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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: IX ZB 80/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 418 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 80/07

vom 26. Juni 2008

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann und die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape

am 26. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 86. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 20. März 2007 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

I.

Auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 vom 1. Oktober 1999 wurde über das Vermögen des Schuldners am 17. März 2000 das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet, in dem der Schuldner Restschuldbefreiung begehrt. Das Insolvenzgericht hat den Antrag auf Restschuldbefreiung mit Beschluss vom 5. Dezember 2005 durch einen im Schlusstermin in Abwesenheit des Schuldners verkündeten Beschluss als unzulässig zurückgewiesen, weil der Schuldner zwei Aufforderungen des Gerichts vom 24. Mai und 2. August 2005, die noch fehlende Abtretungserklärung nachzureichen, nicht nachgekommen sei. Gegen diesen dem Schuldner nach der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 12. Dezember 2005 durch Einwurf in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8. Februar 2007 Beschwerde eingelegt und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Zur Begründung hat er ausgeführt, erst durch ein am 7. Februar 2007 zugestelltes Schreiben der A. vom 23. Januar 2007 von der Zurückweisung des Antrags auf Restschuldbefreiung etwas erfahren zu haben. Die vom Insolvenzgericht vermisste Abtretungserklärung sei schon dem im Januar 2000 gestellten Restschuldbefreiungsantrag beigefügt gewesen. Mit Beschluss vom 20. März 2007 hat das Beschwerdegericht den Antrag des Schuldners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und seine Beschwerde als unzulässig verworfen, denn der Schuldner habe nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses die sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen, weil der Schuldner seine den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen nicht glaubhaft gemacht habe. Die Rechtsbeschwerde, mit der die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts vom 20. März 2007 und die Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 5. Dezember 2005 beantragt wird, macht geltend, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des Schuldners zu Unrecht eine am 21. März 2007 beim Gericht eingegangene eidesstattliche Versicherung des Schuldners, in der dieser bestritten hat, am 12. Dezember 2005 den Beschluss vom 5. Dezember 2005 bekommen zu haben, unberücksichtigt gelassen. Da es sich um einen nicht verkündeten Beschluss gehandelt habe, hätte das Landgericht bei seiner Entscheidung auch noch den vor Herausgabe des Beschlusses am 21. März 2007 eingegangenen Schriftsatz vom 19. März 2007 mit der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners berücksichtigen müssen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie keinen Zulässigkeitsgrund aufdeckt. Auf die Rüge, das Beschwerdegericht hätte die bei ihm am 21. März 2007 eingegangene eidesstattliche Versicherung des Schuldners, mit der er glaubhaft gemacht habe, den Beschluss vom 5. Dezember 2005 am 12. Dezember 2005 nicht erhalten zu haben, zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, kommt es nicht an. Das Beschwerdegericht hat dem Schuldner mit Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die von den übrigen Obergerichten geteilt wird und die auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang steht, kann die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringt, nur durch die substantiierte Darlegung und den Nachweis des Gegenteils zerstört werden; die nur pauschale Behauptung, das zugestellte Schriftstück nicht bekommen zu haben, entkräftet die Richtigkeit der Zustellungsurkunde nicht (vgl. BGH, Urt. v. 10. November 2005 - III ZR 104/05, NJW 2006, 150; BSG, Beschl. v. 27. Januar 2005 - B 7a/7 AL 194/04 B; BFH, BFH/NV 2004, 509 Rn. 10; BVerfG NJW-RR 2002, 1008 Rn. 3 f; Hk-ZPO/Eichele, 2. Aufl. § 418 Rn. 4; Musielak/Huber, ZPO 6. Aufl. § 418 Rn. 5; Zöller/Geimer, ZPO 26. Aufl. § 418 Rn. 4). In der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners vom 13. März 2007 wird lediglich ausgeführt, dem Schuldner sei der Beschluss vom 5. Dezember 2005 über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht am 12. Dezember 2005 zugegangen, er habe erstmals mit Schreiben der A. vom 23. Januar 2007 Kenntnis von der Versagung erhalten. Dieser Vortrag genügt nicht, um die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde zu widerlegen. Zwar kann der Beweis der Unrichtigkeit der Urkunde geführt werden (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dafür reicht es jedoch nicht aus, wenn der Adressat der Zustellung wie hier schlicht behauptet, das Schriftstück nicht erhalten zu haben. Der Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erfordert vielmehr die substantiierte Darlegung eines anderen als des beurkundeten Geschehens. Notwendig ist der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 10. November 2005 aaO Rn. 12). Der Schuldner hat insoweit nichts vorgebracht, was nur ansatzweise diesen Anforderungen genügen könnte. Es fehlt Vortrag eines Sachverhalts, aus dem sich die Unrichtigkeit des Inhalts der Zustellungsurkunde vom 12. Dezember 2005 - deren Korrektheit im Übrigen von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt wird - ergibt. Das Landgericht hätte deshalb die sofortige Beschwerde des Schuldners auch dann als unzulässig verwerfen müssen, wenn es den Inhalt des Schriftsatzes vom 19. März 2007 und die dem Schriftsatz angefügte eidesstattliche Versicherung des Schuldners berücksichtigt hätte. Auf die Frage, ob das Beschwerdegericht den Inhalt des Schriftsatzes noch hätte zur Kenntnis und seiner Entscheidung zugrunde legen müssen, kommt es daher nicht an. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist mangels rechtzeitiger Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht mehr angreifbar. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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