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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: IX ZR 164/07
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 78b Abs. 1
ZPO § 286
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 544 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp

Am [sic] 7. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm zur Begründung der vorgenannten Beschwerde einen Notanwalt zu bestellen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. August 2007 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 260.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

1.

Ein Notanwalt ist dem Kläger nicht zu bestellen. Gemäß § 78b Abs. 1 ZPO kann ein Rechtsanwalt einer Partei zur Wahrnehmung ihrer Rechte nur dann beigeordnet werden, wenn die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos erscheint. Die für den Beschwerdeführer erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist indes aussichtslos. Ein dem Kläger beigeordneter Rechtsanwalt wäre nicht in der Lage, sie schlüssig zu begründen. Denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 544 Abs. 2 Satz 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

a)

Der Senat hat die Eingaben des Klägers und die darin enthaltenen Angriffe gegen das Berufungsurteil umfassend geprüft. Ganz überwiegend beanstandet der Kläger, dass das Berufungsgericht gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO verstoßen habe und deshalb zu einer unrichtigen Bewertung sowohl der Vorgänge, die für die Kündigung durch seinen früheren Arbeitgeber ausschlaggebend waren, als auch der Leistung des Beklagten vor und in den Inzidenzverfahren gelangt sei. Diese Rügen sind nicht zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde geeignet. Das Berufungsgericht hat kaum Feststellungen über umstrittene Tatsachen getroffen, sondern seinen Erwägungen nahezu durchweg unstrittigen Vortrag und Vortrag des Klägers zugrunde gelegt und diesen sodann einer rechtlichen Würdigung unterzogen. Dabei handelt es sich nicht um Beweiswürdigung im Sinne des § 286 ZPO, sondern um die Anwendung des materiellen Rechts. Soweit die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich einzelner Aspekte auch Elemente einer Tatsachenfeststellung enthalten, kann dahinstehen, ob diese Feststellungen mit den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung vereinbar sind. Ebenso wie etwaige Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts (hierzu BGHZ 152, 182, 188 ; 154, 288, 293 f ; vgl. auch BVerfG NJW 2005, 3345 ) einschließlich des in den Inzidenzverfahren einschlägig gewesenen Arbeits- bzw. Verwaltungsrechts sind etwaige Verfahrensfehler alleine grundsätzlich nicht einmal dann geeignet, einen Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu begründen, wenn sie schwerwiegend oder offensichtlich sind (BGHZ 151, 42, 46 ; BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 543 Rn. 18 m.w.N.; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl. § 543 Rn. 9 m.w.N.). Aus dem Umstand, dass der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO dem Schutz des Vertrauens in die Rechtsprechung als Ganzes dient (vgl. Amtl. Begr. des ZPO-RG, BT-Drucks. 14/4722, S. 104), ist vielmehr zu schließen, dass ein Rechtsanwendungsfehler grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt. Eine Ausnahme kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Angriffe des Klägers richten sich ausnahmslos gegen Erwägungen und Bewertungen des Berufungsgerichts, die sich ausschließlich mit den Besonderheiten des sehr vielschichtigen und ungewöhnlichen Streitfalls befassen.

b)

Alleine diejenigen Angriffe, mit denen der Kläger beanstandet, dass das Berufungsgericht Teile seines Vortrags übergangen habe, sind im Ansatz geeignet, einen Zulassungsgrund zu begründen. Der Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) kann Anlass sein, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Dies setzt allerdings in der Regel voraus, dass nach den Darlegungen des Beschwerdeführers der Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (BGH aaO sowie Beschl. v. 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181). Dann geht das Individualinteresse des Beschwerdeführers an der Durchsetzung seines Grundrechts, dem eine sonst eröffnete Verfassungsbeschwerde vornehmlich zu dienen hätte (BVerfGE85, 109, 113; 98, 218, 242 f), mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung der Grundrechtsordnung, auf das das Revisionsrecht auch abstellt, einher.

Weder anhand der vom Kläger vorgetragenen Angriffe noch im Übrigen ist indes ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör feststellbar oder gar offenkundig. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 25, 137, 140 ; 54, 86, 91 f ; 96, 205, 216 f ). Das Prozessgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG gibt keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich mit dem Vortrag einer Partei in derjenigen Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269, 286), und erst recht keinen Anspruch darauf, dass das Gericht ihrer eigenen rechtlichen Würdigung folgt (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33). Die Angriffe des Klägers sind im Kern auf Letzteres gerichtet. Das Berufungsgericht hat insbesondere seine Ausführungen über die Hintergründe und die Ernsthaftigkeit seiner Selbstmorddrohung erkennbar zur Kenntnis genommen, jedoch rechtlich anders gewürdigt. Die Nichtberücksichtigung des nach Schluss der Berufungsverhandlung gehaltenen Tatsachenvortrags gemäß § 296a ZPO begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. Die Frage, ob das Berufungsgericht bzgl. der Aufklärung des Klägers durch den Beklagten über den Verlust des Rechtsschutzbedürfnisses für die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage Vortrag übergangen hat, kann dahinstehen, weil es dieser Aufklärung nicht bedurfte; die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Landgerichts sind zutreffend.

2.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 24. Dezember 2007 verlängerten Begründungsfrist begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist wäre nur im Falle der Beiordnung eines Notanwalts in Betracht gekommen.

Ende der Entscheidung

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