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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: IX ZR 188/02
Rechtsgebiete: BEG 1956, BeamtVG, HeilvfV, BRKG, ZPO


Vorschriften:

BEG 1956 § 30 Abs. 1
BeamtVG § 33
HeilvfV § 6 Abs. 3 Buchst. a
BRKG § 10
ZPO § 286 G
Wird einem Verfolgten mit Heilverfahrensanspruch eine Heilkur im ausländischen Heimatstaat bewilligt und überschreiten die geltend gemachten Übernachtungskosten die durch allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Inneren festgesetzten und im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Obergrenzen nicht, obliegt es der Entschädigungsbehörde, den ersten Anschein zu erschüttern, daß diese Kosten im Einzelfall unvermeidbar waren.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 188/02

Verkündet am: 16. Januar 2003

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die einseitige mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2003 gemäß § 209 Abs. 3 Satz 2 BEG durch die Richter Kirchhof, Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. November 2001 aufgehoben, soweit mit der Berufung der teilweise abgelehnte Anspruch auf Erstattung von Kurkosten für das Jahr 1998 weiterverfolgt worden ist.

Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Nach Teilzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil durch Beschluß des Senates vom 24. Juli 2002 streiten die Parteien noch über die restliche Erstattung der Kosten einer Auslandsheilkur. Der Kläger hat für seine bewilligte Kur vom 1. bis 28. Juli 1998 in Sharon Springs im Staate New York der Vereinigten Staaten von Amerika Erstattungen im Gesamtbetrage von 2.765 US-Dollar geltend gemacht. Auf den Gegenwert der geforderten 265 US-Dollar für Fahrt- und Arztkosten zahlte der Beklagte 474,80 DM. Von den weiter geforderten 2.500 US-Dollar (Wochenrate 625 US-Dollar) für Übernachtungen mit Vollpension im Einzelzimmer des Kurhotels erstattete der Beklagte Tagegeld für 27 Tage von jeweils 33 DM abzüglich häuslicher Ersparnis von 20 % im Betrag von 752,80 DM, weiteres Tagegeld von jeweils 25 DM für den An- und Abreisetag sowie Übernachtungsgeld für 28 Tage von jeweils 28 DM im Betrag von 784 DM, insgesamt mithin einen Betrag von 1.586,80 DM (Verfügung vom 19. August 1998, HV-Akte 15445, Bd. VII S. 1330 R). Die Differenz zwischen Forderung und Erstattung war Gegenstand der Klage.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 19. August 1998, an den Kläger für die Kur vom 1. bis 28. Juli 1998 insgesamt 2.926 DM zuzüglich 265 US-Dollar abzüglich bereits entrichteter 2.061,60 DM zu zahlen. Der Beklagte leistete hierauf an den Kläger weitere 1.420,40 DM (HV-Akte 15445, Bd. VII S. 1466, 1469).

Die Berufung des Klägers gegen die Teilabweisung seiner Klage hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt er den Anspruch auf restliche Kurkostenerstattung in Höhe von 752,64 € nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 30. Oktober 1998 (Eingang der Klage) weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

I.

Das Landgericht hat dem Kläger Übernachtungsgeld von 58,50 DM gemäß § 10 Abs. 2 und 3 BRKG und Tagegeld von 46 DM gemäß § 9 BRKG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchstabe a) EStG für jeweils 28 Tage zuerkannt und die weitergehende Klage abgewiesen, weil der Kläger über die Unvermeidbarkeit der aufgewendeten Mehrkosten seiner Unterbringung nichts vorgetragen habe. Das Berufungsgericht ist dem gefolgt, da der Kläger infolge des von ihm abgelehnten Pauschalierungsvergleiches und der sonstigen Umstände damit habe rechnen müssen, daß er die Kosten seiner Heilkur im Jahre 1998 spezifiziert nachzuweisen habe.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Der Verfolgte, der seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Bundesentschädigungsgesetzes hat, kann sich nach § 11 2. DV-BEG nur im Ausnahmefall einem Heilverfahren im Geltungsbereich des Gesetzes unterziehen. Auch der Kläger war deshalb genötigt, seine Heilkur - wie genehmigt - in seinem ausländischen Aufenthaltsstaat zu vollziehen.

2. Der Umfang des Anspruchs Verfolgter auf ein Heilverfahren ergibt sich nach § 30 Abs. 1 BEG aus dem öffentlichen Dienstrecht des Bundes. Gemäß § 106 BeamtVG sind an die Stelle der in § 30 Abs. 1 Satz 2 BEG noch genannten Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes die §§ 33, 34 BeamtVG getreten. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG umfaßt die Berechtigung zum Heilverfahren die notwendige ärztliche Behandlung, für die Kosten gemäß § 3 der aufgrund von § 33 Abs. 5 BeamtVG erlassenen Heilverfahrensverordnung (HeilvfV) vom 25. April 1979 (BGBl I S. 502) erstattet werden. Für die Durchführung genehmigter Heilkuren außerhalb eines Krankenhauses oder Sanatoriums folgt aus § 6 Abs. 3 Buchstabe a) HeilvfV, daß dem Berechtigten unter anderem Ersatz der Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zur Höhe des Tage- und Übernachtungsgeldes (§§ 9, 10 des Bundesreisekostengesetzes - BRKG) zusteht. Zur Höhe des Tagegeldes für Verpflegungsmehraufwendungen verweist § 9 BRKG weiter auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG). Hiernach ergibt sich bei einer Abwesenheit von 24 Stunden oder mehr eine Tagespauschale von 46 DM.

Nachgewiesene Übernachtungskosten wurden im Jahr 1998 gemäß § 10 Abs. 2, 3 Satz 1 BRKG bis zur Höhe von 58,50 DM erstattet. Darüber hinausgehende Mehrkosten sind nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BRKG erstattungsfähig, soweit sie unvermeidbar waren. Schließen die Übernachtungskosten die Kosten des Frühstücks ein, sind sie nach § 10 Abs. 3 Satz 3 2. Fall BRKG bei Auslandsübernachtungen um zwanzig Prozent des für den Übernachtungsort maßgebenden Auslandstagegeldes für eine mehrtägige Auslandsdienstreise zu kürzen. Dies wäre eine Doppelbenachteiligung, wenn einerseits aufgrund besonderer Vorschriften die §§ 9, 10 BRKG auch für Dienstreisen oder Heilkuren im Ausland angewendet aber andererseits höhere Auslandstagegelder gemäß §§ 20 BRKG, 3 Abs. 1 der Auslandsreisekostenverordnung (ARV) und den hierzu erlassenen Verwaltungsvorschriften nicht bezogen werden.

§ 6 Abs. 3 Buchstabe a) HeilvfV ist mit seiner Rechtsfolgenverweisung auf den typischen Fall ausgerichtet, daß die Heilkur deutscher Beamter im Inland stattfindet. Die Heilverfahrensrichtlinien (HVfR) der Länder zu § 30 BEG, die der Beklagte vorgelegt hat, bestimmen deshalb unter Nr. 2.5.8.2 (Satz 1 entspricht Nr. 2.74 Satz 2 der Richtlinien a.F.) ergänzend:

Bei einer Kur im Ausland sind die notwendigen und die angemessenen landesüblichen Kosten zu erstatten. Die Grundsätze der Nr. 2.5.8.1 sind sinngemäß (Hervorhebung nicht im Original) anzuwenden.

Hiernach ist für die Feststellung des Übernachtungsgeldes bei Auslandskuren Verfolgter in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 3 Satz 2 BRKG eine Beweiserleichterung geboten. Denn in die Prüfung, ob Mehrkosten der Übernachtungen gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 BRKG unvermeidbar sind, strahlen in diesen Fällen die Vorschriften des Auslandsreisekostenrechts ein. Die nach § 24 Abs. 2 BRKG zu § 3 Abs. 1 ARV vom Bundesministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt erlassene allgemeine Verwaltungsvorschrift über Auslandstage- und Auslandsübernachtungsgelder enthält administrative Sachverständigenaussagen, die nach tatsächlichen Erhebungen fortgeschrieben werden. Erst bei nachgewiesenen höheren Gesamtübernachtungskosten bedarf es gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 ARV der Prüfung, ob sie als notwendig anerkannt und im begründeten Ausnahmefall ersetzt werden. Die Obergrenze des Auslandsübernachtungsgeldes nach der Verwaltungsvorschrift erzeugt demzufolge im Rahmen einer entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 3 Satz 2 BRKG für Auslandsheilkuren Verfolgter einen ersten Anschein, daß nachgewiesene Übernachtungskosten bis zum Höchstsatz des Auslandsübernachtungsgeldes im Einzelfall unvermeidbar gewesen sind.

3. Im Streitfall ist demnach für das Übernachtungsgeld von den Sätzen der im Kurjahr aktuellen Bekanntmachung des Bundesministers des Inneren vom 26. November 1997 (GMBl S. 830) Anlage 3 auszugehen. Sie sieht für die Vereinigten Staaten von Nordamerika außerhalb von New York und von Washington D. C. nebst Umgebung eine Obergrenze des Übernachtungsgeldes von 170 DM vor.

Die vom Kläger im Rahmen seines Antrages geltend gemachten und nachgewiesenen Übernachtungskosten erreichen nicht die angegebene Grenze bei Berücksichtigung der Kürzung um den Tagegeldanteil innerhalb der Vollpension (2.500 US-Dollar: 28 Tage = 89,29 US-Dollar täglich x 1,7917 DM/US-Dollar = 159,98 DM täglich). Der Beklagte kann jedoch nach Nr. 2.5.8.2 HVfR zur Erschütterung des ersten Anscheins einwenden, daß die berechneten Übernachtungskosten im Einzelfall den notwendigen und angemessenen landesüblichen Kostenrahmen überschritten haben. Für die Kürzung des Übernachtungsgeldes um 20 % wegen des in die Vollpension eingeschlossenen Frühstücks gilt § 10 Abs. 3 Satz 3 BRKG unmittelbar. Wenn allerdings statt des höheren Auslandstagegeldes nur Inlandstagegeld gewährt wird, darf der Kürzungsbetrag 20 % dieser Bemessungsgrundlage nicht überschreiten. Ob im weiteren die in der Zeile New York genannten Beträge der angeführten Bekanntmachung allein New York City oder auch - wie für den Streitfall erheblich - den Bundesstaat New York betreffen, muß im Bedarfsfall weiterer tatrichterlicher Aufklärung überlassen bleiben.

Auf die vorgenannte Beweiserleichterung hat der Senat in seinem Beschluß vom 24. Juli 2002 (in dieser Sache) bereits hingewiesen. Eine Pauschalabrechnung der Übernachtungskosten von Auslandskuren aufgrund der Auslandsreinkostensätze findet nicht statt. Dem Beklagten kann auch nicht zugegeben werden, daß ihn die Last überfordert, die vom Bundesminister des Inneren festgesetzten Obergrenzen von Auslandsübernachtungsgeldern bei Auslandskuren von Verfolgten im Einzelfall als landesüblich unnötig oder unangemessen zu erschüttern. Denn die Entschädigungsbehörden können, um ihrer Erschütterungslast gerecht zu werden, im Wege der Amtshilfe Ermittlungen der deutschen Auslandsvertretungen veranlassen und sich auch andere geeignete Erkenntnisquellen zu Übernachtungspreisen in einer ausländischen Kurregion nutzbar machen. Zeigt sich hierbei eine größere Preisspanne der Kurhotels einer angemessenen Kategorie, ist auch für die Erwägung des Beklagten Raum, daß ein Verfolgter im Ausland bei einer heimatnahen Heilkur leichter günstigere Einrichtungen ausfindig machen kann als ein weit herkommender Dienstreisender. Die Entschädigungsbehörden können schließlich noch andere konkrete Erschütterungstatsachen vortragen, etwa aus dem Rahmen fallende Kostensteigerungen gegenüber früheren Heilkuren desselben Verfolgten am gleichen Ort oder in der gleichen Region. Dazu hat der Beklagte auch hier nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht Gelegenheit.

III.

Für das weitere Verfahren gibt der Senat noch folgende Hinweise:

1. Abrechnungsstichtag für die in fremder Währung entstandenen Heilverfahrenskosten ist nach § 30 BEG der Kurswert zur Deutschen Mark im Zeitpunkt der Aufwendung (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juni 1975 - IX ZR 116/74, RzW 1975, 301). Sollte der Zahlungstag für Verpflegungs- und Unterbringungskosten bei einer mehrwöchigen Heilkur nicht genau bekannt sein oder sind möglicherweise Vorschüsse (Abschlagszahlungen) geleistet worden, kann im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) das Kurende als einheitlicher Zahlungszeitpunkt der Abrechnung zugrunde gelegt werden.

Im Streitfall hat das Landgericht rechtsfehlerhaft dem Kläger die geltend gemachten Fahrt- und Arztkosten von 265 US-Dollar in Landeswährung zugesprochen. Da der Beklagte diesen Ausspruch nicht angefochten hat, wirkt die materielle Teilrechtskraft der landgerichtlichen Entscheidung bei der Schlußabrechnung der Kurkosten zu seinen Lasten dahin, daß die in Deutscher Mark geleisteten Zahlungen insoweit nach § 244 Abs. 2 BGB umgerechnet werden müssen (siehe bereits den Aktenvermerk vom 7. Februar 2001, HV-Akte 15445, Bd. VII S. 1466).

2) Erstmals mit der Revisionsbegründung verlangt der Kläger für seinen Restanspruch auch Rechtshängigkeitszinsen. Eine solche Klagerhöhung ist noch im Revisionsverfahren möglich. Ein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen besteht - anders als der auf Verzugszinsen - auch aufgrund von § 30 Abs. 1 BEG (vgl. BGH, Beschl. v. 12. März 2002 - IX ZB 64/01, n.v.; BVerwG, Urt. v. 28. Mai 1998 - 2 C 28.97, Buchholz 239.1 § 49 BeamtVG Nr. 5). Rechtshängigkeit ist hier jedoch nach § 209 Abs. 1 BEG, § 253 Abs. 1 ZPO erst mit Zustellung der Klagschrift an den Beklagten am 5. November 1998 (GA I 5) eingetreten.

Ende der Entscheidung

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