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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: IX ZB 49/05
Rechtsgebiete: InsO, RPflG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 77
InsO § 77 Abs. 2
InsO § 77 Abs. 2 Satz 2
RPflG § 11 Abs. 2
RPflG § 18 Abs. 3
RPflG § 18 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 577 Abs. 6 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 49/05

vom 5. April 2006

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter Vill, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer

am 5. April 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 11. Januar 2005 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 22. August 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der (weitere) Beteiligte zu 2 war in einem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren, das durch Antragsrücknahme beendet worden war, zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden; seine Vergütung hatte die Schuldnerin nicht gezahlt. Im vorliegenden Verfahren war der Beteiligte zu 2 zunächst erneut zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Endgültiger Verwalter wurde jedoch der (weitere) Beteiligte zu 1. Der Beteiligte zu 2 meldete die Vergütung aus dem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren zur Tabelle an. Der Beteiligte zu 1 bestritt diese Forderung nicht.

Im Berichtstermin vom 12. November 2003, fortgesetzt am 10. Dezember 2003, an dem der Beteiligte zu 2 in seiner Eigenschaft als Gläubiger teilnahm, stimmte die Gläubigerversammlung über die Wahl des Beteiligten zu 2 zum Insolvenzverwalter ab. Nach Festsetzung des Stimmrechts von Gläubigern bestrittener Forderungen durch das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO erhielt der Beteiligte zu 2 nicht die erforderliche Mehrheit. Der Beteiligte zu 2 erklärte zu Protokoll, er sei mit der Stimmrechtsentscheidung hinsichtlich mehrerer anderer Gläubiger nicht einverstanden.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2003 hat das Insolvenzgericht - Abteilungsrichter - die Erinnerung des Beteiligten zu 2 gegen die Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers als unzulässig verworfen und eine Neufestsetzung der Stimmrechte abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen diesen Beschluss wurde als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 den Antrag, den Beschluss des Landgerichts sowie denjenigen des Amtsgerichts aufzuheben, soweit er die Wahl des Insolvenzverwalters betrifft, und die Rechtssache zur anderweitigen Feststellung des Stimmrechts gemäß § 77 InsO an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft. Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt grundsätzlich voraus, dass bereits die sofortige Beschwerde statthaft war (BGHZ 144, 78, 82; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 75/03, WM 2003, 2344; v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2391; v. 7. Oktober 2004 - IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341; v. 7. April 2005 - IX ZB 63/03, WM 2005, 1246). Das war hier nicht der Fall.

1. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung dies ausdrücklich vorschreibt (§ 6 Abs. 1 InsO). Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts nach § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Gemäß § 77 Abs. 2 InsO sind die Gläubiger, deren Forderungen bestritten werden, stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. Kommt es nicht zu einer Einigung, so entscheidet das Insolvenzgericht. Hat das Insolvenzgericht durch den Rechtspfleger entschieden und hat sich die Entscheidung auf das Ergebnis der Abstimmung ausgewirkt, so kann der Richter auf Antrag eines Gläubigers oder des Insolvenzverwalters das Stimmrecht neu festsetzen und die Wiederholung der Abstimmung anordnen (§ 18 Abs. 3 RPflG). Diese Entscheidung ist abschließend (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Oktober 2004, aaO S. 2342; MünchKomm-InsO/Ehricke § 77 Rn. 28).

2. Der Ausschluss eines Rechtsmittels verstößt nicht gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden (BVerfG NJW 2003, 1924; BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 - IX ZB 599/02, WM 2003, 2390, 2392). Den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt es, dass Entscheidungen des Rechtspflegers, die nach den allgemeinen Regeln des Verfahrensrechts nicht anfechtbar sind, gemäß § 11 Abs. 2 RPflG dem Richter vorzulegen sind (BVerfGE 101, 397, 407 f; BVerfG NJW-RR 2001, 1077 f). Die hier anwendbare Vorschrift des § 18 Abs. 3 RPflG, nach welcher der Richter auf Antrag eines Gläubigers das Stimmrecht neu festsetzen kann, erfüllt die gleiche Funktion wie in anderen Fällen diejenige des § 11 Abs. 2 RPflG.

3. Zwar hat der Senat in einem besonders gelagerten Ausnahmefall die Statthaftigkeit einer Beschwerde des Schuldners auch dann anerkannt, wenn ein solches Rechtsmittel in der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BGHZ 158, 212). Ein vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Beteiligte zu 2 von der Entscheidung nach § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO sowohl als möglicher Insolvenzverwalter als auch als Gläubiger einer Insolvenzforderung betroffen ist.

a) Als möglicher Insolvenzverwalter ist der Beteiligte zu 2 dadurch, dass er infolge der Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers und der Ablehnung einer Neufestsetzung der Stimmrechte durch den Richter nicht zum Insolvenzverwalter gewählt worden ist, nicht in subjektiven Rechten verletzt; denn der für ihn negative Ausgang der Wahl bewegt sich innerhalb des in zulässiger Weise normativ fixierten Berufsbildes des Insolvenzverwalters (vgl. für den umgekehrten Fall der Abwahl des gerichtlich bestellten Verwalters durch die erste Gläubigerversammlung BVerfG ZIP 2005, 537, 538). Insoweit fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die offene Gebührenforderung aus einem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren hat keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Beteiligten zu 2 in seiner Eigenschaft als möglicher Insolvenzverwalter.

b) Als Insolvenzgläubiger kann sich der Beteiligte zu 2 auf das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG berufen (vgl. BVerfG ZIP 1995, 923, 924). Das hat jedoch nur zur Folge, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfüllt sind. Durch die Möglichkeit, gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG die Neufestsetzung streitiger Stimmrechte durch den Richter zu beantragen, wird der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes Genüge getan (s.o.).

c) Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigen es ebenfalls nicht, die Rechtsbeschwerde ausnahmsweise als statthaft anzusehen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs - welche im Übrigen hier nicht dargetan ist - eröffnet keinen Rechtszug, der vom Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehen ist (vgl. § 321a ZPO). Dies gilt für Erstbeschwerde und Rechtsbeschwerde gleichermaßen.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO abgesehen.

Ende der Entscheidung

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