenzverwalter, der zugleich Rechtsanwalt und/oder Steuerberater ist, eine Sondervergütung beanspruchen darf, falls er die betreffende Aufgabe selbst erledigt, dürfen die Kosten, die durch die Übertragung der Aufgabe auf Dritte entstehen, von der Vergütung des Rechtsanwalts nicht abgezogen werden.

b) Legt man bei der Prüfung die vom Senat (BGHZ 139, 309, 313 f) festgelegten Maßstäbe an, so wird deutlich, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten überwiegend um solche handelt, für die ein nicht als Rechtsanwalt oder Steuerberater zugelassener Verwalter vernünftigerweise einen Rechtsanwalt oder Steuerberater beauftragt hätte.

aa) Allerdings begründen nicht schon die im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens notwendige Anbahnung und der Abschluß von Grundstückskaufverträgen einen Anspruch auf Anwaltshonorar. Das Vermögen des Schuldners in Geld umzusetzen, ist vielmehr eine Kernaufgabe des Insolvenzverwalters. Im Einzelfall kann indes die Verwertung etwa des Betriebsgrundstücks mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung nicht lösen kann. So verhielt es sich in dem Fall, welcher der Entscheidung des Senats vom 17. September 1998 (BGHZ 139, 309) zugrunde lag. Damals hat der Senat unter anderem darauf abgestellt, daß der detaillierte Regelungen enthaltende Vertrag das Ergebnis umfangreicher und schwieriger Verhandlungen mit der anwaltlich vertretenen Käuferin war und daß in deren Verlauf mehrere Entwürfe gefertigt sowie Besprechungen durchgeführt wurden (aaO S. 313 f).

Für den vorliegenden Fall gilt Entsprechendes. Nach dem Vortrag des Rechtsbeschwerdeführers in den Tatsacheninstanzen, denen abweichende Feststellungen nicht entgegenstehen, bestand die Besonderheit der Veräußerung darin, daß nicht ein Grundstück der Schuldnerin, sondern ein Erbbaurecht verkauft wurde. Dazu mußte die Zustimmung des Grundstückseigentümers eingeholt und der Eintritt in den schuldrechtlichen Erbbaurechtsvertrag geregelt werden. Eine weitere Erschwernis lag darin, daß sich im Vermögen der Schuldnerin nur das Vertriebsunternehmen befand, während der Produktionsbetrieb zu dem Vermögen eines ebenfalls insolventen anderen Schuldners gehörte. Dieser Produktionsbetrieb, der sich auf dem Erbbaugrundstück eingemietet hatte, sollte zusammen mit dem Vertriebsunternehmen veräußert werden. Der zu veräußernde Betrieb fiel mithin in zwei Insolvenzmassen. Im Rahmen der Veräußerung des Erbbaurechts mußten zum Beispiel die Haftung für rückständige Erbbauzinsen und die Risikoverteilung im Falle des Bestehens von Altlasten geregelt werden. Die Veräußerung war aufschiebend bedingt durch die Zustimmung der Gläubigerversammlung, so daß auch Vorkehrungen für eine Rückabwicklung zu treffen waren. Der Vertrag war das Ergebnis umfangreicher und schwieriger Verhandlungen mit der anwaltlich vertretenen Käuferin. In deren Verlauf wurden insgesamt fünf Entwürfe gefertigt, und es fanden mehrere Besprechungen statt, an denen nicht nur die unmittelbaren Vertragsbeteiligten, deren Rechtsvertreter und der Notar, sondern auch ein Grundpfandgläubiger teilgenommen haben.

Das Landgericht ist hierauf im einzelnen nicht eingegangen. Es hat zwar die Veräußerung eines Erbbaurechts als "relevante Erschwernis" bezeichnet, andererseits in der Aufspaltung von Produktion und Vertrieb auf zwei Insolvenzmassen, die beide von dem Rechtsbeschwerdeführer verwaltet wurden, eine Arbeitserleichterung gesehen. Dies rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht. Eine etwaige Arbeitserleichterung wäre für die Unterscheidung zwischen Regel- und Sonderaufwand unergiebig. Maßgeblich sind allein die rechtlichen Schwierigkeiten, und diese werden dadurch, daß der Rechtsbeschwerdeführer für beide Insolvenzmassen verantwortlich war, kaum gemindert.

bb) Gleiches gilt, soweit das Beschwerdegericht die aus der Masse entnommenen Rechtsanwaltskosten, die durch die Aufhebung des Mietvertrages über Gewerberäume angefallen sind, vergütungsmindernd abgezogen hat. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht ausgeführt, eine derartige Vertragsaufhebung könne eine geschäftserfahrene Person, insbesondere ein Insolvenzverwalter, üblicherweise ohne anwaltlichen Beistand bewerkstelligen. Im weiteren hat es jedoch erheblichen Vortrag des Insolvenzverwalters nicht berücksichtigt. Danach hatte die Insolvenzschuldnerin auf dem Erbbaugrundstück Räumlichkeiten nicht nur an das Produktionsunternehmen, sondern auch an einen weiteren Betrieb vermietet und das Mietverhältnis aufgrund bestehender Mietrückstände fristlos gekündigt. In einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter als Veräußerer, der Erwerberin und der Mieterin wurden die Modalitäten der Räumung, der Zahlung einer Nutzungsentschädigung sowie von Neben- und Betriebskosten geregelt. Es war vernünftig, auch die Aufhebung des Mietvertrages in anwaltliche Hände zu legen, weil sie mit zu dem Komplex der Unternehmensveräußerung gehörte, derentwegen der Insolvenzverwalter - wie oben zu aa) ausgeführt - einen Rechtsanwalt beauftragen durfte.

cc) Soweit das Beschwerdegericht auch den Abzug von Steuerberaterkosten bestätigt hat, die durch die im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung vorgenommene Aufbuchung angefallen sind, ist übersehen worden, daß die Buchhaltung vor der Insolvenzeröffnung außerhalb des Schuldner-Unternehmens erledigt wurde. In einem solchen Fall ist es dem Insolvenzverwalter nicht zuzumuten, eine neue Buchhaltung anzulegen und selbst oder von eigenen Mitarbeitern zu führen (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Juli 2004 - IX ZB 161/03, ZIP 2004, 1717, 1720). Schaltet er deswegen zusätzliche Hilfskräfte ein, darf sich dies nicht vergütungsmindernd auswirken (vgl. Eickmann, aaO § 4 InsVV Rn. 15, 23; MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 4 InsVV Rn. 10).

dd) Demgegenüber hat das Beschwerdegericht die Kosten der Einschaltung des Rechtsanwalt G. zu dem Zweck, die Rückkaufswerte dreier von der Insolvenzschuldnerin abgeschlossener Lebensversicherungen schnellstmöglich zur Masse zu ziehen, mit Recht abgezogen.

Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung darf ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter für den Einzug streitiger Forderungen einen Rechtsanwalt beauftragen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO § 5 InsVV Rn. 21). Ob dies so allgemein zutrifft, mag dahinstehen. Jedenfalls bestand im vorliegenden Fall kein hinreichender Anlaß für die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters waren die von ihm ausgesprochenen Kündigungen von dem Versicherer in zwei Fällen nur für einen späteren Zeitpunkt akzeptiert worden. Der Feststellung des Beschwerdegerichts, der Versicherer habe bereits aufgrund eines einfachen (allerdings anwaltlichen) Schreibens, in welchem auf den Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam gemacht wurde, nachgegeben, setzt die Rechtsbeschwerde nichts entgegen. Ein entsprechendes Schreiben an den Versicherer hätte auch der Rechtsbeschwerdeführer selbst verfassen können. Die insoweit angefallenen Anwaltskosten von 357,90 € wären dann nicht entstanden und sind somit zu Recht von der Vergütung abgezogen worden.

ee) Soweit danach von "besonderen Aufgaben" auszugehen ist, kommt es nicht darauf an, daß es sich bei dem Rechtsanwalt D. und dem Steuerberater M. , der möglicherweise hinter der Steuerberatungsgesellschaft M. steht, um Sozien des Rechtsbeschwerdeführers handelte, so daß eine gewisse "Nähe" des Auftraggebers zu den Auftragnehmern bestand. Wenn der Rechtsbeschwerdeführer die Aufgaben - gegen besondere Vergütung - selbst hätte übernehmen können, durfte er sie auch auf nahestehende Personen übertragen.



Ende der Entscheidung

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